Version [82928]
Dies ist eine alte Version von ThuerBO35 erstellt von MarcelOschmann am 2017-08-14 16:19:16.
Thüringer Bauordnung | [ThürBO] | Kommentar | Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
§ 35 Notwendige Treppenräume, Ausgänge |
(1) Jede notwendige Treppe muss zur Sicherstellung der Rettungswege aus den Geschossen ins Freie in einem eigenen, durchgehenden Treppenraum liegen (notwendiger Treppenraum). Notwendige Treppenräume müssen so angeordnet und ausgebildet sein, dass die Nutzung der notwendigen Treppen im Brandfall ausreichend lang möglich ist. Notwendige Treppen sind ohne eigenen Treppenraum zulässig 1. in Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2, 2. für die Verbindung von höchstens zwei Geschossen innerhalb derselben Nutzungseinheit von insgesamt nicht mehr als 200 m2, wenn in jedem Geschoss ein anderer Rettungsweg erreicht werden kann sowie 3. als Außentreppe, wenn ihre Benutzung ausreichend sicher ist und im Brandfall nicht gefährdet werden kann. (2) Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes sowie eines Kellergeschosses muss mindestens ein Ausgang in einen notwendigen Treppenraum oder ins Freie in höchstens 35 m Entfernung erreichbar sein. Übereinanderliegende Kellergeschosse müssen jeweils mindestens zwei Ausgänge in notwendige Treppenräume oder ins Freie haben. Sind mehrere notwendige Treppenräume erforderlich, müssen sie so verteilt sein, dass sie möglichst entgegengesetzt liegen und dass die Rettungswege möglichst kurz sind. (3) Jeder notwendige Treppenraum muss einen unmittelbaren Ausgang ins Freie haben. Sofern der Ausgang eines notwendigen Treppenraumes nicht unmittelbar ins Freie führt, muss der Raum zwischen dem notwendigen Treppenraum und dem Ausgang ins Freie 1. mindestens so breit sein wie die dazugehörigen Treppenläufe, 2. Wände haben, die die Anforderungen an die Wände des Treppenraumes erfüllen, 3. rauchdichte und selbstschließende Abschlüsse zu notwendigen Fluren haben und 4. ohne Öffnungen zu anderen Räumen, ausgenommen zu notwendigen Fluren, sein. (4) Die Wände notwendiger Treppenräume müssen als raumabschließende Bauteile in Gebäuden 1. der Gebäudeklasse 5 die Bauart von Brandwänden haben, 2. der Gebäudeklasse 4 auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung hochfeuerhemmend und 3. der Gebäudeklasse 3 feuerhemmend sein. Dies ist nicht erforderlich für Außenwände von Treppenräumen, die aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen und durch andere an diese Außenwände anschließende Gebäudeteile im Brandfall nicht gefährdet werden können. Der obere Abschluss notwendiger Treppenräume muss als raumabschließendes Bauteil die Feuerwiderstandsfähigkeit der Decken des Gebäudes haben; dies gilt nicht, wenn der obere Abschluss das Dach ist und die Treppenraumwände bis unter die Dachhaut reichen. (5) In notwendigen Treppenräumen und in Räumen nach Absatz 3 Satz 2 müssen 1. Bekleidungen, Putze, Dämmstoffe, Unterdecken und Einbauten aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen, 2. Wände und Decken aus brennbaren Baustoffen eine Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen in ausreichender Dicke haben und 3. Bodenbeläge, ausgenommen Gleitschutzprofile, aus mindestens schwer entflammbaren Baustoffen bestehen. (6) In notwendigen Treppenräumen müssen Öffnungen 1. zu Kellergeschossen, zu nicht ausgebauten Dachräumen, Werkstätten, Läden, Lager- und ähnlichen Räumen sowie zu sonstigen Räumen und Nutzungseinheiten mit einer Fläche von mehr als 200 m2, ausgenommen Wohnungen, mindestens feuerhemmende, rauchdichte und selbstschließende Abschlüsse, 