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Version [100404]

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Fallbeispiel: Haus am See mit Problemen

Fragen des Immobiliarsachenrechts und nicht nur...

Sachverhalt

Gertrude (G) ist Eigentümerin eines Hauses am See in Bayern. Als sie 85 wird, will sie etwas Gutes tun und will ihr Haus samt Grundstück an einen örtlichen Verein zur Kulturförderung (K) verschenken. Der Verein wird nach Auflassung durch G und den Vorstand des K in dessen Namen ins Grundbuch eingetragen. Was dem Notar sowie dem Vorstand von K nicht aufgefallen war, war die mittlerweile extreme Demenz der G, durch die ihr - was später festgestellt wurde - die Zurechnungsfähigkeit völlig fehlte.

Der Vorstand von K will den "tollen Fang" sofort zu Geld machen. Er will das Grundstück an den örtlichen Hotelbetreiber H verkaufen. Zum Notartermin kann H nicht erscheinen, weil er krank ist. Er bittet seinen Mitarbeiter M, ihn beim Kauf des Hauses für 1,2 Mio. EUR zu vertreten. Beim Notar teilt Vorstand von K dem M allerdings mit, dass das Haus 1,25 Mio. EUR kosten soll. M denkt sich, dass das auch OK sei und veranlasst im Namen des H auch eine entsprechende Überweisung, allerdings nur in Höhe von 1,2 Mio. EUR um dem H die Möglichkeit zu geben, den Preis noch mal zu überdenken. Dies erfolgt, nachdem der Notar den Kaufvertrag sowie die Auflassung beurkundet hat und zugunsten von H auch eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde.

Auch wenn H mit dem Preis nicht einverstanden ist, spricht er sich im Gespräch mit Vorstand von K doch dafür aus, das Haus zum überhöhten Preis auch zu behalten. Allerdings zahlt er die ausstehenden 50.000,- EUR nicht.

Die Vereinsmitglieder überreden den Vorstand von K, das Haus für noch mehr Geld zu veräußern. Ein neuer Käufer findet sich im Oligarchen O, der 1,8 Mio. EUR bietet. Verträge werden unterzeichnet, O wird im Grundbuch eingetragen. Vorstand von Um das auf die Spitze zu treiben, verpachtet der Verein die gesamte Immobilie, die auch eine Bootsanlegestelle hat, an den Eigentümer des Bootsverleihs B für 10 Jahre fest gegen Zahlung von 25.000,- EUR jährlich. B baut kurz darauf einen Hangar am Ufer, um seine Boote unterzustellen.

Welche Ansprüche hat H?


Weiterführende Aufgabe

Angenommen, H hat die Immobilie erworben. Er möchte sie als Sicherheit nutzen. Er benötigt allerdings zwei verschiedene Kredite:
- einen Kredit zwecks Umschuldung verschiedener angelaufener Schulden gegenüber seinen Banken, bei denen er auch Girokonten hat, in Höhe von 500.000,- EUR
- einen Kredit zur Finanzierung umfangreicher Baumaßnahmen auf dem erworbenen Grundstück im Umfang von ca. 700.000,- EUR

Beantworten Sie folgende Fragen:
- Wie kann H die Immobilie als Sicherheit für beide Kredite nutzen?
- Ist dies möglich?
- Wie würde dies genau erfolgen?
- Was passiert, wenn H neben der Immobilie zur Kreditsicherung auch eine Bürgschaft seiner Ehefrau, die im Supermarkt an der Kasse arbeitet, nutzt?


Lösungshinweise

Die Lösungshinweise zur Hauptaufgabe, insb. Prüfungsaufbau zu den wichtigsten Anspruchsgrundlagen, finden Sie nachstehend.
Unter folgender Adresse werden die weiterführenden Aufgaben behandelt.

