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Thüringer Bauordnung [ThürBO]
Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune
§ 39 Aufzüge |
(1) Aufzüge im Innern von Gebäuden müssen eigene Fahrschächte haben, um eine Brandausbreitung in andere Geschosse ausreichend lang zu verhindern. In einem Fahrschacht dürfen bis zu drei Aufzüge liegen. Aufzüge ohne eigene Fahrschächte sind zulässig
1. innerhalb eines notwendigen Treppenraumes, ausgenommen in Hochhäusern,
2. innerhalb von Räumen, die Geschosse überbrücken,
3. zur Verbindung von Geschossen, die offen miteinander in Verbindung stehen dürfen,
4. in Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2;
sie müssen sicher umkleidet sein.
(2) Fahrschachtwände müssen als raumabschließende Bauteile
1. in Gebäuden der Gebäudeklasse 5 feuerbeständig und aus nichtbrennbaren Baustoffen,
2. in Gebäuden der Gebäudeklasse 4 hochfeuerhemmend,
3. in Gebäuden der Gebäudeklasse 3 feuerhemmend
sein; Fahrschachtwände aus brennbaren Baustoffen müssen schachtseitig eine Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen in ausreichender Dicke haben. Fahrschachttüren und andere Öffnungen in Fahrschachtwänden mit erforderlicher Feuerwiderstandsfähigkeit sind so herzustellen, dass die Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 nicht beeinträchtigt werden.
(3) Fahrschächte müssen zu lüften sein und eine Öffnung zur Rauchableitung mit einem freien Querschnitt von mindestens 2,5 vom Hundert der Fahrschachtgrundfläche, mindestens jedoch 0,10 m2 haben. Diese Öffnung darf einen Abschluss haben, der im Brandfall selbsttätig öffnet und von mindestens einer geeigneten Stelle aus bedient werden kann. Die Lage der Rauchaustrittsöffnungen muss so gewählt werden, dass der Rauchaustritt durch Windeinfluss nicht beeinträchtigt wird.
(4) Gebäude mit einer Höhe nach § 2 Abs. 3 Satz 2 von mehr als 13 m müssen Aufzüge in ausreichender Zahl haben; die Aufzüge müssen mit Sprachmodulen ausgerüstet sein. Von diesen Aufzügen muss mindestens ein Aufzug Kinderwagen, Rollstühle, Krankentragen und Lasten aufnehmen können und Haltestellen in allen Geschossen haben. Dieser Aufzug muss von der öffentlichen Verkehrsfläche und von allen Wohnungen in dem Gebäude aus stufenlos erreichbar sein. Haltestellen im obersten Geschoss oder in den Kellergeschossen sind nicht erforderlich, wenn sie nur unter besonderen Schwierigkeiten hergestellt werden können.
(5) Fahrkörbe zur Aufnahme einer Krankentrage müssen eine nutzbare Grundfläche von mindestens 1,10 m x 2,10 m, zur Aufnahme eines Rollstuhles von mindestens 1,10 m x 1,40 m haben; Türen müssen eine lichte Durchgangsbreite von mindestens 0,90 m haben. In einem Aufzug für Rollstühle und Krankentragen darf der für Rollstühle nicht erforderliche Teil der Fahrkorbgrundfläche durch eine verschließbare Tür abgesperrt werden. Vor den Aufzügen muss eine ausreichende Bewegungsfläche vorhanden sein.
Quelle
Kommentierung |
A. Normgeschichte
1. Historie
2. Gesetzesbegründung
2014
Absatz 1 Satz 1 enthält das Schutzziel der Fahrschachtforderung: Fahrschächte sollen die Brandausbreitung von Geschoss zu Geschoss ausreichend lang verhindern. Satz 2 lässt bis zu drei Aufzüge in einem Schacht zu. Satz 3 enthält Ausnahmen, nach denen Aufzüge ohne eigenen Schacht zulässig sind:- Aufzüge in Treppenräumen bis zur Hochhausgrenze, da erfahrungsgemäß keine vom Aufzug ausgehende Gefahr für den Treppenraum zu erwarten ist (Nummer 1),
- Aufzüge innerhalb von Räumen, die Geschosse überbrücken (Nummer 2) und zur Verbindung von Geschossen, die offen miteinander in Verbindung stehen dürfen (Nummer 3), da in beiden Fällen bereits ein Luftverbund entsteht und damit durch den Verzicht auf einen Fahrschacht keine zusätzliche Gefahr entsteht,
- Aufzüge in Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 (Nummer 4), da bei diesen Gebäuden auch Treppen ohne Treppenräume zulässig sind (siehe § 35 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1).
Absatz 2 enthält in Satz 1 Halbsatz 1 die Anforderungen an die Fahrschachtwände und stellt klar, dass sie sich auf den Raumabschluss beziehen. Die Anforderungen werden, den Anforderungen an die tragenden Teile des Gebäudes folgend, abgestuft. Für Fahrschachtwände, die auch aus brennbaren Baustoffen zulässig sind (feuerhemmend in Gebäudeklasse 3) wird verlangt, dass sie schachtseitig eine Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen in ausreichender Dicke erhalten (Halbsatz 2).
