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Europäisches Vergaberecht

Ausgewählte Probleme


A. Einführung

1. Begriff des Vergaberechts allgemein
Vergaberecht ist die Gesamtheit von Normen, die dem Staat und seinen einzelnen Organisationseinheiten vorschreiben, wie diese beim Einkauf von Leistungen (öffentliche Beschaffung) vorzugehen haben (*)
(*) vgl. Haratsch/Koenig/Pechstein Rn. 1112
. Die Kompetenz der EG zur Regelung dieses Rechtsgebietes ergibt sich aus dem Einfluss der öffentlichen Beschaffung auf den Binnenmarkt. Deshalb wurden diesbezüglich Richtlinien erlassen, die den Grundrahmen für Vergabe öffentlicher Aufträge bei europarechtlicher Relevanz festlegen.

2. Rechtsquellen
Die geltenden Quellen des europäischen Vergaberechts sind:
Die genauen Quellenangaben sind in den verlinkten Dokumenten zu finden.

3. Umsetzung im deutschen Recht
Da das europäische Vergaberecht in erster Linie auf Richtlinien basiert, bedarf es der Umsetzung ins nationale Recht. In Deutschland wurden die Richtlinien in folgenden Rechtsakten umgesetzt:
- im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 97 GWB ff.),
- in der Vergabeverordnung (§ 1 VgV ff.),
- in den Verdingungsordnungen für Leistungen (VOB, VOL, VOF).


B. Allgemein zur Prüfung vergaberechtlicher Fragen im Europarecht
Das (zwingende) europäische Vergaberecht ist an sich nur dann anzuwenden, wenn der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien eröffnet ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Europarecht keinerlei Vorgaben für öffentliche Aufträge außerhalb der Richtlinien macht. Im Gegenteil - bei jeglicher Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand ist das Europarecht zu berücksichtigen. Die Prüfung der Anforderungen an die Vergabe innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien unterscheidet sich dabei wie folgt:

  • während innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien (es ist also stets zu prüfen, ob im konkreten Fall die Richtlinien anwendbar sind oder nicht, mehr dazu weiter unten) sowohl die Regeln der Richtlinien wie auch die allgemeinen, insbesondere die primärrechtlichen Vorgaben zu beachten sind,
  • ist bei Verneinung des Anwendungsbereichs der Richtlinien zumindest zu prüfen, inwiefern die primärrechtlichen Anforderungen an die Auftragsvergabe erfüllt sind.

Damit sind folgende Regeln des Primärrechts immer zu prüfen:
  • liegt ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten wegen gemeinschaftsrechtswidrig ausgestalteter Vergabe vor?
  • wurden die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft beachtet (Diskriminierungsverbot, Transparenz- und Wettbewerbsgebot)?
Durch die recht detaillierte Ausgestaltung des europäischen Vergaberechts in den Richtlinien ist die Bedeutung dieser allgemeinen Regeln freilich deutlich zurückgegangen (*). Hier kommt den Regelungen des Primärrechts allenfalls hilfsweise oder bei der Interpretation der Richtlinien eine Bedeutung zu. Umso wichtiger sind die primärrechtlichen Vorgaben für Fälle, in denen die Anwendbarkeit der Richtlinien zu verneinen ist, insbesondere wegen der nicht erreichten Schwellenwerte.

1. Grundfreiheiten als Vergaberecht
- Dienstleistungsfreiheit
- Warenverkehrsfreiheit

2. Allgemeine Rechtsgrundsätze der EG als Vergaberecht


C. Voraussetzungen, unter denen ein Vergabeverfahren zwingend ist
Die Durchführung eines Vergabeverfahrens, das den Richtlinien entspricht, ist dann notwendig, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
- der Auftraggeber ist ein öffentlicher Auftraggeber, § 97 Abs. 1 GWB, § 98 GWB,
- es soll ein öffentlicher Auftrag erteilt werden,
- die Schwellenwerte gem. § 100 Abs. 1 GWB sind erreicht.