Ansprüche des H gegen O

A. Anspruch gem. § 894 BGB auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (Grundbuchberichtigungsanspruch)
Anspruch gegeben, wenn:

1. Grundbuch unrichtig
Eingetragen: O. Ist jemand anderer Eigentümer?

a. Ursprünglich: G

b. Übereignung G auf K?
Auflassung zwischen G und K erfolgte, für G handelte der Vorstand, Rechtsfähigkeit von G ergibt sich aus § 21 BGB, die Vertretung durch den Vorstand aus § 26 Abs. 1 BGB.
ABER:
G nicht geschäftsfähig, § 105 BGB - dadurch Auflassung unwirksam!
G bleibt Eigentümerin.

c. Übertragung K auf H
Prüfungsaufbau: siehe hier
Auflassung: K vertreten durch Vorstand; H vertreten durch M.
Überschreitung der Vertretungsmacht durch M? => irrelevant für § 925 BGB

ABER:
keine Eintragung - demzufolge kein Eigentumserwerb!

d. Übertragung K auf O
Auflassung + Eintragung erfolgt
Problem: Berechtigung des Veräußerers - K ist kein Eigentümer!

ALSO:
Gutgläubiger Erwerb gem. § 892 I BGB zu prüfen:
      • Anwendbarkeit (Verkehrsgeschäft + kein absolutes Veräußerungsverbot)
      • GB unrichtig
      • Veräußerer im GB eingetragen
      • Erwerber gutgläubig
      • kein Widerspruch im GB eingetragen
O ist Eigentümer geworden.

Damit ist das Grundbuch korrekt - die Eintragung entspricht der Eigentumslage.

2. Ergebnis
Anspruch gem. § 894 BGB ist nicht gegeben.


B. Anspruch gem. § 888 Abs. 1 BGB auf Zustimmung zur Löschung
Zunächst Voraussetzungen für den Anspruchserwerb:

1. Vormerkung des H
Prüfungsaufbau zur Vormerkung siehe hier.

a. Vormerkungsfähiger Anspruch
Kaufvertrag zwischen H und K?

(1) Abschluss des Vertrages OK

(2) Inhalt: Pflicht zur Übereignung OK

(3) Wirksamkeit?
=> Form OK, notariell
=> Vertretungsmacht!!!? => überschritten!

        • durch Genehmigung OK?
        • Form nicht erforderlich, § 182 Abs. 2 BGB
Also Genehmigung OK, Vertretungsmacht kein Problem!

b. Bei Bewilligung der Vormerkung bestehen?
Bedingter reicht!

c. Bewilligung durch Betroffenen
K nicht berechtigt - Eigentum ist ja bei G geblieben!

d. Gutgläubiger Erwerb?
Entweder gem. § 892 Abs. 1 BGB direkt oder auf dem Umweg über § 893 BGB (2. Alt.) - jedenfalls ist gutgläubiger (Erst-)Erwerb einer Vormerkung möglich, dies ist einhellige Meinung
die Einordnung der Vormerkung ist wegen dem "Zwittercharakter" der Vormerkung schwierig, es ist nicht eindeutig ein dingliches Recht! - für das Ergebnis aber letztlich irrelevant, jedenfalls über § 893 BGB ist gutgläubiger Erwerb möglich;


Die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs gem. § 892:
      • Verkehrsgeschäft - Kaufvertrag zwischen K und H (+)
      • K ist im Grundbuch eingetragen, Eigentümerin ist noch G - Grundbuch also unrichtig (+)
      • H hatte keine Ahnung von Eigentum der G - guter Glaube (+)
      • Widerspruch im Grundbuch nicht eingetragen (+)

Vormerkung durch H gutgläubig erworben.

2. Recht des O
Zugunsten des O ist ein Eigentumsrecht eingetragen worden.

3. Unvereinbarkeit mit Recht des H
Anspruch des H wäre durch Erwerb durch O vereitelt. (+)

4. Erforderlichkeit der Eintragung
O ist Bewilligungsberechtigt - also erforderlich (+)

Zwischenergebnis zu § 888 BGB: Anspruch des H auf Zustimmung zur Grundbucheintragung gegen O ist entstanden.
Auch wenn der Anspruch nicht verloren gegangen ist, stellt sich die Frage, ob keine Einreden bestehen (Durchsetzbarkeit). Diese könnten sich aus der analogen Anwendung der § 770 Abs. 1 BGB, § 1137 BGB, § 1211 BGB ergeben.

