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Abnahme und Vermarktung von Strom aus einer EEG-Anlage

ein Fallbeispiel


Sachverhalt

Der Finanzinvestor Gierig AG (G) errichtet ein mit Biomasse (Energiepflanzen) betriebenes Heizkraftwerk (HKW) in der Stadt Grünhausen (Leistung: 20 MWel). In dieser Gemeinde und auch in der gesamten Region betreibt die Riesig AG (R) das Verteilernetz.
Das HKW des G wurde in Betrieb genommen und an das Netz der R angeschlossen. Da eine Tochtergesellschaft der R aber in der benachbarten Gemeinde auch eine kleine Strom­er­zeu­gungs­anlage betreibt, verweigert R die Stromabnahme, solange G keinen Lieferantenrahmen­vertrag und keine konkrete Abnehmer für seinen Strom nachgewiesen hat. Im Übrigen sei es für R gem. § 20 Abs. 2 EnWG nicht zumutbar, Strom aus dem HKW durchzuleiten, weil dadurch Netzengpässe entstehen, die R in seiner Rolle des Netzbetreibers zu vermeiden habe. Ferner könnte so das bereits bestehende Kraftwerk nicht in vollem Umfang produzieren, was nicht umweltfreundlich sei.

Frage 1:

Sind die durch R gestellten Bedingungen und geltend gemachten Vorbehalte mit dem EEG vereinbar?

Nachdem R die Durchleitung des Stroms aus der Anlage des G zugelassen hat, kommt es in einem Netzabschnitt zu einer Netzüberlastung. R lässt dabei die Anlage des G herunterregeln, teilweise muss das HKW des G mehrfach abgeschaltet werden. Dabei verweist R den G darauf, dass im Netzbereich, wo G angeschlossen ist, die Kunden der R Strom aus dem Kraftwerk ihrer Tochtergesellschaft in Anspruch nehmen, so dass dieses Kraftwerk vorrangig am Netz bleiben müsse.

Frage 2:

Darf R die Stromabnahme mangels Kapazität verweigern?

G akzeptiert das Vorgehen des R nicht und verlangt nicht nur Einräumung des Netzzugangs, sondern auch sofortige Bezahlung des von G gelieferten Stroms. R verweigert dies, weil er meint, G müsse sich einen Kunden selbst suchen, dem er seinen Strom erst einmal verkaufen muss.

Frage 3:

Kann G dennoch Bezahlung des Stroms durch den Netzbetreiber verlangen?



Lösungshinweise


A. Zu Frage 1 - Sind die seitens R gestellten Bedingungen mit dem EEG vereinbar?
R verweigert die Stromabnahme insbesondere mit der Begründung, dass kein Lieferantenrahmenvertrag vorliegt. Ein Anspruch des G auf Abnahme des Stroms kann aus § 11 Abs. 1 EEG resultieren. Demnach ist der Netzbetreiber verpflichtet, vorbehaltlich des § 14 EEG, den gesamten angebotenen Strom aus erneuerbaren Energien (bzw. aus Grubengas) unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Dabei ist allerdings zu unterscheiden, welche Vermarktungsform der Anlagenbetreiber wählt:
  • bei Direktvermarktung durch ANlagenbetreiber und Beanspruchung der Marktprämie ist lediglich ein Anspruch auf physikalische Abnahme denkbar, § 11 Abs. 1 S. 1 EEG;
  • sofern eine Einspeisevergütung in Anspruch genommen wird, ist auch eine kaufmännische Abnahme geschuldet, § 11 Abs. 1 S. 2 EEG.
Der Anspruch wurde in beiden Varianten in der folgenden Baumstruktur abgebildet.

Eine Voraussetzung, wie dies § 20 EnWG vorsieht, dass der Anspruchsteller an einem Bilanzkreis teilnehmen muss, ist in § 11 EEG nicht vorgesehen. Sofern also G den Strom aus einer EEG-Anlage dem R tatsächlich (§ 11 Abs. 1 EEG) oder im Wege einer bilanziellen Weitergabe (§ 11 Abs. 2 EEG), dann muss er von R grundsätzlich abgenommen werden.

Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Stromabnahme sind ausschließlich für folgende Fälle vorgesehen:
  • gem. § 11 Abs. 3 EEG ist es möglich, den Abnahmevorrang durch Vertrag zur besseren Integration im Netz zu modifizieren bzw. gem. § 11 Abs. 4 EEG in sonstigen, durch die Ausgleichsmechanismusverordnung zugelassenen Fällen; im Sachverhalt ist eine solche vertragliche Vereinbarung allerdings nicht erkennbar;
  • gem. § 14 EEG kann die Stromabnahme aus einer EEG-Anlage im Fall eines Kapazitätsengpasses im Netz verweigert werden; dieser Ausnahmetatbestand wird unter Frage 2 näher behandelt.

Es ist festzuhalten, dass R im vorliegenden Fall die Stromabnahme grundsätzlich nicht verweigern kann. Insbesondere muss G keinen Bilanzkreisvertrag vorweisen und auch nicht zwingend einen expliziten Vertrag mit R oder mit einem anderen Letztverbraucher über Stromabnahme abschließen. Eine Kapazitätsbevorratung zugunsten anderer Anlagen ist definitiv unzulässig.

