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Fallbeispiel: Kapitalerhöhung in der GmbH ohne Bezugsrecht

Prüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer GmbH


Sachverhalt

In der G GmbH (Stammkapital: 200.000,- EUR) sind die Gesellschafter A (35 % Anteile), B (50 % Anteile) und C (15 % Anteile) miteinander zerstritten. Während A und B die Gesellschaft ausbauen möchten und sich zu diesem Zweck für die Investition der Gewinne einsetzen, will C Gewinne nur mitnehmen und kümmert sich nicht um die Belange der Gesellschaft. Zwar kann sich C nicht immer mit seinen Wünschen in der Gesellschaft durchsetzen, dennoch hält er die übrigen Gesellschafter mit seiner trotzigen Art sowie immer wieder mit Forderungen nach Einberufung der Gesellschafterversammlung auf Trab.

Bei A meldet sich der alleinige Gesellschafter der X GmbH – ein gewisser Z. Er bietet A an, die Anteile an der X für 150.000 EUR zum Erwerb an. Die X passt nicht so richtig zum Geschäft der G und weder A noch die G haben für diesen Kauf Geld parat. A schlägt dem B jedoch vor, dass die Übernahme der X in der Weise erfolgen könnte, dass diese durch Z in die Gesellschaft eingebracht wird. Zu diesem Zweck wird eine Kapitalerhöhung vorgenommen und Z wird als einzige Person zum Bezug der neuen Anteile im Umfang von 150.000 EUR zugelassen. Die X soll dabei als Sacheinlage eingebracht werden, denn sie ist die 150.000 EUR auf jeden Fall wert.

B sieht in dieser Lösung die Möglichkeit, den Einfluss des C zu begrenzen. Z ist auch bereit, die X in die G als Einlage einzubringen und will an der Idee des A mitmachen.

In einer Sitzung der Gesellschafterversammlung der G, zu der ordnungsgemäß mit nur einem Tagesordnungspunkt – Kapitalerhöhung und Einbringung der X GmbH – eingeladen wurde, kommt es zum Streit mit C. Mit Stimmen von A und B wird der Beschluss über die Kapitalerhöhung dennoch gefasst und durch einen Notar beurkundet. Auch die Übernahmeerklärung des Z für die neuen Anteile wird ebenfalls beurkundet.

Frage

Kann sich C gegen die Beschlüsse erfolgreich wehren?



Lösungshinweise


C kann sich gegen den Beschluss über die Kapitalerhöhung jedenfalls dann wehren, wenn er den Beschluss erfolgreich anfechten kann. Dies ist dann der Fall, wenn eine Anfechtungsklage i. S. d. § 246 AktG zulässig und begründet ist.

Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage des C ist lediglich zu erwähnen, dass die Klage auch im Falle der GmbH im Wege der analogen Anwendung (planwidrige Regelungslücke + vergleichbare Interessenlage liegen vor) statthaft ist.

Die Klage ist begründet, wenn sie innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgte, der C in diesem Fall klagebefugt ist, ein Anfechtungsgrund i. S. d. § 243 AktG analog vorliegt und die Klage nicht missbräuchlich ist.

A. Anfechtungsbefugnis
C könnte anfechtungsbefugt sein. Anfechtungsbefugt sind nur Gesellschafter, die entweder an der Abstimmung nicht teilgenommen oder gegen den Beschluss gestimmt haben. C hat im vorliegenden Fall gegen den Beschluss gestimmt, so dass er auch anfechtungsbefugt ist.

B. Anfechtungsfrist
Die Anfechtung müsste auch fristgemäß erfolgen. Die Frist beträgt in der Regel einen Monat, sofern keine besonderen Anhaltspunkte für die Begründetheit einer späteren Klageerhebung sprechen. In dieser Hinsicht ist § 246 Abs. 1 AktG nicht exakt auf die GmbH anzuwenden.
Im Falle des hier angefochtenen Beschlusses liegen keine Anhaltspunkte für eine verzögerte Klageerhebung vor. Sofern C nicht allzu lange mit der Klageerhebung wartet, ist die Anfechtungsfrist eingehalten.

