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Entflechtung der Netzbetreiber


A. Zielsetzung
Die Liberalisierung der Energiewirtschaft im Bereich der Stromerzeugung / Gasgewinnung auf der einen und des Energievertriebs auf der anderen Seite ist nur möglich, wenn die Netze allen Marktteilnehmern nach gleichen Regeln zur Verfügung stehen. Eines der notwendigen Elemente der Liberalisierung ist demzufolge die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Netzbetreiber.
Gemäß § 6 EnWG sind vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen und rechtlich selbständige Betreiber von Elektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen zur Gewährleistung von Transparenz verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Unabhängigkeit der Netzbetreiber von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung nach den §§ 6 bis 10e EnWG sichergestellt werden. Die durch die Entflechtung erreichte Transparenz führt erst dazu, dass die diskriminierungsfreie Abwicklung der Netzbetriebe sichergestellt bzw. effektiv kontrolliert werden kann und Quersubventionierungen aufgedeckt werden und unterbleiben. Dies dem letztendlich dem übergeordneten Ziel: der Herstellung wirksamen Wettbewerbs.

Wie eine solche Quersubventionierung entsteht, zeigt die nachstehende Abbildung:

 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/EnergieRUnbundling/folie_047.png)


B. Grundlagen

1. Rechtsquellen
Die Pflicht zur Entflechtung der Netzbetreiber resultiert aus europäischem Recht. Sie ist in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (RL 2009/72/EG) und in der Gasbinnenmarktrichtlinie (RL 2009/73/EG) vorgegeben.
Im deutschen Recht sind insbesondere §§ 6 ff. EnWG rechtliche Grundlage des Unbundling.


2. Adressat der Regelung: vertikal integriertes Unternehmen
Adressat des § 6 EnWG und zugleich Grund für die Anordung der Entflechtung durch den Gesetzgeber sind die vertikal integrierten Unternehmen. Zum Begriff des vertikal integrierten Unternehmens vgl. Lexikon.

Das vertikal integrierte Unternehmen unterliegt den Unbundlingvorgaben allerdings unter gewissen Voraussetzungen, Dabei sind die verschiedenen Formen des Unbundling unter bestimmten Umständen nicht einschlägig. Details klärt folgende Struktur:

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3. Pflichten aus Regelungen über die Entflechtung
Energieversorgungsunternehmen haben die Unbundlingvorgaben des EnWG zu befolgen. Ein Verstoß gegen die einschlägigen Vorschriften kann gemäß folgender Struktur geprüft werden, wobei die unterschiedlichen Formen des Unbundling nicht in allen Fällen einschlägig sind:

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4. Mögliche Formen der Entflechtung

 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/EnergieRUnbundling/Uebersicht1.png)

a. Buchhalterisches Unbundling
Das buchhalterische Unbundling, welches auch Unbundling of accounts genannt wird, ist im § 6b EnWG geregelt und sowohl von Verteilnetzbetreibern als auch von Transportnetzbetreibern anzuwenden.
Die buchhalterische Entflechtung verlangt von Energieversorgungsunternehmen in ihrer Rechnungslegung die Führung getrennter Konten für verschiedene Aktivitäten des Unternehmens (siehe § 6b Abs. 3 EnWG).
Die getrennte Kontoführung soll durch eine gesteigerte Transparenz der Kostenzuordnung zu einer besseren Vergleichbarkeit der Tarife führen, die das integrierte Unternehmen von Wettbewerbern verlangt und den Kosten, die es innerhalb des Unternehmens kalkulatorisch in Rechnung stellt. Eine Überprüfung der getrennten Kontoführung erfolgt nach § 6b Abs. 5 EnWG.
Die buchhalterische Entflechtung greift somit nicht in die Struktur des Unternehmens ein, sondern bewirkt lediglich eine virtuelle Trennung bei diesem.