1. Öffentlicher Auftraggeber
Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers ist nicht institutionell sondern funktional (*).
(*) dazu folgende Entscheidungen des EuGH:
- EuGH, Rs. 31/87, Slg. 1988, S. 4635 - Beentjes;
- EuGH, Rs. C-360/96, Slg. 1998, S. I-6821 - Gemeente Arnhem/BFI Holding;
- EuGH, Rs. C-44/96, Slg. 1998 S. I-73 - Mannesmann;
- EuGH, Rs. C-470/99, Slg. 2002, S. I-11617 - Universale-Bau AG.

(**) bei überwiegender Finanzierung hat der EuGH diese Voraussetzung auch bejaht, EuGH, Rs. C-337/06, Slg. 2007, S. I-11173.
Demnach ist in folgenden Fällen ein öffentlicher Auftraggeber anzunehmen:
- wenn die Einheit staatliche Aufgaben wahrnimmt,
- wenn sie (bei hinzukommen weiterer Voraussetzungen) öffentlich finanziert oder kontrolliert wird (**) oder
- wenn - im Rahmen der Sektorenvergaberichtlinie - ein sog. Sektorenauftraggeber handelt.

2. Öffentlicher Auftrag
Öffentliche Aufträge sind:
- privatrechtliche Verträge zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen,
- öffentlich-rechtliche Verträge (EuGH, Rs. C-399/98, Slg. 2001, S. I-5409),
- Baukonzessionen, Art. 1 III RL 2004/18/EG.

In folgenden Fällen liegt kein öffentlicher Auftrag vor:
- bei Dienstleistungskonzessionen, die ausdrücklich nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinien erfasst sind, Art. 17 der RL 2004/18/EG,
- bei sog. in-House-Geschäften, also bei Aufträgen, die in wirtschaftlicher Hinsicht innerhalb des Auftraggebers erfolgen.

Damit jedoch Letzteres (ein in-House-Geschäft) angenommen werden kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
  • Auftrag wird an einen Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft vergeben,
  • Auftraggeber übt Kontrolle aus wie über eigene Dienststellen, wobei hier das Kriterium des "verlängerten Arms" gilt (***)
    (***) Vgl. zu den einschränkenden Kriterien EuGH, Rs. C-458/05, Slg. 2005, S. I-8612 - Parking Brixen; Kriterium der Kontrolle ist nicht erfüllt, wenn der Auftragnehmer nicht nur den Auftragnehmer als Gesellschafter hat, sondern auch andere, insb. Private Anteilseigner, vgl. Rs. C-26/03, Slg. 2005, S. I-1 - Stadt Halle
  • alle Tätigkeiten werden im Wesentlichen für die kontrollierende Körperschaft (kommunaler Eigentümer) ausgeführt,
  • die Tätigkeit des Auftragnehmers ist auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich der kontrollierenden Körperschaft (z. B. der Kommune) beschränkt (***).

3. Schwellenwerte
Die aktuellen Schwellenwerte betragen gemäß der Verordnung der Kommission:
- für Bauaufträge bei beiden Richtlinien (sowohl öffentliche wie auch Sektorenauftraggeber) - 5.150.000 EUR,
- für Liefer- und Dienstleistungsaufträge zentraler Regierungen (in Deutschland: des Bundes) - 133.000 EUR,
- für Liefer- und Dienstleistungsaufträge anderer Auftraggeber - 206.000 EUR,
- für Sektorenauftraggeber - in der Regel 412.000 EUR.

Folgende Vorschriften regeln im Einzelnen die Schwellenwerte:
  • in der Vergaberichtlinie 2004:
    • Art. 7
    • Art. 8
    • Art. 56
    • Art. 63
    • Art. 67
  • in der Sektorenrichtlinie:
    • Art. 16
    • Art. 61

Sofern die Schwellenwerte für ein Vergabeverfahren nach europäischen Grundsätzen überschritten sind (§ 100 GWB) findet das umgesetzte europäische Vergaberecht Anwendung.


D. Anforderungen an das Vergabeverfahren im Anwendungsbereich der RL



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