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Fallbeispiel 7 - Schuhkauf


Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

A. Sachverhalt

Carrie (C) liebt Schuhe. Als Rodriguez (R), Inhaber eines kleinen, exklusiven Schuhgeschäftes, ein limitiertes Modell Manolo Blahniks erhält, bietet er sie Carrie schriftlich am 06.11. für 820 € zum Kauf an. R, der sichergehen will, dass er auf den Tretern nicht sitzenbleibt sondern sie notfalls an eine andere Kundin verkaufen kann, befristet sein Angebot an C bis zum 14.11. Als C das Schreiben am 07.11. bekommt, ist sie total begeistert. Noch am selben Tag fertigt sie eine schriftliche Annahmeerklärung. C, die hin und wieder ein wenig schusselig ist, bemerkt am 14.11., dass sie vergessen hat ihre Annahmeerklärung per Post zu versenden. Telefonisch ist R nicht zu erreichen. Weil sie selbst an einer wichtige Redaktionssitzung teilnehmen muss, bittet C ihre Freundin Samantha (S) persönlich bei R vorbeizuschauen und diesem unter Übergabe der 820 € zu übermitteln, dass sie das Angebot annehme. Da der Weg von ihrer Wohnung aus kürzer ist und R des Öfteren nicht im Laden anzutreffen ist, fährt S direkt zum Haus des R. Dort trifft S den R jedoch nicht an, sondern nur dessen Lebensgefährten Joche (J). S teilt ihm die Nachricht der C mit und übergibt die 820 €. Am Nachmittag leitet J die Erklärung und das Geld an R weiter.


Abwandlung

Wie oben, aber: S trifft im Haus des R nicht auf den Lebensgefährten J, sondern auf die Gärtnerin Wilma Konradi (K). Diese leitet die Erklärung und das Geld am nächsten Tag (15.11.) an R weiter.


B. Frage(n)

Hat C einen Anspruch auf Übereignung der Manolo Blahnik?


C. Lösung


1. Grafische Skizze


2. Lösungsskizze


3. Formulierungsvorschlag

C könnte einen Anspruch auf Übereignung der Manolo Blahnik gegen R gemäß § 433 I BGB haben. Dies setzt voraus, dass sie den Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.

A. Anspruchserwerb
C könnte den Anspruch gemäß § 433 I BGB gegen R erworben haben.
Dies ist der Fall, wenn zwischen ihr und R ein Vertrag geschlossen wurde, der inhaltlich ein Kaufvertrag ist und dieser wirksam ist.


I. Vertragsschluss
C und R könnten einen Vertrag geschlossen haben.
Dieser bedarf zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB), wobei die Annahme zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, in der das Angebot noch bindend war (§ 146 BGB).


1. Angebot durch R
Laut Sachverhalt hat R der C die Manolo Blahnik am 06.11. schriftlich zum Verkauf angeboten.
Es liegt somit ein Angebot im Sinne des § 145 BGB vor.


2. Annahme durch C
Dieses schriftliche Angebot müsste C angenommen haben.
Ein Angebot gilt unter Abwesenden als angenommen, wenn eine Willenserklärung abgegeben wird, die die Annahme des Angebots zum Inhalt hat, diese Annahmeerklärung dem Antragenden ohne vorherigen Widerruf zugeht (§ 130 I BGB).


a) Abgabe einer Willenserklärung mit Inhalt der Annahme
C könnte eine Willenserklärung, die inhaltlich eine Annahme darstellt, abgegeben haben.


aa) Persönlich
C, die zwar am 07.11. eine schriftliche Annahmeerklärung an den R formuliert hat, vergisst diese Erklärung abzusenden. Auch zu einem späteren Zeitpunkt gibt sie selbst keine Annahmeerklärung gegenüber R ab.

bb) Durch einen Dritten
Die Willenserklärung könnte jedoch durch einen Dritten abgegeben worden und dies der C zuzurechnen sein.
In Betracht kommt die Abgabe der Annahmeerklärung unter Einschaltung eines Erklärungsboten.
Die Abgabe ist in einem solchen Fall erfolgt, wenn der Erklärende einen Boten zur Übermittlung seiner Willenserklärung einsetzt, er die Erklärung auf den Weg gebracht hat und seine Handlungen insoweit ausreichen, als dass bei einem ungestörten Ablauf mit dem Zugang beim Adressaten zu rechnen ist.
Laut Sachverhalt übermittelt C ihrer Freundin S, dass sie das Angebot annehme und bittet sie diese Nachricht an R weiterzugeben und gleichzeitig den Kaufpreis von 820 € zu zahlen. Es handelt sich bei dieser Nachricht um eine Willenserklärung, die inhaltlich eine Annahme im Sinne des § 145 BGB darstellt. C hat zur Annahme S als Erklärungsboten eingesetzt und die Erklärung so auf den Weg gebracht, dass unter gewöhnlichen Umstand mit dem Zugang beim Adressaten gerechnet werden kann.


