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Wirtschaftsprivatrecht II


Fall 40 - Klage



Handwerker H hatte bei der Witwe W einige Reparaturarbeiten im Badezimmer vorgenommen und ihr nach Abschluss der Arbeiten am 28.4.2003 die Rechnung ausgehändigt. In der Rechnung hatte H detailliert die Kosten aufgelistet und seine Kontonummer angegeben, weitere Angaben wurden jedoch nicht gemacht. Einige Wochen später musste H bei der Überprüfung seiner Kontoauszüge feststellen, dass W immer noch nicht gezahlt hatte. Er beauftragte daher seinen Anwalt mit der Geltendmachung der Forderung. Dieser forderte die Wam 13.6.2003 brieflich auf, den Rechnungsbetrag zuzüglich 5 % Zinsen seit Ausstellung der Rechnung und die Kosten für dieses anwaltliche Schreiben i.H.v. 25,- € bei Meidung einer Klage zu zahlen.

Muss die W, die aus Schusseligkeit die Rechnung des H vergessen hatte, neben den Kosten für die Reparaturarbeiten nun auch die Zinsen und Rechtsanwaltskosten bezahlen?



Lösung


1. Anspruch des H gegen W auf Zahlung der Zinsen gem. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB
H könnte gegen W einen Anspruch auf Zinszahlung gem. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB ab dem 28.4.2003 haben. Dann müsste der Anspruch zunächst entstanden sein. Er ist entstanden, wenn sich W mit einer Geldschuld seit dem 28.4.2003 in Verzug befunden hat. Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag (§ 631 BGB) resultiert ein Vergütungsanspruch gem. § 631 Abs. 1 BGB. Mithin existiert eine Geldschuld. Die Schuldnerin müsste sich seit dem 28.4.2003 in Verzug befunden haben. Fraglich ist, ob ein fälliger einredefreier Anspruch (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB) besteht. H und W haben einen Werkvertrag (§ 631 BGB) geschlossen. Hieraus resultiert ein Anspruch des H auf Zahlung der Vergütung gem. §631 Abs. 1 BGB. Außerdem müsste der Anspruch fällig sein. Gem. § 641 Abs. 1 S. 1 BGB wird die Vergütung fällig mit Abnahme des Werkes, hier also am 28.4.2003. Der fällige Anspruch müsste einredefrei sein. Einreden der W gegen den Anspruch des H sind hier jedoch nicht ersichtlich. Also besteht ein fälliger einredefreier Anspruch. Weiterhin ist eine Mahnung gegenüber dem Anspruchsgegner erforderlich, § 286 Abs. 1 BGB. Eine Mahnung erfordert die dringende und bestimmte Aufforderung zur Leistung. H hat durch seinen Anwalt erst durch das Schreiben vom 13.6.2003 die W dringend aufgefordert, den Betrag für die Reparaturarbeiten zu entrichten. Auch hiernach hat die W noch nicht gezahlt. Das bedeutet, dass erst ab diesem Zeitpunkt die W in Verzug geraten wäre und die W daher auch erst ab diesem Zeitpunkt zur Zahlung von Zinsen verpflichtet wäre. Möglicherweise könnte man jedoch schon in der bloßen Aushändigung der Rechnung durch H am 28.4.2003 eine Mahnung erblicken. Die Rechnung hat jedoch nur die Funktion, dem Schuldner den Umfang seiner Schuld zur Kenntnis zu bringen. Im Übrigen ergibt sich die nicht mahnende Wirkung einer Rechnung bereits aus § 286 Abs. 3 BGB. Demnach würde hier der Verzug erst am 13.6.2003 eingetretensein, wenn nicht hier ausnahmsweise eine Mahnung entbehrlich war. Die in § 286 Abs. 2 BGB genannten Ausnahmen liegen hier jedoch nicht vor. Denkbar könnte hier jedoch sein, dass W gem. § 286 Abs. 3 BGB automatisch schon vorher in Verzug geraten ist. Würden die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, wäre W bereits nach 30 Tagen, also am 28.5.2003 in Verzug geraten. Dann müsste W zunächst Schuldnerin einer Entgeltforderung sein. Entgeltforderungen sind solche Forderungen, die auf Zahlung eines Entgelts für die Lieferung von Güternoder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet sind. Die Reparaturarbeiten des H beinhalteten die Erbringung von Dienstleistungen. Die hierdurch entstandene Forderung gegen die W stellt somit eine Entgeltforderung i.S.d. § 286 Abs. 3 S. 1 BGB dar. Außerdem dürfte der Schuldner innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung nicht geleistet haben. Dies ist hier der Fall. Aus § 286 Abs. 3 S. 1 2. Hs. BGB ergibt sich jedoch, dass gegenüber einem Verbraucher ein gesonderter Hinweis auf diese Rechtsfolgen in der Rechnung erforderlich ist. W ist Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB. Ein besonderer Hinweis durch H ist jedoch nicht erfolgt. Somit bleibt es bei einem Verzugeintritt ab dem 13.6.2003. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn W den Umstand, infolge dessen die Zahlung unterblieben ist, zu vertreten hat, § 286 Abs. 4 BGB. Das Vertretenmüssen richtet sich grundsätzlich nach §§ 276, 278 BGB. Es wird angenommen, wenn sich der Schuldner nicht exkulpieren kann. W hat die Zahlung aus Schusseligkeit und somit aufgrund von Fahrlässigkeit versäumt. Für ein Nichtvertretenmüssen gibt es keine Anhaltspunkte. Nach § 288 Abs. 1 S. 2 BGB beträgt der Zinsanspruch 5 % über dem Basiszinssatz (§ 247 Abs. 1 S. 1 BGB). Ab dem 13.6.2003 besteht also ein Zinsanspruch i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz gem. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