b. Informationelles Unbundling
Das informationelle Unbundling, welches in § 6a EnWG geregelt ist, muss von Verteilnetz- und Transportnetzbetreibern zwingend angewandt werden. § 6a EnWG verpflichtet zur getrennten Verwendung betriebswichtiger Informationen. Ziel ist es, aus dem Betrieb der Netze resultierende Informationsvorsprünge der vertikal integrierten Unternehmen gegenüber den nicht integrierten Wettbewerbern auf den dem Netzbetrieb vor- bzw. nachgelagerten Märkten auszuschließen. Im Energiesektor geht es dabei etwa um ökonomisch wertvolle Kenntnisse über an das Netz angeschlossene Verbraucher, die im Rahmen des Netzbetriebs gewonnen und auf den Märkten der Erzeugung bzw. des Energievertriebs zulasten der dort ebenfalls agierenden Wettbewerber nutzbar gemacht werden könnte. Insoweit kann die informationelle Entflechtung partiell bereits eine unechte strukturelle Trennung verschiedener Bereiche des Unternehmens bewirken.
§ 6a EnWG enthält zwei verschiedene Anwendungsbereiche der Informationstrennung. Abs. 1 befasst sich mit der Vertraulichkeitswahrung von Netznutzerinformationen, Abs. 2 der Vorschrift regelt hingegen den Umgang mit Netzinformationen. Der Hauptunterschied in der Rechtsfolge liegt darin, dass erstere Informationen in jedem Falle vertraulich zu wahren sind, letztere dagegen unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung offen gelegt werden können.



c. Organisatorisches Unbundling
Auch die Entscheidungsfindung im Unternehmen kann - sofern sie für den Netzbetrieb und z. B. für den Energievertrieb aus einer Hand erfolgt - zur Besserstellung der Vertriebssparte eines integrierten Unternehmens gegenüber Außenstehenden führen. Deshalb sieht das organisatorische Unbundling vor, dass der Netzbetrieb in einer getrennten, unabhängigen organisatorischen Einheit verantwortet wird. Es geht dabei nicht nur um Transparenz, sondern vor allem auch um weitestgehende Unabhängigkeit des Netzbereichs innerhalb des Unternehmens (Koenig / Kühling / Rasbach - Energierecht, S. 142).


d. (Gesellschafts-)Rechtliches Unbundling
Das rechtliche Unbundling, welches auch als legal Unbundling bezeichnet wird, ist im § 7 EnWG geregelt und nur von Verteilnetzbetreibern anzuwenden. „De-minimis-Unternehmen“ sind nach § 7 Abs. 2 EnWG vom rechtlichen Unbundling befreit.
Dieses verlangt eine vollständige gesellschaftsrechtliche Trennung der netzbetrieblichen Aktivitäten von den übrigen energiewirtschaftlichen Tätigkeiten eines Energieversorgungsunternehmens, wobei das Gesetz aber keine bestimmt Rechtsform vorschreibt. Auf diese Weise wird dem Netzbetrieb auch eine in gewisser Hinsicht eigenständig agierende Geschäftsleitung vorangestellt.
Ziel dieser Entflechtung ist es, die Transparenz nochmals bei den wechselseitigen Beziehungen zwischen den Sparten zu erhöhen, um die Kontrolle der Quersubventionierungen und Diskriminierung zu erleichtern.
Die rechtliche Entflechtung führt somit zu einer unechten strukturellen Trennung verschiedener Unternehmensbereiche und nicht zu einer eigentumsrechtlichen Abtrennung der betroffenen Netzsparten.