2. zu notwendigen Fluren rauchdichte und selbstschließende Abschlüsse, 3. zu sonstigen Räumen und Nutzungseinheiten mindestens dicht- und selbstschließende Abschlüsse haben. Die Feuerschutz- und Rauchschutzabschlüsse dürfen lichtdurchlässige Seitenteile und Oberlichte enthalten, wenn der Abschluss insgesamt nicht breiter als 2,50 m ist. (7) Notwendige Treppenräume müssen zu beleuchten sein. Notwendige Treppenräume ohne Fenster müssen in Gebäuden mit einer Höhe nach § 2 Abs. 3 Satz 2 von mehr als 13 m eine Sicherheitsbeleuchtung haben. (8) Notwendige Treppenräume müssen belüftet und zur Unterstützung wirksamer Löscharbeiten entraucht werden können. Sie müssen 1. in jedem oberirdischen Geschoss unmittelbar ins Freie führende Fenster mit einem freien Querschnitt von mindestens 0,50 m2 haben, die geöffnet werden können, oder 2. an der obersten Stelle eine Öffnung zur Rauchableitung haben. In den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 ist in Gebäuden der Gebäudeklasse 5 an der obersten Stelle eine Öffnung zur Rauchableitung erforderlich; in den Fällen des Satzes 2 Nr. 2 sind in Gebäuden der Gebäudeklassen 4 und 5, soweit dies zur Erfüllung der Anforderungen nach Satz 1 erforderlich ist, besondere Vorkehrungen zu treffen. Öffnungen zur Rauchableitung nach Satz 2 und 3 müssen in jedem Treppenraum einen freien Querschnitt von mindestens 1 m2 und Vorrichtungen zum Öffnen ihrer Abschlüsse haben, die vom Erdgeschoss sowie vom obersten Treppenabsatz aus bedient werden können. |
Kommentierung |
A. Normgeschichte
1. Historie
2. Gesetzesbegründung
§ 35 enthält Anforderungen an Treppenräume. Zur Vereinfachung und zur besseren Verständlichkeit wurde die durchgängige Differenzierung zwischen außenliegenden und innenliegenden Treppenräumen aufgegeben.
Absatz 1 Satz 1 beschreibt die Aufgabe notwendiger Treppenräume: Sicherstellung der Rettungswege aus den Geschossen ins Freie. Dabei wird auch klargestellt, dass für andere als notwendige Treppen kein Treppenraum erforderlich ist. Soweit die durch andere als notwendige Treppen entstehenden Deckenöffnungen unzulässig sind, kann die Gestattung einer Abweichung von § 31 Abs. 4 die Herstellung eines vergleichbaren Raumabschlusses zwischen den Geschossen in der Art eines Treppenraums voraussetzen.
Satz 2 enthält das Schutzziel der an notwendige Treppenräume gestellten Brandschutzanforderungen.
Satz 3 lässt in drei Fällen notwendige Treppen ohne eigenen Treppenraum zu:
- in Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2,
- zur inneren Verbindung von zweigeschossigen Nutzungseinheiten, wenn in jedem Geschoss ein anderer Rettungsweg
erreicht werden kann,
- für Außentreppen, deren Benutzung ausreichend sicher ist und die im Brandfall vom Feuer nicht beaufschlagt werden
können.
Ein anderer Rettungsweg (Satz 3 Nr. 2) ist der Ausgang in einen notwendigen Treppenraum oder eine anleiterbare Stelle, soweit diese nach § 33 Abs. 3 zulässig ist. Außentreppen (Satz 3 Nr. 3) dürfen im Brandfall nicht durch Feuer beaufschlagt werden können; dazu sind sie etwa vor geschlossenen Wandscheiben mit Feuerwiderstandsfähigkeit und nicht vor Fenstern anzuordnen. Die Forderung einer ausreichend sicheren Benutzung stellt auf die verkehrssichere Nutzung, beispielsweise auch unter winterlichen Witterungseinflüssen, ab.Absatz 2 enthält Anforderungen an die Lage und Anzahl notwendiger Treppenräume, die sich insbesondere aus der Fluchtweglänge ergeben. Ergänzend wird verlangt, dass mehrere notwendige Treppenräume möglichst entgegengesetzt liegen sollen, um im Rahmen der Möglichkeiten eine alternative Fluchtrichtung zu erhalten.
