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Urheberrecht

Teil 6 - Schranken des Urheberrechts













Die Rechte von Urhebern und Inhabern verwandter Schutzrechte entstehen darüber hinaus durch die Schrankenbestimmungen der §§ 44 a - 61 UrhG nur beschränkt. Durch diese Vorschriften werden die Rechte teilweise ersatzlos, teilweise nur gegen die Zahlung einer angemessenen Vergütung außer Kraft gesetzt. Die Schrankenbestimmungen dienen der Abwägung der gegensätzlichen, gleichermaßen grundgesetzlich geschützten Interessen des Urhebers bzw. Rechtsinhabers an einem möglichst ungeschmälerten (geistigen) Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und dem Interesse der Nutzer als Allgemeinheit an einem freien Zugang zu Informationsquellen gem. Art. 5 Abs. 1 GG sowie ggf. für die Nutzung im Rahmen von Kunstwerken oder Wissenschaft gem. Art. 5 Abs. 3 GG. Ansatzpunkt für die erforderliche Abwägung ist Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG: „Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.“.

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Regel - Ausnahme - Verhältnis
Dabei knüpft sich an das Verständnis und damit auch der Auslegung der Schrankenregelungen ein erbitterter Streit. Traditionell wird das Verhältnis zwischen dem Urheberrecht als Eigentumsschutz und den Schrankenregelungen als Ausfluss allgemeiner Informationsinteressen als Regel-Ausnahme-Verhältnis gesehen. Somit wären die Schrankenregelungen die Ausnahme zum weitgehenden Eigentumsschutz gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und als Ausnahmeregeln eng auszulegen.

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Informationsfreiheit
Die Gegenauffassung sieht das Regel-Ausnahme-Verhältnis vollständig anders und geht von dem Prinzip der Informationsfreiheit aus. Nicht der Eigentumsschutz des Urhebers steht hier im Vordergrund, sondern der freie Zugang zu Informationen. Das Urheberrecht ist danach eine (verfassungsrechtlich gerechtfertigte) Einschränkung zu dem Recht auf freien Informationszugang aufgrund des hohen kreativen Einsatzes bei der Entwicklung dieser künstlerischen und wissenschaftlichen Informationen und der persönlichen Bindung des Urhebers an sein Werk. Daher sollen geistig-persönlich geschaffene Informationen im Gegensatz zu „schlichten Informationen“ einen Rechtsschutz als Ausnahme erhalten. Von der Grundregel, dass Ausnahmeregeln eng auszulegen sind, sind damit die Urheberrechtsvorschriften betroffen. Die Schrankenregeln als Gegenausnahme dienen dagegen nur der Wiederherstellung des Grundprinzips der Informationsfreiheit und können danach extensiv ausgelegt werden.

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Gesetzlicher Zugangsanspruch
Im Informationszeitalter gewinnt der Zugang zu Informationen immer größere Bedeutung. Ohne einen solchen Zugang ist ein Fortkommen in der modernen Gesellschaft kaum noch möglich; der teilweise befürchtete „digital divide“ innerhalb der Bevölkerung durch den Zugang zu Informationen über das Internet würde zu einer Spaltung der Gesellschaft in Informierte und Nicht-Informierte führen. Ein Großteil von Informationen ist durch Urheberrechte geschützt. Ein gesetzlicher Zugangsanspruch zu urheberrechtlich geschützten Informationen wird allgemein abgelehnt. Ein solcher Anspruch könne sich nur auf vertragsrechtlicher Basis ergeben. Die Schrankenbestimmungen der §§ 44a ff. UrhG werden nicht als Ansprüche der durch sie Berechtigten angesehen. Vielmehr soll durch diese Vorschriften dem Urheber eine Duldung bestimmter Eingriffe in sein eigentumsähnliches Ausschließlichkeitsrecht, das geistige Eigentum, auferlegt werden. Die Schrankenbestimmungen seien daher als Ausnahmebestimmung eng auszulegen und einer analogen Anwendung nicht zugänglich.

Ansatzpunkt für die Kritik war im Kern die fehlende Berücksichtigung von Kommunikationsgrundrechten (vor allem Art. 5 Abs. 1, 3 GG) bei strikten Anwendung der Schrankenregelungen. Eine Abwägung zwischen den Interessen des Urhebers und denjenigen des Nutzers sei erforderlich. In der Rechtsprechung des BGH wird verstärkt ein finanzieller Ausgleich für eine über die Grenzen der Schrankenregelung gehende Nutzung vertreten.