5. VSS der Analogie
Die Analogie im Hinblick auf die Erhebung von Einreden gegen die Vormerkung ist möglich, wenn Voraussetzungen der Analogie erfüllt sind:
    • Regelungslücke? (+)
    • planwidrig? (+)
    • Vergleichbarkeit der Rechtslage? (+/-) - zwar keine Zahlung fremder Schuld, aber prozessrechtliche Situation würde vereitelt werden, was gegen § 888 ZPO verstößt...
Analogie sollte insofern möglich sein, ist jedenfalls mit guten Argumenten begründbar.

6. Einreden
Nun muss geprüft werden, ob eine Einrede auch tatsächlich gegeben ist:
    • Rücktrittsrecht des K gem. § 323 Abs. 1 BGB? Hängt von der Fälligkeit der Zahlungspflichtig ab! Hier müsste K dem H noch eine Frist setzen! da dies nicht erfolgt ist, und eine Rücktrittserklärung sowieso fehlt, kann von einem Rücktritt nicht die Rede sein;
    • Unmöglichkeit der Zahlung und dadurch § 326 Abs. 1 BGB ist nicht denkbar;

Ergebnis: Anspruch auch durchsetzbar - Anspruch gem. § 888 BGB gegeben!


C. Anspruch gem. § 812 Abs. 1, S. 1, 2. Alt. BGB auf Grundbucheintragung (Herausgabe der Grundbuchposition)
Ist eine Nichtleistungskondiktion in diesem Fall möglich?
O hat die Leistung (Grundbuchposition) von K im Wege einer Leistung erlangt, so dass diese Vorrang hat! Eine Nichtleistungskondiktion ist allein deshalb schon ausgeschlossen.


Ansprüche des H gegen B

D. Anspruch auf Herausgabe gem. § 985 BGB
Sofern Besitz des B, dann auf Räumung. Sonst keine weiteren Ansprüche. Eigentümerstellung?
=> H ist noch kein Eigentümer!
=> kann er sich auf Eigentumsschutz bereits dann berufen, wenn er vormerkungsberechtigt ist?

1. Eigentümerstellung wegen Vormerkung?
Die wird überwiegend abgelehnt, weil die Vormerkung nur relative Unwirksamkeit zur Folge hat, so dass sie gegen den Erwerber und nur gegen diesen gelten soll. Daraus allein eigentümerähnliche Rechtspositionen abzuleiten würde dem Sinn des Rechtsinstituts zuwiderlaufen.
Es sind aber Argumente denkbar, den Schutz auch dann zugunsten des Vormerkungsberechtigten zu erweitern, wenn er gegen Handeln des Veräußerers vorgeht...
(+/-)

2. Eigentümerstellung wegen eines Anwartschaftsrechts
Die Vormerkung begründet eine solche Anwartschaft nicht - aber die unbedingte und unwiderrufliche Auflassung?
Spätestens soll sie mit Vormerkung ausreichen!

Sofern Räumung durch B Sinn macht, ist dies auf der Grundlage des Anwartschaftsrechts möglich!


E. Anspruch auf Beseitigung gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB

1. Eigentümerstellung siehe oben! => Anwartschaft reicht

2. Störer
B errichtet Hangar - er ist Anspruchsgegner

3. Beeinträchtigung in sonstiger Weise
Hangar (+)

4. Keine Duldungspflicht des H?

a. Vertrag mit K!

b. Wirkt es auch gegen H?
Vormerkung macht auch den Pachtvertrag unwirksam!
Auch wenn § 566 BGB hier nicht greift - Beeinträchtigung ist zu beseitigen! Im Übrigen kein Vertrag mit H.



F. Sonstige
=> § 861 BGB, § 862 BGB - nicht geeignet
=> § 1007 BGB - auch hier: Wiedereinräumung des Besitzes ist nicht gefragt
=> § 992 BGB, § 823 Abs. 1 BGB - verbotene Eigenmacht liegt nicht vor
=> § 823 Abs. 1 BGB direkt - wegen § 992 BGB nicht anwendbar!
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