Absatz 3 enthält Anforderungen an die Ausgänge von Treppenräumen ins Freie beziehungsweise an Flächen zwischen Treppenraum und Ausgang ins Freie. Auf das Erfordernis einer Lage von notwendigen Treppenräumen an einer Außenwand wird aus den oben genannten Gründen verzichtet.
Absatz 4 enthält die Anforderungen an die Treppenraumwände und den oberen Abschluss des Treppenraums. Die Anforderungen an die Wände werden (in Satz 1 Nr. 2 und 3) für Gebäude der Gebäudeklassen 3 und 4 auf die erforderliche Feuerwiderstandsfähigkeit der jeweiligen Tragkonstruktion reduziert (feuerhemmend, in Gebäuden der Gebäudeklasse 4 hochfeuerhemmend unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung). Die Anforderungen an den oberen Abschluss werden den Anforderungen an Decken des Gebäudes "gleichgeschaltet" und übernehmen damit diese Erleichterung für Gebäude der Gebäudeklasse 4.
Absatz 5 enthält die Anforderungen an die treppenhausseitigen Baustoffe. Für Wände, die aus brennbaren Baustoffen zulässig sind (betrifft feuerhemmende Wände, siehe Absatz 4), wird verlangt, dass sie eine Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen in ausreichender Dicke erhalten. Für die ebenfalls zulässigen hochfeuerhemmenden Wände ergibt sich das bereits aus der standardmäßig erforderlichen Brandschutzbekleidung (siehe § 26 Abs. 2).
Absatz 6 regelt Anforderungen an die Öffnungen in den raumabschließenden Bauteilen von Treppenräumen. Für die Türen zu sonstigen Räumen und Nutzungseinheiten (Satz 1 Nr. 3, das sind insbesondere Wohnungen und Nutzungseinheiten mit weniger als 200 m2) wird die Anforderung "dichtschließend" beibehalten; diese Eigenschaft wird mit einer dreiseitig umlaufenden Dichtung erreicht und bedarf keines formellen Nachweises.
Absatz 7 verlangt zur sicheren Benutzbarkeit von Treppenräumen, dass sie zu beleuchten sind und bei höheren Gebäuden mit einem regelmäßig auch größeren Benutzerkreis den zusätzlichen Einbau einer Sicherheitsbeleuchtung. Bei dem Erfordernis des Vorhandenseins einer Sicherheitsbeleuchtung wird die Differenzierung von außenliegenden und innenliegenden Treppenräumen aufgegeben. Auch bei außenliegenden Treppenräumen ist eine zusätzliche Lichtquelle zur Vermeidung von Stürzen erforderlich, da bei Dunkelheit kein Licht von außen den Treppenraum beleuchtet.
Absatz 8 enthält die Anforderungen an die Belüftung und Rauchableitung. Die Regelung wird im Hinblick auf die grundsätzliche Aufhebung der Differenzierung zwischen außenliegenden und innenliegenden Treppenräumen neu gefasst. Satz 1 enthält die Grundanforderung. Satz 2 unterscheidet zwischen Treppenräumen mit Fenstern und ohne Fenster. Die Fenster dienen der Belüftung und Belichtung sowie der Rauchableitung und - in Verbindung mit der geöffneten Haustür - als Nachströmöffnung für die Zuluft. Der Begriff "Öffnung zur Rauchableitung" soll klarstellen, dass keine Rauchabzugsanlage und auch keine automatische Einschaltung verlangt werden; das Öffnen erfolgt in der Regel durch die Feuerwehr. Zur Erfüllung der Grundanforderung sind nach Satz 3 in Abhängigkeit von der Gebäudeklasse und der Beschaffenheit des Treppenraums zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Diese können bei Treppenräumen beispielsweise darin bestehen, dass der Raucheintritt aus anschließenden Nutzungseinheiten begrenzt (Anordnung notwendiger Flure/Vorräume, qualifizierte Abschlüsse) und die Zuluftzufuhr verstärkt wird (gegebenenfalls maschinelle Spülluft). Satz 4 bestimmt die Mindestgröße der Öffnungen für die Rauchableitung und regelt die Bedienung der Abschlüsse dieser Öffnungen.
3. Verwaltungsvorschrift
B. Normauslegung
Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 35.
© Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
Zurück zur Inhaltsübersicht