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Fallbeispiel: Übernahme der EWB-Bank

Klausurfall für die Prüfung am 17. 07. 2009

A. Aufgabe

1. Falltext
Die Bank EWB (Extrem Wichtig für die Bundesrepublik) emittiert unter anderem festverzinsliche Wertpapiere und finanziert sich über Kredite, die sie unter anderem von Rentenversicherungen, Landesbanken und sonstigen Kreditinstituten erhält. Deshalb hat ihre Marktposition eine herausragende Bedeutung für die deutsche Rentenversicherung und für die Existenz der mit dem Staat verbundenen Kreditinstitute. Durch die Finanzkrise ist die Bank in eine Schieflage geraten, aus der sie nicht mehr aus eigener Kraft herauskommen kann. Der Vorstand und die Eigentümer der Bank wenden sich an die Bundesregierung und fordern Unterstützung.

Nachdem Finanzspritzen und Garantien des Bundes in Höhe von insgesamt 50 Milliarden EUR die Lage der Bank nicht wesentlich verbessert haben, entschließt sich die Bundesregierung, die Bank zwangsweise zu übernehmen. Die Regierungsparteien halten es nicht mehr für vertretbar, Steuergelder einem privaten Finanzinstitut zur Verfügung zu stellen und ausschließlich Risiken zu tragen. Im Falle der staatlichen Übernahme wäre eine Sanierung mit weiteren Staatsgarantien möglich. Es wird ein Gesetz erlassen, auf dessen Grundlage:
  • Banken in das Eigentum des Bundes übernommen werden können, sofern sie "systemimmanent" für den deutschen Finanzmarkt sind, und nicht aus eigener Kraft fortbestehen können,
  • die Bundesregierung per Kabinettsbeschluss die Übernahme einer Bank im o. g. Sinne erklären kann.
Das Gesetz sieht für die Eigentümer eine Vergütung, die im Falle der Übernahme durch die Bundesrepublik zu zahlen ist und die auf der Grundlage des durchschnittlichen Aktienkurses der Bank aus den letzten 3 Monaten vor Übernahme ermittelt wird. Den (Alt)Eigentümern wird ein Vorkaufsrecht zugebilligt, falls die Bank nach einer erfolgreichen Sanierung wieder privatisiert wird.

Der US-Bürger A ist Großaktionär der Bank EWB. Er behauptet, er hätte im Falle der Übernahme seiner Aktien durch den Bund einen beachtlichen Schaden erlitten, weil er für die Aktien insgesamt 20 Milliarden EUR bezahlt hatte, sie zwischenzeitlich bereits über 40 Milliarden EUR wert waren,
seit Monaten der Börsenwert seiner Aktien nicht einmal eine Milliarde EUR erreicht. Deshalb hält er das Gesetz für verfassungswidrig und möchte dagegen vorgehen. Insbesondere sieht er sich in seinen Grundrechten verletzt.

2. Fragen
Ist das Gesetz verfassungsgemäß?

3. Bearbeitervermerk
Es ist ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu erstellen. Bitte formulieren sie klar und gemäß den Regeln des Gutachtenstils. Schöpfen Sie den Sachverhalt aus! Für eine sehr gute Arbeit sind nicht nur die grundrechtlichen Fragen zu erläutern, sondern auch die sonstigen, im Sachverhalt erkennbaren verfassungsrechtlichen Probleme zu berücksichtigen.


B. Musterlösung

1. Obersatz
Jedem Gutachten oder jedem wesentlichen Teil eines Gutachtens ist ein Obersatz voranzustellen.

Es ist zu prüfen, ob das Gesetz zur Übernahme notleidender Banken durch den Staat verfassungsgemäß. Das Gesetz wäre verfassungsgemäß, wenn es in formeller und in materieller Hinsicht verfassungsgemäß wäre.

2. Formelle Verfassungsmäßigkeit
Das Gesetz ist formell verfassungsgemäß, wenn es durch den zuständigen Gesetzgeber, in einem verfassungsgemäßen Verfahren erlassen und gemäß dem Grundgesetz (in richtiger Form) ausgefertigt wurde. Da im Sachverhalt keine Anhaltspunkte zu Mängeln im Verfahren oder der Form des Gesetzes enthalten sind, stellt sich an dieser Stelle lediglich die Frage, inwiefern das Gesetz durch den zuständigen Gesetzgeber erlassen wurde. Im Sachverhalt wurde das Gesetz im Zusammenhang mit Debatten und Maßnahmen der Bundesregierung und der Regierungsparteien auf Bundesebene beschrieben. Es ist somit davon auszugehen, dass es sich dabei um ein Bundesgesetz handelt.