2. Anspruch des H gegen W auf Zahlung der Zinsen gem. § 641 Abs. 4 BGB Allerdings hat W gem. § 641 Abs. 4 BGB von der Abnahme des Werkes an die geschuldete Vergütung ohne Rücksicht auf Verzug zu verzinsen, sofern nicht die Vergütung gestundet ist. Da ihr keine Stundung gewährt worden ist, besteht also auch hierüber ein Zinsanspruch. Der Zinssatz beträgt gem. § 246 BGB 4 %.

3. Anspruch des H gegen W auf Zahlung der Anwaltskosten gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB H könnte gegen W einen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB (Ersatz der Anwaltskosten) haben. Dies setzt zunächst gem. § 280 Abs.1 S. 1 ein wirksames Schuldverhältnis zwischen den Parteien voraus. H und W haben einen Werkvertrag (§ 631 BGB) geschlossen, ein Schuldverhältnis liegt also vor.
Für einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung müssten gem. § 280 Abs. 2 BGB die Voraussetzungen des § 286 BGB vorliegen. Der Schuldner müsste sich also in Verzug befinden, § 286 Abs. 1 BGB. Wie bereits festgestellt wurde ist dies der Fall. Also liegen die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB vor. Darüber hinaus müssten die weiteren Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB erfüllt sein. Der Anspruchsgegner müsste eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt haben, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Aus dem Werkvertrag resultiert die Pflicht des Bestellers bei Fälligkeit die Vergütung zu zahlen. Dies hat W aber nicht getan, es fehlt also an der Erfüllung einer primären Leistungspflicht. Eine Verletzung einer Pflicht ausdem Schuldverhältnis liegt also vor. Außerdem müsste der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten haben, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Es ergeben sich hier keine Unterschiede zum oben nach § 286 Abs. 4 BGB festgestellten Vertretenmüssen. G hat die Pflichtverletzung also zu vertreten.

Anm.: In diesem Fall ergeben sich keine Unterschiede zwischen dem Vertretenmüssen im Rahmen von § 280 Abs. 1 S. 2 und § 286 Abs. 4. Im Allgemeinen konkretisiert § 286 Abs. 4 aber den Zeitpunkt, für den sich der Schuldner exculpieren muss. Abzustellen ist bei § 286 Abs. 4 nicht auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung i.S. des § 280 Abs. 1 S. 1 (d. h. die Nichtleistung bei Fälligkeit), sondern auf den Zeitpunkt, in dem alle Voraussetzungen des Verzugs vorliegen. Fraglich ist aber, ob H durch die Pflichtverletzung einen Schaden erlitten hat. Bei einer erfolgten Leistung ab Fälligkeit hätte H nicht die 25,- € für die Inanspruchnahme des Rechtsanwaltes zu zahlen. Ersatzfähig sind jedoch nur die Schäden nach Eintritt des Verzugs, ersatzfähig sind aber nicht Aufwendungen, die gemacht wurden, um den Verzug herbeizuführen. Somit liegen die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB nicht vor. H hat also gegen G keinen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gem.§§ 280 Abs. 1, 2, 286.













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