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Version [19867]

Dies ist eine alte Version von FallKamera erstellt von Fanny Schneider am 2013-01-11 22:36:07.

 

Fallbeispiel 9 - Kamera


Anfechtung von Willenserklärungen

A. Sachverhalt

Kurt (K) ist auf der Suche nach einer neuen, möglichst preisgünstigen aber dennoch qualitativ hochwertigen Kamera. In einem Katalog entdeckt er eine Canon EOS 150, die dort zum Preis von 190 € angeboten wird. Außerdem erkundigt er sich telefonisch bei Kamerahändler F. Auch dieser rät K zum Kauf der Canon. Als K gegenüber F äußert, dass er die Kamera gerne bei ihm kaufen möchte, antwortet F zunächst, dass er noch kurz prüfen müsse, ob der im Katalog angegebene Preis für „ihn machbar sei“. Er durchstöbert verschiedene Ordner und findet schließlich eine Preisliste, welche die Kamera zu einem Einkaufspreis von 162,50 € ausweist. Seine Verkaufspreise legt F grundsätzlich fest, indem er 100 % auf den jeweiligen Einkaufspreis aufschlägt. Da er während seines Telefonats mit K mehrfach durch Rückfragen seiner Angestellten unterbrochen wird, berechnet er den Verkaufspreis dieses Mal jedoch falsch. Infolge dessen sagt er dem K den Kauf der Kamera zu einem Preis von 190 € zu. Beide vereinbaren, dass die Kamera in zwei Tagen von K abgeholt werden kann.
Als K zum vereinbarten Termin im Geschäft des F erscheint, verlangt dieser jedoch eine Zahlung von 325 €. Er begründet dies gegenüber K damit, dass er sich bei der Preisbestimmung geirrt habe. Er verlangt einen Kaufpreis von 325 €, andernfalls werde er den Vertrag anfechten. K ist enttäuscht – zumal er die Kamera zu diesem Preis nie gekauft hätte. Er möchte für die Kamera auf keinen Fall mehr als die vereinbarten 190 € zahlen.

B. Frage(n)

Hat K einen Anspruch auf Übereignung der Kamera für 190 €?

C. Lösung



1. Grafische Skizze

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2. Lösungsskizze

Hat K einen Anspruch auf Übereignung der Kamera für 190 €?
Anspruchsgrundlage: § 433 I BGB
Vor.: Anspruch erworben, nicht verloren und durchsetzbar


A. Anspruch erworben?
Vor.: zwischen F und K Vertrag geschlossen, inhaltlich KV i.S.d. § 433 BGB und dieser wirksam


I. Vertragsschluss (+)
Hier: F und K geeinigt, dass K Kamera (Kaufgegenstand) erwerben und dafür 190,- € (Kaufpreis) zahlen soll
Einigung über wesentliche Bestandteile eines KV nach § 433 BGB


II. Wirksamkeit
Fraglich, ob KV wirksam
Als Wirksamkeitshindernis kommt Anfechtung des KV durch F nach § 142 II BGB
Gemäß § 142 I BGB ist anfechtbares Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen, sofern es angefochten wird
Vor.: anfechtbares RG, Vorliegen eines Anfechtungsgrund, Erklärung der Anfechtung innerhalb Anfechtungsfrist und Anfechtung darf nicht ausgeschlossen sein


1. Anfechtbares RG (+)
Hier: Zwischen F und K geschlossene KV ist anfechtbares RG i. S. d. § 142 I BGB


2. Anfechtungsgrund (-)
Fraglich, ob einer der in §§ 119 ff. BGB genannten Gründe vorliegt, der F zur Anfechtung des KV berechtigt
Als Anfechtungsgrund kommt § 119 I BGB in Betracht
Vor.: bei der Abgabe seiner WE über Inhalt im Irrtum war oder Erklärung dieses Inhalts nicht abgeben wollte und Irrtum kausal für Abgabe der WE war
Hier: F wollte K Verkaufspreis von 190,- € nennen
Versprechen oder Verschreiben nicht gegeben
Wollte Erklärung dieses Inhalts abgeben
Anfechtungsgrund könnte jedoch Verrechnen bei Berechnung des Verkaufspreises von 190,- € sein
Solcher Kalkulationsirrtum gilt dann nicht als Anfechtungsgrund, wenn Kalkulationsgrundlage für Erklärungsgegner nicht erkennbar ist (verdeckter Kalkulationsirrtum)
Gibt für Erklärungsgegner keinen Grund an Richtigkeit der Kalkulation zu zweifeln, dann kann er davon ausgehen, dass Gesamtsumme richtig ist
Pflicht, Berechnungsgrundlage anzuzweifeln gibt es nicht
Fehlerhafte Berechnung berechtigt nicht zur Anfechtung, sondern handelt sich dabei um unbeachtlichen Motivirrtum
Hier: F verrechnet üblicherweise Aufschlag von 100% auf Einkaufspreis. Dieser beträgt 162,50 €. Bedingt durch Ablenkungen bestätigt F K Verkaufspreis von 190,- €
F irrte sich folglich bei Kalkulation
Berechnungsgrundlage für Preisgestaltung war K nicht bekannt
Im Katalog hatte K Kamera für 190,- € gesehen, gibt für ihn damit insbesondere keinen Grund an Richtigkeit der Kalkulation F zu zweifeln
Handelt sich damit um verdeckten Kalkulationsirrtum