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Drei - Stufen - Test
Für alle Schrankenregelungen sieht die Richtlinie 2001/29/EG zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft aber mit der zwingenden gemeinschaftsweiten Einführung des aus der RBÜ bekannten Drei-Stufen-Tests eine immanente Beschränkung vor (Art. 5 Abs. 5 RL). Diese Regelung gilt auch für all in das nationale Recht umgesetzte Schrankenregelungen. Dabei greift die Anforderung des Drei-Stufen-Tests nicht nur für die aufgrund der Richtlinie 2001/29/EG eingeführten Schranken, sondern ebenso müssen bereits national existierende Schrankenregelungen nicht nur dem Katalog zulässiger Schranken entsprechen (unproblematisch), sondern auch dem Drei-Stufen-Test.

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Umfassende Berechtigung und Allgemeinoffenheit
Das Dogma der herkömmlichen Meinung hängt an der Überzeugung, dem Urheber stünde ein umfassendes eigentumsgleiches Recht an seinem Werk zu, aus dem Ausschließlichkeits- und damit Ausschlussrechte für ihn bestehen. Ansatzpunkt ist die Vorschrift des § 11 UrhG, die den Urheber in seinen geistig-persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes schützt. Damit ist aber gerade keine umfassende Berechtigung wie in § 903 BGB für den Eigentümer ausgesprochen. Vielmehr werden die einzelnen Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers in den §§ 12-22 UrhG bestimmt. Soweit ein Recht hier nicht genannt wird, entsteht eine Rechtsposition des Urhebers überhaupt nicht. Der Katalog der Verwertungsrechte in §§ 15 ff. UrhG ist schon im Ansatz nicht umfassend, da das Recht der unkörperlichen nicht-öffentlichen Verwertung dem Urheber nicht zusteht. Das Urheberrecht ist damit kein geschlossener Schutzkreis um den Urheber, sondern eher ein Strahlenkranz einzelner, wenn auch sehr umfänglicher Rechte.

Dort, wo dem Urheber durch das UrhG ein Recht nicht zugestanden ist, steht die Nutzung des Werkes der Allgemeinheit offen. Diese Nutzung im Sinne eines freien Zugangs wird durch die Schrankenbestimmungen geregelt. Allerdings sind nicht alle Zugangsregelungen gleich frei ausgestaltet, weil teilweise aus Anerkennung der schöpferischen Leistung des Urhebers diesem aufgrund der Überlappung zu dem Urheber zustehenden Verwertungsrechten eine Entschädigung zustehen muss (z.B. §§ 49, 53 UrhG). In anderen Fällen muss aber der Zugang vergütungsfrei sein, weil der Zugang gerade dadurch gerechtfertigt ist, dass der Urheber sein veröffentlichtes Werk in die Allgemeinheit gestellt hat (z.B. §§ 50, 51, 59 UrhG).

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Interessenabwägung
Bei diesem Verständnis der Schrankenbestimmungen ist das Dogma einer engen Auslegung und eines Analogieverbots nicht haltbar. Der aus §§ 44a ff. UrhG Berechtigte hat ein Recht auf Zugang zu den Werken. Es ist eine immanente Abwägung zwischen den konträren Interessen von Urheber und Nutzer im Rahmen der Anwendung der Schrankenregelungen vorzunehmen, wobei dem Urheber kein Vorrang zukommt, da er im Rahmen der in §§ 44a ff. UrhG beschriebenen Nutzungshandlungen keine Rechtsposition hat. Die Rechtsprechung von BGH und BVerfG lassen sich in dieses Verständnis einfügen. So können die zutreffend gesehenen Interessen des Nutzers im Rahmen des Urheberrechts mit den Interessen des Urhebers ohne Rückgriff auf das Verfassungsrecht abgewogen werden.

Das Dogma der herrschenden Meinung ist in den letzten Jahren verschiedentlich in der wissenschaftlichen Diskussion angegriffen worden, aber auch in der Rechtsprechung von BGH und BVerfG aufgeweicht worden.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidungen:
BGH, U. v. 11.7.2002 - I ZR 255/00 – Elektronischer Pressespiegel
BGH, U. v. 20.3.2003 - I ZR 117/00 – Gies-Adler (Fette Henne)


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