C. Anfechtungsgrund
C könnte sich auch auf einen Anfechtungsgrund berufen. Als Anfechtungsgrund kommen nicht nur Anfechtbarkeitsgründe im eigentlichen Sinne, sondern auch Nichtigkeitsgründe in Betracht.

1. Nichtigkeit
Ein Formmangel gem. § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG ist gem. Sachverhalt ausdrücklich ausgeschlossen - die Beschlüsse wurden notariell beurkundet. Ein wesentlicher Mangel der Einberufung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Einberufung erfolgte nach dem Sachverhalt "ordnungsgemäß".
Nichtigkeitsgründe sind somit nicht ersichtlich.

2. Anfechtbarkeit
Der von C angegriffene Beschluss könnte aber anfechtbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn ein Regelverstoß vorliegt. Ein solcher Verstoß ist in Form von Verfahrensmängeln sowie inhaltlichen Rechtsverstößen denkbar.

a. Verfahrensverstöße - § 51 GmbHG
Die Beschlussfassung könnte gegen die Vorschriften über die Einberufung der Gesellschafterversammlung verstoßen haben. Die Einberufung verstößt gegen das Gesetz insbesondere dann, wenn sie nicht rechtzeitig erfolgt (§ 51 Abs. 1 S. 2 GmbHG) oder wenn die Tagesordnung nicht mindestens drei Tage vor Sitzungstermin (§ 51 Abs. 4 GmbHG) zur Verfügung gestellt wird. Diese Regeln sind laut Sachverhalt eingehalten worden - die Einladung erfolgte "ordnungsgemäß" und mit der Einladung war bereits der Gegenstand der Sitzung mitgeteilt worden.
Gem. § 51 Abs. 2 GmbHG muss bei der Berufung der Versammlung der Zweck nicht nur "in etwa" sondern auch konkret, präzise und umfassend angekündigt sein. Bei Einberufung der Sitzung wurden zwar die Kapitalerhöhung und ihre Finanzierung angekündigt. Die Einladung lässt aber den - anschließend erfolgten - Bezugsrechtsausschuss nicht zwingend erahnen. Die Einberufung der Sitzung genügt insofern nicht den Anforderungen des § 51 Abs. 2 GmbHG. Dadurch verstößt der Beschluss gegen diese gesetzliche Regelung.
Die Einberufungsfehler sind gem. § 51 Abs. 3 GmbHG allerdings unbeachtlich, wenn alle Gesellschafter anwesend sind und nach h. M. nicht zumindest die Einberufungsfehler monieren. C macht die Fehler in der Sitzung nicht geltend und nimmt an ihr und an der Beschlussfassung teil. Damit lässt er sich auf die Sitzung trotz Einberufungsfehler ein.
Zu formellen Fehlern (Verfahrensmängeln) des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vgl. auch folgende Struktur.

Demzufolge ist die unzureichende Angabe des Sitzungsgegenstandes gem. § 53 Abs. 3 GmbHG unbeachtlich und führt nicht zur Anfechtbarkeit.


b. Inhaltliche Verstöße gegen das Gesetz
Der Beschluss könnte dadurch anfechtbar sein, dass er inhaltlich gegen das Gesetz verstößt. In Betracht kommen hier die Verletzung des Bezugsrechts des C als Gesellschafter, ...

(1) Unzulässiger Bezugsrechtsausschluss
Der hier getroffene Beschluss könnte einen Verstoß gegen die Vorschriften über den Bezugsrechtsausschluss darstellen. Dies setzt voraus, dass die aktienrechtlichen Vorschriften des § 186 AktG auf die GmbH anwendbar sind und in diesem Fall verletzt wurden.

