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Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht II
Teil 1 - Europäische Harmonisierung nationaler Urheberrechte
Positionierung der EU |
Die Gestaltung des Urheberrechts in der Europäischen Union ist eine eigentlich den Mitgliedsstaaten vorbehaltene Aufgabe. Der AEUV sieht zwar in Art. 167 zum Politikfeld Kultur die Aufgabe der EU, die Tätigkeit der Mitgliedsstaaten in künstlerischem, literarischen und audiovisuellen Schaffen zu ergänzen, nimmt hier aber nicht Bezug auf das Urheberrecht. Ansonsten fehlt hier eine Positionierung der EU zum Urheberrecht vollständig. Im Sinne des überkommenden Territorialitätsprinzips, das sich historisch aus dem mittelalterlichen Privilegienwesen entwickelt hat (s. näher dazu unten), sollten die nationalen Gesetzgeber jeweils ihr eigenes Urheberrecht gestalten können. |
Harmonisierungsanstrengungen |
Allerdings ist auf europäischer Ebene zunehmend der zutreffende Eindruck entstanden, dass ein Flickenteppich nationaler Urheberrechtein Bezug auf Schutzvoraussetzungen und – dauer sowie Schranken – gerade in der modernen Informations- und Medienwirtschaft – mit dem Ziel eines einheitlichen Marktes unvereinbar ist. So hat die EU seit 1989 mit gezielten Richtlinien zu einzelnen harmonisierungsbedürftigen Fragen das Urheberrecht der einzelnen Mitgliedsstaaten maßgeblich beeinflusst. Dabei nimmt die EU Umwege über Politikziele wie „Binnenmarkt“ (Art. 26, 27 AEUV), „freier Warenverkehr“ (Art. 28 AEUV), „freier Wettbewerb“ (Art. 101, 102 AEUV), „Verbraucherschutz“ (Art. 169 AEUV) und dem Prinzip der Diskriminierungsfreiheit (Art. 18 AEUV) die wesentlichen Anknüpfungspunkte für diese Harmonisierungstendenz im Urheberrecht. Eine weitere Aktivitätsebene der EU war die Beteiligung an völkerrechtlichen Verträgenzur Regelung des internationalen Urheberrechts und gewerblichen Rechtsschutzes. Auch hier wollte die EU als eigenständiges Völkerrechtssubjekt die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen der Medien- und Kreativwirtschaft in Europa auf internationaler Ebene stärken. Häufig ist die EU dabei selbständig neben den einzelnen Mitgliedsstaaten Beteiligter an den Staatsverträgen und gibt über Richtlinien den Mitgliedsstaaten auf, die Pflichten aus den Staatsverträgen einheitlich in nationales Recht umzusetzen. |
EuGH, Gutachten vom 15.11.1994: (…)
Am 6. 4. 1994 - d. h. einige Tage vor dem für die Unterzeichnung des WTO-Abkommens in Marrakesch vorgesehenen Zeitpunkt, aber einige Wochen nach der Billigung der Schlußakte durch den durch die Konferenz von Punta del Este zur Führung der Verhandlungen der
Uruguay-Runde eingesetzten Ausschuß für Handelsverhandlungen - hat die Kommission einen Antrag auf Gutachten (…) beim Gerichtshof eingereicht. Die Fragen lauten:
"Zu den in der Schlußakte vom 15. 12. 1993 enthaltenen Ergebnissen der Handelsgespräche der Uruguay-Runde im Rahmen des GATT :
Hat die Europäische Gemeinschaft die Zuständigkeit zum Abschluß aller Teile des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation in bezug auf den Dienstleistungsverkehr (GATS) und auf die handelsbezogenen Aspekte der Rechte an
geistigem Eigentum einschließlich des Handels mit nachgeahmten Waren (TRIPs) auf der Rechtsgrundlage des EG-V und dabei insbesondere auf der Rechtsgrundlage von Art. 113 EGV allein bzw. Art. 113 EG-V in Verbindung mit Art. 100a EG-V und/oder Art. 235 EG-V ? (…)
Falls die beiden obengenannten Fragen bejaht werden sollten : Beeinträchtigt dies die Fähigkeit der Mitgliedstaaten zum Abschluß des WTO-Abkommens im Lichte des bereits erzielten Einvernehmens, daß sie Gründungsmitglieder der WTO werden ?" (…)
(54) Für eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft nach Art. 113 EG-V führt die Kommission vor allem an, daß die Vorschriften über die Rechte an geistigem Eigentum eng mit dem Verkehr der Waren und Dienstleistungen, an denen solche Rechte bestünden, verbunden seien. (…)
(56) Abgesehen von den Bestimmungen des TRIPs, die das Verbot der Überführung nachgeahmter Waren in den zollrechtlichen freien Verkehr betreffen, ist der Auffassung der Kommission jedoch nicht zu folgen.