e. Eigentumsrechtliches Unbundling
Das eigentumsrechtliche Unbundling, welches auch Ownership Unbundling genannt wird, ist im § 8 EnWG geregelt. Diese Form der Entflechtung ist die eingriffintensivste, welche aber nur von Transportnetzbetreibern angewandt werden muss.
Die eigentumsrechtliche Entflechtung verlangt eine vollständige, auch eigentumsrechtliche Trennung der verschiedenen Sparten eines integrierten Unternehmens.
Ziel dieses Unbundlings ist die Unterbindung von Diskriminierungsanreize, welches zur Folge hat, dass es zu einer echten strukturellen Trennung der verschieden Tätigkeitsebenen kommt, wobei das vertikal integrierte Unternehmen alle formalen Eigentumsrechte an den auszugliedernden Netzsparten verliert. Dies steht jedoch im Konflikt zu Art. 14 GG, in welchem eine verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie vorgesehen ist.
Transportnetzbetreiber haben die Möglichkeit das eigentumsrechtliche Unbundling durch die Benennung eines unabhängigen Systembetreibers nach § 9 EnWG oder eines unabhängigen Transportnetzbetreibers nach § 10 EnWG zu umgehen. Bei dem Modell des unabhängigen Systembetreibers, welcher auch als ISO (Independent System Operator) bezeichnet wird, verbleibt das gesamte Netzeigentum beim Mutterkonzern, wobei für den gesamten Netzbetrieb ein Art Treuhänder verantwortlich ist, der von den Produktions- und Vertriebsinteressen des Mutterkonzerns genauso unabhängig ist, wie ein eigentumsrechtlich entflochtener Netzbetrieb. Bei dem Modell des unabhängigen Transportnetzbetreibers, welcher auch als ITO (Independent Transmission Operator) bezeichnet wird, bleiben die Netze weiterhin im Eigentum der Tochtergesellschaft, der Mutterkonzern darf aber die Hälfte plus einen der Aufsichtsratmitglieder selbst bestimmen.


 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/EnergieRUnbundling/folie_050.png)


C. Fallbeispiel
Das Gasversorgungsunternehmen Primagas (P) versorgt in der Region seiner Hauptniederlassung Kunden mit Erdgas. In einigen weiteren Regionen verfügt das Unternehmen über mehrere kleinere Standorte, an denen weitere Kunden mit Erdgas versorgt werden. Das vertikal integrierte Unternehmen verfügt über eine Vertriebsabteilung, die bundesweit Gas anbietet. Das Gas wird überwiegend vom russischen Partner bezogen (Gasimport). Darüber hinaus verfügt P über ein Gasversorgungsnetz in der Stadt der Hauptniederlassung, aus dem ca. 80.000 Kunden versorgt werden.

Derzeit überlegt die Geschäftsleitung den Erwerb eines weiteren Unternehmens, das ein Gasversorgungsnetz in einer anderen Region Deutschlands betreibt, an welches insgesamt weitere 40.000 Kunden angeschlossen sind. Dabei ist die Frage aufgetreten, inwiefern P eine Entflechtung des Netzbetriebes und entsprechende Trennung von anderen Unternehmenssparten (insbesondere vom Vertriebsbereich) vollziehen muss.

Deshalb stellt die Geschäftsleitung von P die Frage:
1. Inwiefern ist P verpflichtet, die Entflechtungsregelungen im eigenen Unternehmen umzusetzen?
2. Wie ändert sich die Situation durch den o. g. Erwerb eines weiteren Gasversorgungsunternehmens?

1. Inwiefern hat P Entflechtungsregelungen umzusetzen?
P muss Regelungen über die Entflechtung befolgen, wenn er zu den Adressaten der entsprechenden Regelungen (§§ 6 ff. EnWG) gehört. Dies ist dann der Fall, wenn P:
    • ein vertikal integriertes Unternehmen i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG ist und
    • keine zugunsten P gesetzlichen Unbundlingausnahmen gelten.

a. Vertikal integriertes Unternehmen
Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 38 EnWG sind in folgender Struktur erfasst. Demnach finden die Unbundlingregeln auf P Anwendung, wenn P:
      • als einzelne Gesellschaft oder im Konzernverbund tätig ist und
      • sowohl Netzbetrieb (oder andere in § 3 Nr. 38 EnWG genannten Tätigkeiten) wie auch Energievertrieb innehat.
Im Falle des Unternehmens P handelt es sich um ein Gasversorgungsunternehmen. Es besitzt sowohl ein Gasnetz sowie auch Gasvertrieb, wodurch es sich um ein vertikal integriertes Unternehmen handelt.

b. Ausnahmen von der Pflicht zur Entflechtung
In § 7 Abs. 2 EnWG, in § 7a Abs. 7 EnWG sowie in weiteren Vorschriften sind Ausnahmen enthalten, bei deren Vorliegen Unbundlingregeln nicht anzuwenden sind.