(a) Analoge Anwendung des § 186 AktG auf die GmbH
Die Regelung des Bezugsrechts in § 186 AktG könnte auf die GmbH analog anwendbar sein. Voraussetzung dafür sind eine Regelungslücke, die planwidrig ist und eine vergleichbare Interessenlage in der GmbH in Bezug auf den Regelungsgegenstand der Vorschrift.
Im GmbHG ist das Bezugsrecht des Gesellschafters nur für den Fall der Kapitalerhöhung aus der Rücklage (§ 57c GmbHG) geregelt (§ 57j GmbHG). Diese Vorschrift sagt für den Normalfall der Ausgabe neuer Anteile nichts aus. Damit liegt eine Regelungslücke vor. Fraglich ist, inwiefern diese Lücke auch planwidrig ist. Trotz einiger Reformen wurde sie nicht geschlossen. Auch, wenn in der Vergangenheit Versuche stattgefunden haben, diese Lücke zu schließen, bedeutet dies nach h. M. nicht, dass die bisherige Nichtregelung der Frage des Bezugsrechts keine absichtliche ist. Die Regelungslücke ist in diesem Fall auch planwidrig.
Die GmbH ist als Kapitalgesellschaft im Hinblick auf die Übernahme neuer Anteile mit gleichen Fragen konfrontiert, wie die AG. Insofern liegt auch eine vergleichbare Interessenlage, insbesondere aus Sicht der Gesellschafter.
Demzufolge ist eine analoge Anwendung des § 186 AktG auf die GmbH zulässig und geboten.

(b) Verstoß gegen die Regelung des Bezugsrechts in § 186 AktG


















(2) Inhaltlicher Mangel

(a) Gesetzesverstoß - alternativ:

          1. spezielle Gesetze - hier § 186 I AktG analog
Voraussetzungen der Analogie sind erfüllt. Sofern ein Verstoß gegen § 186 Abs. 1 AktG vorliegt, ist ein inhaltlicher Gesetzesverstoß anzunehmen. Ein Verstoß ist gegeben, wenn der Ausschluss der Gesellschafter nicht die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt.
            • Beschluss über Bezugsrechtsausschluss (+)
            • hinreichende Mehrheit (+), 85 % > 3/4
            • materielle Rechtmäßigkeit ? sachliche Rechtfertigung mit Erweiterung des Geschäftes immer (+) aber hier erforderlich (-)!

Zwischenergebnis zu § 186 AktG: Verstoß (+)

          1. Gleichbehandlungsgebot
Denkbar, wenn einzelne Gesellschafter nur ausgeschlossen - hier (-), alle bisherigen Gesellschafter ausgeschlossen.
Anders zu sehen, wenn der neue Gesellschafter eine einem bisherigen Gesellschafter nahestehende Person wäre...

          1. Treuepflicht
Konsequenzen der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschuss für den C sind:
            • Verminderung des Gewinnbeteiligungsanspruchs
            • geringere Stimmquote.
Dies ist eine gewöhnliche Folge der Beteiligung eines neuen Gesellschafters.
Aber Absenkung des Anteils auf unter 10 % ist gravierend - C verliert dadurch seine Minderheitenrechte aus § 50 Abs. 1 GmbHG. Dieser gravierende Eingriff ist nur dann gerechtfertigt, wenn er nicht nur erforderlich und angemessen ist, sondern auch dringend geboten. Dies ist hier nicht der Fall, also verstößt die Maßnahme gegen die Treuepflicht.
(+)

          1. sonstige (hier nicht behandelt)
(-)

Zwischenergebnis zu Gesetzesverstoß: (+) in Bezug auf § 186 AktG analog und den Grundsatz der Treuepflicht

(b) Gesellschaftsvertrag

(c) sonstige schuldrechtliche Vereinbarung der Gesellschafter

und
c. keine Bestätigung (+)

Zum Ergebnis vgl. folgende Struktur.
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