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Wirtschaftsprivatrecht II

Deliktischer Schadensersatz

Teil 1: Deliktische Schadensersatzansprüche



In beiden vorherigen Abschnitten ist mehrfach auf Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vertraglicher Pflichten eingegangen worden (z.B. §§ 280 Abs. 1-3, 281, 282, 283, 311a BGB sowie § 437 Nr. 3 BGB). Auch außerhalb von Verträgen kann es zu Verletzungen von Rechten, Rechtsgütern und Interessen kommen, z.B. im Straßenverkehr. In diesen Situationen fehlt es aber an einer Sonderverbindung zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten. Das Verhältnis zwischen ihnen muss gesetzlich geregelt werden, weil die Beteiligten sich häufig nur zufällig begegnen und nicht vor dem schädigenden Ereignis über die Bedingungen einer Haftung verständigen können; die Haftung muss hier auch ohne einen rechtsgeschäftlichen Willen der beteiligten eintreten. Das Gesetz hat diese Regelungen im sog. Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) geregelt. Von ihnen sollen hier nur auf die drei wichtigsten Anspruchsgrundlagen §§ 823 Abs.1, 823 Abs. 2 und 831 BGB eingegangen werden. Die im Medienrecht bedeutsamen Vorschriften §§ 824, 826 BGB wird später gesondert behandelt (Informations- und Kommunikationsrecht: Haftung für Informationen). Gleiches gilt die nur teilweise im BGB geregelte Haftung für fehlerhafte Produkte (ProdHaftG sowie Produzentenhaftung gem. § 823 Abs. 1 BGB); dies wird im Zusammenhang mit dem Techniksicherheitsrecht dargestellt. Die sonstigen deliktischen Haftungsregelungen haben für diesen Studiengang keine besondere Bedeutung. Die vorvertragliche Haftung nach §§ 311 Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB (s. dazu oben) liegt im Grenzbereich zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung.

Neben den genannten deliktischen Schadensersatzansprüchen werden noch die Grundzüge der §§ 249 ff. BGB als gesetzlichen des Schadensumfangsbehandelt. Die §§ 249 ff. BGB sind sowohl für vertragliche als auch für deliktische Schadensersatzansprüche anwendbar.

Die zentralste Vorschrift zum Deliktsrecht ist § 823 Abs. 1 BGB. Mit seinem sehr weitgefassten Anwendungsbereich erzielt § 823 Abs. 1 BGB einen angemessenen Ausgleich der meisten nichtvertraglichen Schadenszufügungen. Allerdings gleicht § 823 Abs. 1 BGB nicht alle Schäden aus; z.B. werden Vermögensschäden von dieser Vorschrift nicht erfasst. § 823 Abs. 2 BGB dient der zivilrechtlichen Absicherung der von einem gesetzlichen Verbot Geschützten gegen wirtschaftliche Folgen. § 831 BGB schließlich reagiert auf die häufige Situation, dass jemand einen Dritter für die Verrichtung von Arbeiten einsetzt und dieser Dritte einen anderen schädigt.




A. Allgemeiner deliktischer Schadensersatzanspruch, § 823 BGB



Der Prüfungsaufbau für den allgemeinen deliktischen Schadensersatzanspruch („große deliktische Generalklausel“) gem. § 823 Abs. 1 BGB ist sehr einfach:

        • Rechtsgutverletzung
        • Handlung
        • Haftungsbegründende Kausalität
        • Rechtswidrigkeit
        • Verschulden
        • Schadenseintritt
        • Haftungsausfüllende Kausalität

Die Probleme des deliktischen Schadensersatzanspruchs liegen vielmehr in den Einzelheiten.



1. Rechtsgutverletzung

Voraussetzungen

Es muss eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten absoluten subjektiven Rechtsgüter oder Rechte verletzt sein: Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und ein sonstiges Recht. Die ersten drei Positionen sind unveräußerlich und haften der entsprechenden Person dauerhaft; es handelt sich dabei um sog. Rechtsgüter. Insbesondere das Eigentum ist dagegen insgesamt oder in Teilen übertragbar, so dass man von einem Recht sprechen kann.