    • Allgemein ausgeschlossen ist die Pflicht zur Entflechtung dann, wenn das Energieversorgungsunternehmen nur sog. Objektnetze i. S. d. § 110 EnWG betreibt. Dies sind Netze, die für einen beschränkten Abnehmerkreis bestimmt sind - insbesondere Netze zur Versorgung einzelner Industriekunden o. ä.. P versorgt die Allgemeinheit in der Umgebung seiner Hauptniederlassung mit Gas, weshalb die Ausnahme des § 110 EnWG nicht greift.

    • Im Ãœbrigen gelten die Ausnahmen von der Pflicht zur Entflechtung nur im Hinblick auf einzelne Pflichten (vgl. auch folgende Struktur). Während §§ 6a und 6b EnWG uneingeschränkt gelten, sind die Pflichten aus § 7 EnWG (legal unbundling) sowie aus § 7a EnWG (management unbundling) nur dann einschlägig, wenn:
      • kein Fall des § 6 Abs. 1 S. 3 EnWG vorliegt (Speicher- und LNG-Anlagen) - hier nicht der Fall;
      • die de-minimis-Regelung nicht greift (§ 7 Abs. 2 EnWG bzw. § 7a Abs. 7 EnWG) - was detailiert geprüft werden muss.

Die sog. de-minimis-Regelung schließt die Anwendung der §§ 7 und 7a EnWG aus. Demnach gilt für kleinere Versorger (unter 100.000 angeschlossene Kunden) keine Verpflichtung, rechtliches oder organisatorisches Unbundling (Details siehe oben) einzuführen. Bis zur geplanten Übernahme hat P 80.000 Kunden, was eindeutig weniger als 100.000 Kunden sind, weshalb diese Pflichten für P nicht in Betracht kommen.
Ungeachtet dessen ist P verpflichtet, das buchhalterische und informationelle Unbundling im Unternehmen umzusetzen! Die einzelnen daraus folgenden Pflichten sind hier zusammengefasst.


2. Welche Änderung der Rechtslage tritt durch Erwerb eines weiteren Netzes ein?
Die Übernahme durch P eines Unternehmens, welches weitere 40.000 Kunden versorgt könnte die Anwendbarkeit der Vorschriften über rechtliches und organisatorisches Unbundling zur Folge haben, sofern in diesem Fall die de-minimis-Regelung nicht mehr greifen sollte.
Die Klausel des § 7 Abs. 2 EnWG (ebenso wie die des § 8 Abs. 6 EnWG) bezieht sich allerdings nicht auf die Gesamtsumme der Kunden eines Unternehmens, sondern auf die an ein bestimmtes, abtrennbares Netz angeschlossenen Kunden. Zwar sind die Kundenanschlüsse innerhalb einer Unternehmensgruppe zu addieren. Sind die im Konzern bzw. innerhalb eines Unternehmens vorhandenen Netze nicht physisch verbunden, werden sie einzeln gerechnet.

Demnach ändert sich durch die Übernahme eines in einer anderen Region ansässigen Gasversorgers durch P nichts aus Sicht des Unbundling - P und seine neue Tochtergesellschaft unterliegen nur den Pflichten aus §§ 9 und 10 EnWG, nicht hingegen den §§ 7 und 8.

D. Fazit
Durch eine Trennung der Ãœbertragungs- und Verteilnetzbetriebe von den übrigen Geschäftsbereichen eines integrierten Energieversorgungsunternehmens stellt die Entflechtung die Transparenz her, die einen tatsächlichen diskriminierungsfreien Netzzugang ermöglicht. Ferner sollen die Entflechtungsvorschriften aber auch zu einer Verringerung von Diskriminierungs- und Quersubventionsanreizen außerhalb des Bereichs der unmittelbaren Netzzugangsgewährung und der Entgeltbildung beitragen. Sie fungieren damit neben der Zugangs- und Entgeltregulierung als „dritte Säule“ des energiewirtschaftsrechtlichen Instrumentariums zur Herstellung unverfälschten Wettbewerbs auf den dem Netzbetrieb vor- bzw. nachgelagerten Märkten der Stromerzeugung / Gasgewinnung und des Energievertriebs.




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