(57) Gewiß gibt es einen Zusammenhang zwischen geistigem Eigentum und Warenverkehr. Die Rechte an geistigem Eigentum erlauben es ihrem Inhaber, Dritte an der Vornahme bestimmter Handlungen zu hindern. Die Möglichkeit, die Benutzung einer Ware, die Herstellung eines
Erzeugnisses, die Kopie eines Musters oder die Reproduktion eines Buches, einer Schallplatte oder einer Videokassette zu verbieten, hat unweigerlich Auswirkungen auf den Handel. Die Rechte an geistigem Eigentum sollen im übrigen gerade diese Wirkungen zeitigen. Dies genügt nicht, um sie in den Anwendungsbereich von Art. 113 EG-V fallen zu lassen. Die Rechte an geistigem Eigentum betreffen nämlich nicht spezifisch den internationalen Warenaustausch, sie treffen vielmehr den Binnenhandel im gleichen Maße wie den internationalen Handel, wenn nicht stärker als diesen.
(58) Wie die Französische Republik zu Recht ausgeführt hat, besteht der Hauptzweck des TRIPs darin, den Schutz des geistigen Eigentums weltweit zu verstärken und zu harmonisieren. Die Kommission selbst hat eingeräumt, daß mit dem Abschluß des TRIPs, da dieses Vorschriften in Bereichen festlege, in denen es keine gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen gebe, zugleich eine Harmonisierung innerhalb der Gemeinschaft erreicht und dadurch zur Herstellung und zum Funktionieren des Gemeinsamen Marktes
beigetragen werden könne.
(59) Auf der Ebene der internen Rechtsetzung verfügt die Gemeinschaft im Bereich des geistigen Eigentums über eine Zuständigkeit zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften gemäß den Art. 100 und 100a EG-V und kann auf der Grundlage von Art. 235 EG-V neue Titel schaffen, die dann die nationalen Titel überlagern, wie sie es mit dem Erlaß der VO (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. 12. 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11 vom 14. 1. 1994, S. 1) getan hat. (…)
(60) Würde der Gemeinschaft eine ausschließliche Zuständigkeit zuerkannt, mit Drittländern Abkommen zur Harmonisierung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur gleichzeitigen Herstellung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene zu schließen, so könnten sich die Gemeinschaftsorgane den Zwängen entziehen, denen sie intern hinsichtlich des Verfahrens und der Art der Beschlußfassung unterliegen. (…), abgedruckt in EuGHE 1994, 5267. |
Im Sinne der europäischen Verträge hat die EU damit das Urheberrecht in seiner wirtschaftlichen Bedeutung über den Umfang der Verwertungsrechte geprägt und harmonisiert, sich aber einer kulturellen Vereinheitlichung weitgehend enthalten. So wird insbesondere die Frage des Urheberpersönlichkeitsrechts von der EU nicht angegangen. Dies ist sicherlich auch Folge davon, dass in den EU-Mitgliedsstaaten zwei unterschiedliche Urheberrechtssystem Tradition haben: in Frankreich und Deutschland vor allem das den Urheber in den Fokus stellende droit d’auteur-System, in Großbritannien das aus dem common lawentwickelte Copyright-System, bei dem die wirtschaftliche Verwertung eines Werkes im Mittelpunkt steht sowie die Einschränkung der Rechte des Urhebers (copy right = Recht zur Vervielfältigung). Mittel der Gestaltung des europäischen Urheberrechts sind zum einen die eigenen Rechtssetzungsmittel der EU, nämlich Richtlinien (einschließlich der vorausgehenden Entscheidungsphasen Weiß- und Grünbuch sowie Empfehlungen) und die Rechtsprechungder europäischen Gerichte EuGH und GeI sowie zum anderen die Rechtsprechung der nationalen Gerichte zur Umsetzung der Richtlinien. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, dass die nationalen Gerichte bei Zweifeln an der richtlinienkonformen Auslegung von EU-Richtlinien Fragen dem EuGH zur einheitlichen Entscheidung für die gesamte EU vorzulegen haben (Art. 267 AEUV). |