B. Darf R die Stromabnahme mangels Kapazität verweigern?
Eine Verweigerung der Stromabnahme wegen Kapazitätsmangels wäre möglich, wenn dies gem. § 14 EEG vorgesehen ist. Wie bereits oben geschildert, ist § 14 EEG eine Ausnahmevorschrift von der grundsätzlichen Abnahmeverpflichtung des Netzbetreibers, den Strom aus einer EEG-Anlage vorrangig und unverzüglich abzunehmen (§ 11 Abs. 1 EEG). Die Voraussetzungen hierzu sind ebenfalls in der bereits oben genannten Baumstruktur zu finden.

Die Ausnahme des § 14 Abs. 1 EEG greift demnach dann, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
  • gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 EEG ein Kapazitätsengpass vorliegt,
  • gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 EEG der Vorrang des EEG- und KWK-Stroms beachtet wurde (soweit nicht konventionelle Anlagen zur Stromerzeugung am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten),
  • gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 EEG die verfügbaren Daten bzgl. der Ist-Einspeisung in der Netzregion abgerufen wurden.

Im Sachverhalt fehlt die Angabe darüber, wegen welcher Anlage der Tochtergesellschaft von R die Netzkapazität ausgeschöpft ist. Sofern es keine EEG-Anlage (wovon hier ausgegangen wird) und keine Systemimmanente Anlage gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 EEG (wofür keinerlei Anhaltspunkte vorhanden sind) ist, besteht für R die Pflicht der vorrangigen Abnahme des Stromes aus dem HKW des G gem. § 11 Abs. 1 EEG vor dem Strom aus der anderen Anlage. Sofern der Kapazitätsengpass im Netz dadurch beseitigt werden kann, dass die Anlage der Tochtergesellschaft des R heruntergeregelt wird, muss R diesen Schritt gehen und dem HKW des G Vorrang einräumen. Nur soweit durch die Einspeisung aus dem HKW des G die Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht sein sollte, dürfen andere Anlagen Strom ins Netz einspeisen.

An dieser Stelle ist ferner anzumerken, dass für R eine Verpflichtung zum Ausbau des Netzes gem. § 12 Abs. 1 EEG spätestens dann greift, wenn R nicht in der Lage ist, Strom aus EEG-Anlagen abzunehmen. Diese Verpflichtung gilt gem. § 12 Abs. 3 EEG nur im Rahmen des Zumutbaren. Sollte R dieser Verpflichtung nicht nachkommen, so kann G Ersatz des daraus entstandenen Schadens von R verlangen, § 13 Abs. 1 S. 1 EEG.

R kann die Stromabnahme mangels Kapazität gem. § 14 Abs. 1 EEG insofern solange nicht verweigern, wie lange die Kapazität des Netzes nicht allein mit erneuerbaren Energien ausgeschöpft wird.


C. Kann G Bezahlung des gelieferten Stroms durch den Netzbetreiber verlangen?
G kann die Bezahlung des gelieferten Stroms verlangen, wenn er einen Vergütungsanspruch gem. § 37 oder 38 EEG hat. Alternativ kann G - und dies wird in diesem Falle die sinnvollere Variante sein - den produzierten Strom direkt vermarkten und eine Marktprämie gem. § 34 EEG in Anspruch nehmen.

Der Prüfungsaufbau zu den genannten Ansprüchen ist in folgenden Baumstrukturen zu finden:

Beim Anspruch gem. § 38 EEG ist allerdings zu beachten, dass der Anspruch gem. dieser Vorschrift zwar leicht entstehen kann, aber vom Umfang her gem. § 38 Abs. 2 EEG sehr ungünstig begrenzt wird. Insofern ist dies für den Anlagenbetreiber stets nur eine Rückfallposition für den Fall, dass die Direktvermarktung im Einzelfall nicht funktioniert.

D. Exkurs: kaufmännisch-bilanzielle Einspeisung (gegenwärtig nicht mehr für neue Anlagen interessant)
Für den Fall, dass G den gesamten Strom aus der Anlage verkauft und für Eigenbedarf der Anlage Strom von einem anderen Lieferanten bezieht (zumindest bilanziell) - kann R ihm dann für den (bilanziell) bezogenen Strom seine Netznutzungsentgelte in Rechnung stellen?

Dazu: OLG Düsseldorf VI-3 Kart 18/10 (V), dessen folgender Leitsatz besonders relevant ist:
Speist der Anlagenbetreiber den von ihm erzeugten EEG-Strom gem. § 8 II EEG 2009 = § 4 V EEG mittels kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe in das Netz der allgemeinen Versorgung ein, hat dies zwangsläufig eine entsprechende Entnahme zur Folge, so dass G insoweit netzentgeltpflichtig i.S.d. § 17 StromNEV ist.






CategoryEnergierecht, CategoryFallsammlungEnR
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