Das Strafverfahren in Südkorea
Ermittlung und Strafverfolgung
Der Staatsanwalt hat die Befugnis, Ermittlungen und Strafverfahren einzuleiten. Der Gerichtspolizeibeamte kann Ermittlungen anstellen, jedoch nur unter der Aufsicht des Staatsanwaltes.
Wenn eine Straftat begangen wird, leitet der Gerichtspolizeibeamte Ermittlungen ein. Danach wird der Fall an das Büro der Staatsanwälte übertragen. Hier entscheidet der Staatsanwalt, ob der Fall abgeschlossen oder weiterverfolgt wird. Wird der Fall weiterverfolgt, werden Verdächtige und Zeugen vernommen sowie Dokumente und Beweismittel überprüft.
Der Staatsanwalt eröffnet die Ermittlungen von Amts wegen unter anderem bei folgenden Straftaten, ohne vorherige Vermittlungen durch den Gerichtspolizeibeamten:
• Bestechung von Beamten
• Wirtschaftsstraftaten
• Drogendelikte
• Umweltvergehen
• organisierte Verbrechen
• Steuerhinterziehung
• Fehlverhalten von Polizeibeamten
Ein Verdächtiger kann nur verhaftet werden, wenn ein Haftbefehl vorliegt, der von einem Richter ausgestellt wurde, außer wenn ein Straftäter auf frischer Tat ertappt wurde oder wenn ein Notfall vorliegt. Lässt der Staatsanwalt einen Verdächtigen ohne Haftbefehl verhaften, so muss er innerhalb von 48 Stunden einen Haftbefehl beantragen. Geschieht das nicht oder wird der Haftbefehl nicht ausgestellt, so muss der Verdächtige sofort freigelassen werden. Nur der Staatsanwalt ist befugt, diesen Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehls zu stellen, Gerichtspolizeibeamte besitzen hierfür keine Befugnis.
Am Ende der Ermittlungen entscheidet der Staatsanwalt, ob eine Straftat vorliegt und ob eine Strafverfolgung eingeleitet werden soll. Wenn die Beweise nicht ausreichen, um eine Straftat nachzuweisen, soll keine Strafverfolgung durch den Staatsanwalt eingeleitet werden. Wird Strafverfolgung eingeleitet, weil Beweise dafür vorliegen, so soll das Alter, der Charakter, das Motiv und andere Umstände des Angeklagten berücksichtigt werden.
Gerichtsverhandlung
Besonders schwere Fälle, die mit Todesstrafe, lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft werden können, werden von drei Richtern verhandelt. Die Verhandlung von leichteren Fällen werden nur von einem einzelnen Richter geführt.
Nachdem der Fall an das Gericht überwiesen wurde, führt der Staatsanwalt als Vertreter des Staates die Beweismittel vor, befragt den Angeklagten, prüft die Zeugen und kommt seinen anderen Pflichten nach, um Gerechtigkeit zu gewährleisten.
Um die Rechte des Angeklagten vollumfänglich zu gewährleisten, wird ihm ein Pflichtverteidiger vom Gericht gestellt, wenn der Angeklagte minderjährig ist, über 70 Jahre alt ist, eine psychische Erkrankung vermutet wird oder er sich einen Anwalt nicht leisten kann.
Im Schlussplädoyer schlägt der Staatsanwalt eine passende Art von Bestrafung sowie das jeweilige Strafmaß vor. Anschließend fällt das Gericht das Urteil.
Rechtsmittel und Vollziehung des Urteils
Der Staatsanwalt oder der Angeklagte kann gegen das Urteil des Gerichts Rechtsmittel einlegen. Der Fall landet dann entweder beim Obergericht (wenn das vorherige Urteil von drei Richtern gefällt wurde) oder bei der Berufungsabteilung des Bezirksgerichts (wenn das vorherige Urteil von einem einzelnen Richter gefällt wurde). Ist der Staatsanwalt oder der Angeklagte mit dem Berufungsurteil immer noch nicht zufrieden, kann er erneut Rechtsmittel einlegen. Der Fall landet dann beim Obersten Gericht. Dies fällt ein endgültiges Urteil, gegen das keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden können.
Eilverfahren
Eilverfahren können in bestimmten Fällen beantragt werden, um das Verfahren zu verkürzen. Dies ist jedoch nur bei geringeren Vergehen möglich, die mit einer Geldstrafe von höchstens 200.000 Won bestraft werden. Derartige Fälle werden durch den Leiter der Polizeistation an das Gericht überwiesen, ohne den Staatsanwalt einzuschalten. Ein Richter führt den Vorsitz bei den Eilverfahren. Sie sind der Öffentlichkeit zugänglich. Wird das Eilverfahren abgelehnt, wird der Fall an den Staatsanwalt übergeben. Wurde ein Eilverfahren durchgeführt und ist der Angeklagte mit dem Urteil nicht einverstanden, so kann er ein normales Verfahren innerhalb von sieben Tagen nach Urteilsfällung beantragen.
Laienbeteiligung in Strafprozessen
Seit dem Jahr 2008 können sich Laien in Strafprozessen beteiligen. Die Stellung dieser Laien ist dabei vergleichbar mit Schöffen. Mit diesem System soll das öffentliche Vertrauen in das nationale Gerichtssystem durch die Förderung der demokratischen Legitimität und Transparenz gestärkt werden. Auf Antrag des Angeklagten nimmt eine Jury, die aus fünf bis neun Laien besteht, zusammen mit den Richtern an Strafprozessen (bei denen schwere Straftaten verhandelt werden) teil und bietet gutachterliche Stellungnahmen an. Die Jury soll unabhängig prüfen, ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht und soll zu einem einstimmigen Urteil kommen. Bei Uneinstimmigkeit kommt es zur Mehrheitsabstimmung. Die Jury kann auch einzelne Meinungen bezüglich des Strafmaßes nach Besprechung mit dem Richter darstellen.
© Christoph Bieramperl (2017)