Absatz 3 verlangt die Möglichkeit der Belüftung und der Rauchableitung. Die Bezeichnung "Öffnung zur Rauchableitung" stellt klar, dass zur Rauchableitung keine Anlagentechnik erforderlich ist. Ergänzend wird gefordert, dass die Lage der Rauchaustrittsöffnung so gewählt werden muss, dass die Rauchableitung nicht durch Windeinfluss beeinträchtigt wird (Satz 3).
Absatz 4 verlangt bei höheren Gebäuden eine ausreichende Zahl von Aufzügen. Die Zahl der erforderlichen Aufzüge richtet sich sowohl nach der Zahl der auf ihn angewiesenen Personen als auch nach der Höhe des Gebäudes und der Größe und Geschwindigkeit des Aufzugs. Aufzüge haben insbesondere die Funktion, Personen die Nutzung des Gebäudes zu ermöglichen, die nicht oder nur mit Schwierigkeiten Treppen nutzen können. Außerdem soll der Transport sperriger und schwerer Lasten erleichtert werden. Daher werden Anforderungen an die Ausgestaltung der Aufzüge und die Lage der Haltestellen gestellt. Entfallen ist die im bisherigen Satz 4 enthaltene Verweisung auf § 53 a. F., da aufgrund der beabsichtigten Einführung der DIN 18040 als Technische Baubestimmung § 53 Abs. 3 a. F. entbehrlich wird.
Absatz 5 regelt die Größe von Fahrkörben, die auch zur Aufnahme von Krankentragen oder Rollstühlen gedacht sind.
Thüringer Landtag Drucksache 5/5768
3. Verwaltungsvorschrift
Der Regelungsbereich beschränkt sich auf den baulichen Teil von Aufzügen. Für außen liegende Aufzüge ohne Fahrschacht sind die Anforderungen der Abs. 1 bis 3 nicht anwendbar. Anforderungen an den maschinentechnischen Teil sind in der ThürBO nicht geregelt. Es gilt die Aufzugsverordnung (12. ProdSV).
Die Regelungen gelten nicht für Treppenschrägaufzüge, da nutzungsbedingt eine Verkleidung nicht möglich ist.
Schutzziel: ausreichend lange Verhinderung einer Brandausbreitung in andere Geschosse
Aufzüge | GK 1 | GK 2 | GK 3 | GK 4 | Gk 5 |
---|---|---|---|---|---|
Fahrschachtwände als Raumabschluss | F 30(1) | F 60-BA(1) | F 90-A | ||
Fahrschachttüren | ausreichend lange Verhinderung einer Brandausbreitung in andere Geschosse |
(1) ggf. schachtseitige Bekleidung aus A-Baustoffen
39.3 Öffnungen zur Rauchableitung, die u.a. aus Gründen der Energieeinsparung mit Abschlüssen versehen werden, bedürfen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für das System (Abschluss und Rauchauslöseeinrichtung). Neben der Rauchableitung im Brandfall ist auch die Lüftung im „Normalbetrieb“ sicherzustellen. Fahrschächte innerhalb notwendiger Treppenräume bedürfen keiner eigenen Rauchabzugsöffnung.
39.4.1 Aufzüge sind in „ausreichender“ Zahl vorhanden, wenn für je 20 auf den Aufzug angewiesene Personen ein Platz zur Verfügung steht. Im konkreten Einzelfall sind dabei insbesondere
- die planerische Konzeption (Eigenart der Gebäudenutzung, Gebäudegeometrie, getrennte Aufzüge für unterschiedliche Aufzugsfunktionen),
- die zeitliche Verteilung der die Aufzüge in Anspruch nehmenden Personen,
- die zeitliche Verteilung zu befördernder Lasten,
- die Geschwindigkeit der Aufzüge,
- die gebäudeabschnittsweise Zuordnung von Haltestellen an bestimmten Aufzügen und
- die Verwendung geeigneter (intelligenter) Steuerungselektronik
zu berücksichtigen.
39.4.2 Der Verzicht auf Haltestellen im obersten Geschoss oder in den Kellergeschossen bedarf keiner Abweichungsentscheidung der Bauaufsichtsbehörde. „Besondere Schwierigkeiten“ stehen der Herstellung der Haltestellen im obersten Geschoss z.B. entgegen, wenn der Triebwerksraum aus baurechtlichen Gründen nicht als Dachaufbau angeordnet werden kann. Im Kellergeschoss kann das Herstellen einer Haltestelle besonders schwierig sein, wenn der Aufzug als hydraulischer Aufzug ausgeführt wird. Als Gründe für die Nichterschließung sind Kostengesichtspunkte nur relevant, wenn sie auf technischen oder rechtlichen Schwierigkeiten beruhen.
VollzBekThürBO
B. Normauslegung
Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 39.
© Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
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