Leben ist das menschliche Leben; eine Verletzung dieses Rechtsgut liegt bei der Tötung eines Menschen vor. Anders als bei den anderen Rechten oder Rechtsgütern kann der Verletzte keinen Schadensersatzanspruch mehr geltend machen. Für die unterhaltsabhängigen Hinterbliebenen sieht § 844 Abs. 2 BGB eigene Ansprüche vor, ansonsten hat der Verletzer nur die Beerdigungskosten zu tragen (§ 844 Abs. 1 BGB). Einziger anderer finanzieller Ausgleich für Hinterbliebene ist ein in engen Grenzen anerkannter Schmerzensgeldanspruch des Verstorbenen für vor dem Tod erlittenes Leid, der dann auf die Erben übergeht.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:

Körper und Gesundheit werden in der Rechtspraxis häufig nicht als getrennte Rechtsgüter behandelt: die Körperverletzung führt zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung, die Verletzung der Gesundheit beeinträchtigt regelmäßig auch die körperlichen Funktionen. Allerdings sind psychische Verletzungen ausschließlich als Gesundheitsverletzungen zu behandeln. Bei der Beurteilung, ob eine Körper- und Gesundheitsverletzung vorliegt, spielt eine Vorschädigung oder besondere Schadensdisposition des Verletzten keine Rolle: der Schädiger muss das Opfer so nehmen, wie er es antrifft (BGHZ 20, 137, 139). Besondere Bedeutung haben sog. Schockschäden als psychisch vermittelte Gesundheitsverletzung:

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:

Besonders problematisch, weil auf einer stark emotional Basis stattfindenden ist die Frage eines Schadensersatzanspruchs bei fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbrüchen oder der Herbeiführung der Geburt eines vorgeburtlich schwer geschädigten Kindes. Unkritisch ist dabei ein Ersatz wegen Gesundheitsverletzungen der Mutter. Gleiches gilt für vertragliche Ansprüche gegen den Arzt. Fraglich ist aber, ob die Eltern Mehraufwendungen für das „unerwünschte“ Kind (so. wrongful birth) oder das Kind für die Belastung eines behinderten Lebens (sog. wrongful life) vom Arzt ersetzt verlangen können (vgl. zum Problem näher BGHZ 124, 128).

Mit Freiheit ist allein die körperliche Bewegungsfreiheit gemeint. Der Anwendungsbereich ist damit erkennbar klein. Das Zuparken eines Autos verletzt zwar die allgemeine Willensfreiheit des Eigentümers, aber nicht seine Bewegungsfreiheit: er kann sich ja zu Fuß oder mit anderen Verkehrsmitteln an sein Ziel gelangen.

Eigentum ist das umfassende Herrschaftsrecht über Sachen (vgl. § 903 BGB). Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff ist dabei vom verfassungsrechtlichen Begriff des Art. 14 Abs. 1 GG zu unterscheiden, weil bei diesem auch nicht körperliche Rechte sowie Erwerbsaussichten (z.B. zukünftige Rentenansprüche) erfasst sind. Entscheidend für eine Eigentumsverletzung sind also zunächst die Sachqualität eines Gegenstands gem. §§ 90, 90a BGB sowie die Berechtigung des Geschädigten. Klassische Fälle der Eigentumsverletzung ist die dem Eigentümer gegenüber wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten (vgl. §§ 892 f. 932 ff. BGB) sowie beim originären Eigentumserwerb durch Dritte an früher dem Eigentümer zuzuordnen Sachen (§§ 946 ff. BGB). Daneben sind die Sachbeschädigung und sonstige Substanzverletzungen sowie der Entzug des Besitzes durch Diebstahl oder Unterschlagung eine Eigentumsverletzung. Gleiches gilt für das Bestreiten einer Eigentümerstellung (vgl. die ähnliche Regelung in § 12 BGB). Problematisch ist die Eigentumsverletzung beim Fotografieren fremden Eigentums.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:

Ein weiteres Problem besteht bei den Fällen sog. mittelbarer Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigungen (z.B. „Besetzer“ von Häusern; Unterbrechung der Stromzufuhr zu einem Betrieb, BGHZ 41, 123). Hier fehlt es an einer Substanzverletzung, sondern der Eigentümer kann lediglich seine Eigentumspositionen nicht ausüben; dennoch wird vom BGH hier eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB bejaht, soweit die Verwendungsfähigkeit der Sache nahezu ausgeschlossen ist.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:

Neben diesen vom Gesetz mehr oder weniger klar umgrenzten Rechten und Rechtsgütern führt auch die Verletzung „sonstiger Rechte“ zu einem Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB. Welche Rechte hierunter im Einzelnen gehören, ist in der Rechtsprechung weitgehend ausdiskutiert. Erforderlich ist in jedem Fall, dass das sonstige Recht den in § 823Abs. 1 BGB genannten Rechten in ihrer Qualität als absolute Rechte entsprechen müssen, d.h. sie müssen dem Rechtsträger ausschließlich und dauerhaft zugeordnet sein und Dritte von der Nutzung ausschließen. Unter dieser Anforderung sind folgende Positionen als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.