Es ist zu fragen, ob der Bund zum Erlass eines Gesetzes befugt ist, in dem die Übernahme einer privaten Bank in staatliche Hand geregelt ist. Der Bund hat Gesetzgebungskompetenz, wenn er i. S. d. Art. 71 ff. GG zuständig ist. Dabei kann sich seine Zuständigkeit aus der ausschließlichen oder aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergeben.

a. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes
Der Bund ist kraft ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz zuständig, wenn ihm gemäß Art. 73 GG oder gemäß einer anderen Norm des Grundgesetzes ein Regelungsgebiet ausdrücklich zugewiesen wurde und er (der Bund) auf diesem Gebiet keine Ermächtigung für die Länder vorgesehen hat.
Im Katalog des Art. 73 GG ist keine Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der Übernahme von Banken durch den Bund vorgesehen. Auch in den übrigen Vorschriften des Grundgesetzes ist eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für derartige Fälle ersichtlich. Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ist damit ausgeschlossen.

b. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes
Der Bund ist im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit befugt, Gesetze zu erlassen, wenn ihm ein konkretes Sachgebiet der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit im Grundgesetz, insbesondere in Art. 74 GG, zugewiesen wurde und - sofern notwendig - ein Erfordernis einer bundeseinheitlichen Regelung nach Art. 72 Abs. 2 GG besteht.

Gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG steht dem Bund konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Hinblick auf das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt. Daraus ist zu schließen, dass die Übernahme einer Bank in staatliche Hand durch den Bund geregelt werden kann, sofern sich der Bund auf eine Kompetenzzuweisung in Art. 73 und 74 GG im Hinblick auf das entsprechende Sachgebiet an sich - hier: Recht der privaten Banken - berufen könnte.

Da dem Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Hinblick auf das Recht der Wirtschaft, unter anderem der Banken zusteht, ist auch eine Regelung der Enteignung durch den Bund in dieser Hinsicht nach Nr. 14 ebenfalls zulässig. Der Bund war für den Erlass des Gesetzes zuständig.

c. Zwischenergebnis
Da der Bund zum Erlass des Gesetzes zuständig war und keine sonstigen formellen Fehler vorliegen, ist das Gesetz formell verfassungsgemäß.


3. Materielle Verfassungsmäßigkeit
Es ist zu prüfen, ob das Gesetz auch materiell den Anforderungen der Verfassung entspricht. Das Gesetz ist materiell verfassungsgemäß, wenn es allen speziellen und allgemeinen Anforderungen der Verfassung an Gesetzgebungsakte entspricht, insbesondere nicht gegen Grundrechte verstößt. Hier kommt ein Verstoß gegen Art. 14 GG in Betracht, der nachstehend zu prüfen ist.

Die fraglichen Regelungen des im Sachverhalt dargestellten Gesetzes zur Übernahme von Banken verstoßen gegen Art. 14 GG, wenn sie in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie eingreifen, ohne dass dies verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

a. Schutzbereich des Art. 14
A ist zwar ein Staatsbürger der USA, jedoch beschränkt sich der persönliche Schutzbereich des Art. 14 GG nicht nur auf deutsche Staatsangehörige, sondern stellt eine für alle Rechtssubjekte gleichermaßen gewährte Eigentumsgarantie dar. Damit ist der Schutzbereich in subjektiver (persönlicher) Hinsicht für den A eröffnet.

In sachlicher Hinsicht ist das Eigentumsgrundrecht anwendbar, wenn Eigentum im Sinne des Art. 14 GG betroffen ist. A macht hier geltend, dass möglicherweise sein Eigentumsrecht an den Anteilen an der EWB-Bank betroffen ist. Zwar handelt es sich dabei nicht um traditionelles (Sach-)Eigentum im Sinne des Privatrechts. Als Eigentum im Sinne des Art. 14 ist allerdings jedes (zumindest private) subjektive Recht zu verstehen, das vermögenswerten Charakter hat. Die Anteile an einem Unternehmen, in diesem Falle Aktien, sind private Rechtspositionen, die dem A im Rahmen seiner Aktionärsstellung zustehen. Sie haben einen konkreten Wert, der auch am Marktwert der Papiere erkennbar ist. Damit sind Aktien des A Eigentum im Sinne des Art. 14 I GG.

Damit ist auch der Schutzbereich des Art. 14 GG betroffen.

b. Eingriff
Der Eingriff in die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes kann zum Einen durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung erfolgen, zum Anderen durch eine Enteignung. Dabei handelt es sich um zwei separat zu bewertende Eingriffsmöglichkeiten, deren Zulässigkeit nach jeweils anderen Regeln zu prüfen ist. Hier kommt eine Enteignung in Betracht.

Das Gesetz sieht zwar nicht selbst unmittelbar eine Enteignung vor, es stellt jedoch eine gesetzliche Grundlage für eine Administrativenteignung (durch die Bundesregierung) dar und kann einen enteignenden Eingriff in das Eigentum bedeuten, wenn die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen als Enteignung zu bewerten sind.

Eine Enteignung liegt vor, wenn der Staat einen zielgerichteten Eingriff auf das Eigentum in der Weise vornimmt, dass die Rechtsposition dem bisher berechtigten Eigentümer entzogen wird. Beim diesem Akt darf es sich allerdings nicht um eine Nebenwirkung der staatlichen Maßnahme handeln, es soll vielmehr ein Interesse des Staates am übernommenen Gut bestehen, es muss mit anderen Worten zumindest auch ein Akt der hoheitlichen Beschaffung sein.

Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Übernahme von Anteilen bestimmter Privatbanken vor. Mit einem Verwaltungsakt der Regierung soll das Eigentum an den Anteilen an der Bank übergehen. Damit liegt in der im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge ein zielgerichteter Zugriff auf Privateigentum vor. Infolge dieser Maßnahme wird die Rechtsposition des bisherigen Eigentümers diesem auch entzogen, nicht nur eingeschränkt - einschließlich der Möglichkeit der Verwertung seiner Rechte.
Das Gesetz sieht die Übernahme der Bank vor, damit die Liquidität staatlicher Stellen nicht gefährdet wird und damit die öffentlichen Kassen (z. B. Rentenversicherung) keinen Schaden erleiden. Der Staat ist deshalb an der Erhaltung der betroffenen Banken interessiert und handelt im Falle seines Einschreitens auf der Grundlage des fraglichen Gesetzes zur Beschaffung von Liquidität bzw. zur eigenen Absicherung.

Es ist somit festzustellen, dass die auf der Grundlage des Gesetzes vorgesehenen Maßnahmen einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit darstellen. Der Eingriff würde in Form einer Enteignung erfolgen.

c. Keine Rechtfertigung
Fraglich ist, ob die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind. Eine Enteignung im Schutzbereich des Art. 14 GG ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie in oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung und zum Wohl der Allgemeinheit erfolgt. Ferner ist erforderlich, dass die betreffende gesetzliche Regelung gleichzeitig eine Entschädigungsregelung enthält und auch im Übrigen verfassungsgemäß ist.

Gesetzliche Grundlage
Die Enteignung ist in einem Parlamentsgesetz vorgesehen, so dass eine gesetzliche Grundlage vorliegt.

Zum Wohl der Allgemeinheit
Es stellt sich die Frage, inwiefern die Übernahme der Bank auf der Grundlage des Gesetzes zum Wohl der Allgemeinheit in verhältnismäßiger Weise erfolgt. Sowohl aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes wie auch aus den im Gesetz statuierten Voraussetzungen (systemimmanent + gefährdet) ist zu entnehmen, dass das Gesetz die Finanzierung der Bundesrepublik und die Existenz vieler Staatsbanken sichern soll sowie eine Reihe öffentlicher Kassen vor Schäden bewahren soll. Ohne Sicherung der Liquidität des Staates, Absicherung seiner Banken und Kassen ist die Funktionsfähigkeit der staatlichen Strukturen gefährdet und es sind zumindest erhebliche Ausfälle beim Fiskus zu befürchten, also Steuergelder können vernichtet werden. Dagegen vorzugehen ist vom Wohl der Allgemeinheit gedeckt.

Durch die Übernahme einer systemimmanenten aber gefährdeten Bank werden die oben genannten Ziele des Allgemeinwohls in geeigneter Weise verfolgt - eine Bank in staatlicher Hand ist weitgehend vor Insolvenz geschützt und ihre Zahlungsunfähigkeit ist kaum zu befürchten. Es fragt sich jedoch, ob dies erforderlich ist, das Ziel zu erreichen. Laut Sachverhalt sind auch Finanzhilfen an eine Privatbank möglich, in Vergangenheit allerdings im Falle der EWB nicht wirksam gewesen. Dies deutet darauf hin, dass ohne Übernahme durch öffentliche Hand eine Rettung jeweils sehr schwer werden kann. Darüber hinaus kommt ein milderes Mittel, das nicht tragfähig und möglich ist, nicht beachtlich - auf eine endlose Verwendung von Steuergeldern für eine private Bank, so dass der Fiskus Risiken ohne Gegenleistung übernimmt, besteht kein Anspruch. Deshalb ist diese - an sich wohl mildere - Alternative nicht denkbar, also nicht möglich.
Im Hinblick auf die Frage der Angemessenheit der Maßnahme ist zu berücksichtigen, dass das Interesse eines Aktionärs einer Bank in erster Linie monetären Charakter hat - er investiert in eine Gesellschaft, weil er sich in der Regel entweder Dividende oder Wertsteigerung des Investments verspricht. Im Falle einer gefährdeten Bank sind beide Ziele für den Investor kaum erreichbar - eine Wertsteigerung ist nur noch schwer vorstellbar und Dividende wird es in der Regel nicht mehr geben. In diesem Fall ist der Investor in der Regel an der Begrenzung von Verlusten interessiert. Sofern also eine angemessene Entschädigung vorgesehen ist, ist eine Regelung dieser Art angemessen.

Damit ist die Regelung einer Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit in verhältnismäßiger Weise erfolgt.

Gegen Entschädigung
Das Gesetz berücksichtigt das Interesse der Bankaktionäre insofern, als es eine Entschädigung in Höhe des Marktwertes über einen bestimmten Zeitraum vor der Übernahme in staatliche Hand vorsieht.



Zwischen den Interessen der Aktionäre und der Allgemeinheit besteht auf der Grundlage des Gesetzes ein ausgew


d. Zwischenergebnis
Da weder ein Verstoß gegen die Grundrechte ersichtlich ist noch ein sonstiger Verfassungsverstoß vorliegt, ist das Gesetz materiell verfassungsgemäß.

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