cc) C hat die Annahmeerklärung unter Einschaltung eines Boten abgegeben.


b) Zugang
Fraglich ist jedoch, ob diese Willenserklärung dem R zugegangen ist.


aa) Persönlich
Laut Sachverhalt triff S den R in seinem Haus nicht selbst an, sondern dessen Lebensgefährten J. Ein persönlicher Zugang ist somit zunächst nicht gegeben.


bb) Zurechnung
Die Annahmeerklärung könnte jedoch J als Empfangsboten zugegangen sein. Dabei gilt eine Willenserklärung nur dann als zugegangen, wenn sie gegenüber einer zur Entgegennahme geeigneten und ermächtigten Person abgegeben wird. Der Zugang erfolgt zudem erst zum Zeitpunkt, in dem üblicherweise die Weiterleitung vom Boten an den Erklärungsempfänger zu erwarten ist.
Als zur Entgegennahme geeignet und ermächtigt gelten Personen, die im Haushalt des Empfängers leben.
C hat unter Einschaltung des Erklärungsboten S dem im Haushalt lebenden Lebensgefährten J, also einem Empfangsboten, die Annahmeerklärung übermittelt. Die Weiterleitung der Erklärung war noch am selben Tag zu erwarten und ist sogar erfolgt.

cc) Die Annahmeerklärung ist durch die Übermittlung an den Empfangsboten J des R zugegangen.


c) kein Widerruf
Die Annahmeerklärung wurde nicht widerrufen.


d) C hat das Angebot des R angenommen.


3. Annahmefähigkeit
Die Annahme müsste zudem rechtzeitig erfolgt sein.
Hat der Antragende eine Frist gesetzt, so ist die Annahme gemäß § 148 BGB nur innerhalb dieser Frist möglich. Laut Sachverhalt hat R das Angebot bis zum 14.11. befristet. An diesem Tag ist die Übermittlung der Annahmeerklärung erfolgt. Die Annahme war also auch rechtzeitig.


4. Übereinstimmung
Das Angebot des R sowie die Annahme stimmen auch überein.


5. S und R haben folglich einen Vertrag geschlossen.


II. Inhalt
Dieser Vertrag stellt inhaltlich einen Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB dar.


III. Wirksamkeit
Es sind keine Wirksamkeitshindernisse ersichtlich.


IV. Zwischenergebnis
C hat den Anspruch gegen R gemäß § 433 I BGB erworben.

B. Anspruchsverlust
C hat den Anspruch nicht verloren.

C. Durchsetzbarkeit
Der Anspruch ist zudem durchsetzbar.

D. Ergebnis
C hat einen Anspruch auf Übereignung der Manolo Blahnik gemäß § 433 I BGB.




4. Formulierungsvorschlag Abwandlung

C könnte einen Anspruch auf Übereignung der Manolo Blahnik gegen R gemäß § 433 I BGB haben. Dies setzt voraus, dass sie den Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.

A. Anspruchserwerb
C könnte den Anspruch gemäß § 433 I BGB gegen R erworben haben.
Dies ist der Fall, wenn zwischen ihr und R ein Vertrag geschlossen wurde, der inhaltlich ein Kaufvertrag ist und dieser wirksam ist.


I. Vertragsschluss
C und R könnten einen Vertrag geschlossen haben.
Dieser bedarf zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB), wobei die Annahme zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, in der das Angebot noch bindend war (§ 146 BGB).


1. Angebot durch R
Laut Sachverhalt hat R der C die Manolo Blahnik am 06.11. schriftlich zum Verkauf angeboten.
Es liegt somit ein Angebot im Sinne des § 145 BGB vor.