3. Anfechtung (-)
Zwischen K und A geschlossene KV nicht von Anfang an nichtig gem. § 142 II BGB


4. Andere Wirksamkeitshindernisse (-)
Hier: keine ersichtlich


II. Zwischenergebnis
Anspruch erworben (+)


B. Anspruchsverlust(-)


C. Durchsetzbarkeit (+)


B. Ergebnis
K Anspruch auf Übereignung Kamera gegen Zahlung von 190,- €gem. § 433 I BGB (+)


3. Formulierungsvorschlag

K könnte gegenüber F einen Anspruch auf Übereignung der Kamera gegen Zahlung von 190,00 € § 433 Abs. 1 BGB haben.
Voraussetzung hierfür ist, dass er den Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.


A. Anspruchserwerb
K könnte den Anspruch Übereignung der Kamera § 433 Abs. 1 BGB gegenüber F erworben haben.
Dies ist der Fall, wenn F und K einen Vertrag geschlossen haben, bei dem es sich inhaltlich um einen Kaufvertrag der Kamera für 190,00 € i.S.d. § 433 BGB handelt und dieser wirksam ist.


I. Vertragsschluss und -inhalt
F und K haben sich geeinigt, dass K die Kamera (Kaufgegenstand) erwerben soll und dafür 190,00 EUR (Kaufpreis) zahlen soll. Damit haben sie sich über die wesentlichen Bestandteile eines Kaufvertrages nach § 433 BGB geeinigt und somit einen Kaufvertrag geschlossen.

II. Wirksamkeit
Fraglich ist hier allerdings, ob dieser Kaufvertrag auch wirksam ist. Der Kaufvertrag könnte im vorliegenden Fall durch Anfechtung des F nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sein.
Voraussetzung hierfür ist zum einen, dass das betreffende Rechtsgeschäft anfechtbar ist und ein Anfechtungsgrund vorliegt. Zudem ist die Erklärung der Anfechtung innerhalb der Anfechtungsfrist erforderlich sowie die Anfechtung nicht ausgeschlossen worden sein.


1. Anfechtbares Rechtsgeschäft
Der zwischen F und K geschlossene Kaufvertrag ist ein anfechtbares Rechtsgeschäft im Sinne des § 142 Abs. 1 BGB.


2. Anfechtungsgrund
Fraglich ist allerdings, ob einer der in §§ 119 ff. BGB genannten Gründe vorliegt, der F zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt. Als Anfechtungsgrund kommt hier § 119 Abs. 1 BGB in Betracht. Demnach ist zur Anfechtung berechtigt, wer bei der Abgabe seiner Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, und dieser Irrtum kausal für die Abgabe der Willenserklärung war.
Im vorliegenden Fall wollte F dem K den Verkaufspreis von 190,00 € nennen, ein Versprechen oder Verschreiben ist nicht gegeben. Er wollte also eine Erklärung dieses Inhalts abgegeben.
Ein Anfechtungsgrund könnte jedoch dadurch gegeben sein, dass F sich bei der Berechnung des Verkaufspreises von 190,00 € verrechnete. Ein solcher Kalkulationsirrtum gilt jedoch dann nicht als Anfechtungsgrund, wenn die Kalkulationsgrundlage für den Erklärungsgegner nicht erkennbar ist (verdeckter Kalkulationsirrtum). Gibt es für den Erklärungsgegner keinen Grund an der Richtigkeit der Kalkulation zu zweifeln, dann kann er davon ausgehen, dass die Gesamtsumme richtig ist. Eine Pflicht, die Berechnungsgrundlage anzuzweifeln gibt es für ihn nicht. Die fehlerhafte Berechnung berechtigt nicht zur Anfechtung, sondern es handelt sich dabei um einen unbeachtlichen Motivirrtum.
Laut Sachverhalt verrechnet F üblicherweise einen Aufschlag von 100% auf den Einkaufspreis. Dieser beträgt im konkreten Fall 162,50 €. Bedingt durch die Ablenkungen bestätigt F dem K den Verkaufspreis von 190,00 €. F irrte sich folglich bei der Kalkulation. Die Berechnungsgrundlage für die Preisgestaltung war dem K jedoch nicht bekannt. Im Katalog hatte K die Kamera für 190,00 € gesehen, es gibt für ihn damit insbesondere keinen Grund an der Richtigkeit der Kalkulation des F zu zweifeln. Es handelt sich damit im vorliegenden Fall um einen verdeckten Kalkulationsirrtum, der F nicht zur Anfechtung berechtigt.


3. Der Kaufvertrag ist nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.


4. Weiterer Wirksamkeitshindernisse sind nicht ersichtlich.


III. Zwischenergebnis
K hat den Anspruch auf Übereignung der Kamera gegen Zahlung von 190,00 € gemäß § 433 Abs. 1 BGB erworben.


B. Anspruchsverlust
K hat den Anspruch nicht verloren.


C. Durchsetzbarkeit des Anspruchs
Der Anspruch ist auch durchsetzbar.


D. Ergebnis
K hat gegenüber F einen Anspruch auf Übereignung der Kamera gegen Zahlung von 190,00 € gemäß § 433 Abs. 1 BGB.
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