2. Annahme durch C
Dieses schriftliche Angebot müsste C angenommen haben.
Ein Angebot gilt unter Abwesenden als angenommen, wenn eine Willenserklärung abgegeben wird, die die Annahme des Angebots zum Inhalt hat, diese Annahmeerklärung dem Antragenden ohne vorherigen Widerruf zugeht (§ 130 I BGB).


a) Abgabe einer Willenserklärung mit Inhalt der Annahme
C könnte eine Willenserklärung, die inhaltlich eine Annahme darstellt, abgegeben haben.


aa) Persönlich
C, die zwar am 07.11. eine schriftliche Annahmeerklärung an den R formuliert hat, vergisst diese Erklärung abzusenden. Auch zu einem späteren Zeitpunkt gibt sie selbst keine Annahmeerklärung gegenüber R ab.

bb) Durch einen Dritten
Die Willenserklärung könnte jedoch durch einen Dritten abgegeben worden und dies der C zuzurechnen sein.
In Betracht kommt die Abgabe der Annahmeerklärung unter Einschaltung eines Erklärungsboten.
Die Abgabe ist in einem solchen Fall erfolgt, wenn der Erklärende einen Boten zur Übermittlung seiner Willenserklärung einsetzt, er die Erklärung auf den Weg gebracht hat und seine Handlungen insoweit ausreichen, als dass bei einem ungestörten Ablauf mit dem Zugang beim Adressaten zu rechnen ist.
Laut Sachverhalt übermittelt C ihrer Freundin S, dass sie das Angebot annehme und bittet sie diese Nachricht an R weiterzugeben und gleichzeitig den Kaufpreis von 820 € zu zahlen. Es handelt sich bei dieser Nachricht um eine Willenserklärung, die inhaltlich eine Annahme im Sinne des § 145 BGB darstellt. C hat zur Annahme S als Erklärungsboten eingesetzt und die Erklärung so auf den Weg gebracht, dass unter gewöhnlichen Umstand mit dem Zugang beim Adressaten gerechnet werden kann.


cc) C hat die Annahmeerklärung unter Einschaltung eines Boten abgegeben.

b) Zugang
Fraglich ist jedoch, ob diese Willenserklärung dem R zugegangen ist.


aa) Persönlich
Laut Sachverhalt triff S den R in seinem Haus nicht selbst an, sondern dessen Gärtnerin K. Ein persönlicher Zugang ist somit zunächst nicht gegeben.


bb) Zurechnung
Die Annahmeerklärung könnte jedoch K als Empfangsboten zugegangen sein. Dabei gilt eine Willenserklärung nur dann als zugegangen, wenn sie gegenüber einer zur Entgegennahme geeigneten und ermächtigten Person abgegeben wird Fraglich dabei ist, ob K ein tauglicher Empfangsbote, also eine zur Entgegennahme der Erklärung der S geeignete und ermächtigte Person ist.
Zufällig im Haus des J anwesende Dienstleister werden zwar als geeignete Personen, nicht aber als ermächtigt angesehen, eine Erklärung für den .Empfänger anzunehmen. Sie sind damit keine tauglichen Empfangsboten. C hat unter Einschaltung ihrer Erklärungsbotin S der im Haus des R anwesenden Gärtnerin K die Annahme erklärt. Bei der Übermittlung der Annahmeerklärung an eine nicht zur Entgegennahme ermächtigte Person tritt der Zugang erst dann ein, wenn die Annahmeerklärung tatsächlich an den Empfänger weitergeleitet wird. K hat die Annahmeerklärung erst am 16.01. weitergeleitet.

cc) Die Annahmeerklärung ist durch die Übermittlung an den Empfangsboten K des R zugegangen.


c) kein Widerruf
Die Annahmeerklärung wurde nicht widerrufen.


d) C hat das Angebot des R angenommen.


3. Annahmefähigkeit
Die Annahme müsste zudem rechtzeitig erfolgt sein.
Hat der Antragende eine Frist gesetzt, so ist die Annahme gemäß § 148 BGB nur innerhalb dieser Frist möglich. Laut Sachverhalt hat R das Angebot bis zum 14.11. befristet. Die Annahme wurde jedoch erst durch K am 15.11. weitergeleitet. Die Einhaltung der Frist wurde nicht gewahrt. Die Annahme ist nicht rechtzeitig erfolgt.


5. S und R haben folglich einen keinen Vertrag geschlossen.


II. Zwischenergebnis
C hat den Anspruch nicht erworben.


B. Ergebnis
C hat einen Anspruch auf Übereignung der Manolo Blahnik gemäß § 433 I BGB.
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