Eigentumsähnliche Rechte:
in manchen Fällen haben Rechtspositionen (noch) nicht die Qualität von Eigentum erlangt, berechtigen aber ausschließlich den Rechtsinhaber und schließen Dritte von einer Nutzung aus. Wichtigstes Beispiel ist das Anwartschaftsrecht (BGHZ 55, 20, 25) z.B. aus einem Erwerb unter Eigentumsvorbehalt; hier hat der Erwerber schon so viel zum Eigentumserwerb getan, dass der Eigentümer die Position des Erwerbers nicht mehr einseitig zerstören kann, wenn dieser seine Pflichten aus dem Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt. Zu diesen Rechten gehören auch beschränkte dingliche Rechte wie Erbbaurecht, Nießbrauch etc. sowie Aneignungsrechte. Problematisch ist der Besitz, der eigentlich nur ein Forderungsrecht ist, aber dennoch – zumindest wenn eine entsprechende Berechtigung besteht wie beim Mieter, Pächter oder Leasingnehmer – von der h.M. als absolutes Recht anerkannt ist.

Immaterialgüterrechte:
Patente, Markenrechte, Urheberrechte oder die Firma gem. §§ 17 ff. HGB gewähren dem Rechtsinhaber die gleiche Position wie dem Eigentümer; diese Rechte unterstehen lediglich wegen ihrer fehlenden körperlichen Eigenschaft (vgl. § 90 BGB) nicht dem Eigentumsbegriff in § 823 Abs. 1 BGB. Deshalb bestehen keine Bedenken sie als „sonstige Rechte“ einzuordnen.

Familienrechte:
auch die Rechte auf elterliche Sorge und das Umgangsrecht sind absolute Rechte, allerdings dienen sie als Abwehrrechte nur gegenüber Dritten, nicht gegenüber dem Kind selbst. Auch die Ehe ist als sonstiges Recht anerkannt, wobei es keinen Schutz vor Seitensprüngen oder Affären gibt, sondern lediglich der räumlichgegenständliche Schutzbereich der Ehe geschützt ist.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht:
auf Grundlage der gesetzlich normierten Rechte am eigenen Namen (§ 12 BGB) und am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG; s. dazu ausführlich in Informations- und Kommunikationsrecht) hat die Rechtsprechung die umfassende Position des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt, um die Achtung der Würde des einzelnen Menschen (vgl. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) zivilrechtlich absichern zu können.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:

Das Recht schützt die Person selbst, Ehre, Ruf, Ansehen, die Individualität und Identität sowie die Privatsphäre. Ausflüsse des Rechts sind das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1) und das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (BVerfG, NJW 2008, 822; s. zu beiden näher: Informations- und Kommunikationsrecht). Das Recht steht wegen der Persönlichkeitsbindung der Person selbst zu; vermögensrechtliche Bestandteile können aber z.B. zum Merchandising übertragen werden (BGHZ 50, 133 – Mephisto; BGH NJW 2000, 2195 – Marlene Dietrich). Da die Anerkennung der Würde eines Menschen nicht mit seinem Tod endet, gibt auch einen postmortalen Persönlichkeitsschutz.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb: zum Schutz von Unternehmen hat die Rechtsprechung schon lange diesen Auffangtatbestand entwickelt; dadurch werden Unternehmen geschützt gegen fahrlässige Schutzrechtsverwarnungen (BGHZ 74, 9, 14), fahrlässige unwahre Behauptungen (BGHZ 90, 113, 125), Boykottaufrufe (BHZ 24, 200, 205) oder unzulässige Arbeitskampfmaßnahmen (BGHZ 69, 128). Das dem Betriebsinhaber zustehende Recht erfasst das Unternehmen als ansonsten rechtlich schwer zu fassende organisatorische Einheit (s. dazu schon oben). Um den Schutzbereich dieses tendenziell ausufernden Rechts nicht unangemessen auszuweiten, ist neben einer Interessenabwägung eine Beschränkung auf betriebsbezogene Eingriffe erforderlich, um von einer Rechtsverletzung sprechen zu können.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:

Nicht erfasst von den „sonstigen Rechten“ ist das Vermögen einer Person, weil diesem die Eigenschaft einer dauerhaften Zuordnung zu einer Rechtsperson fehlt und ständigen Veränderungen – z.B. durch Erwerb oder Aufgabe von Rechten – unterliegt. Zudem sind die meisten Rechtspositionen des Vermögens relativ, weil sie nur Forderungsrechte gegen eine andere Person, aber nicht gegen jedermann begründen. Als Bestandteil des Vermögens unterfallen auch einzelne Forderungen grundsätzlich nicht § 823 Abs. 1 BGB; teilweise wird aber dem absoluten Recht an der Forderung in Abgrenzung zum relativen Recht aus der Forderung unterschieden und die erstgenannte Forderungszuständigkeit als von § 823 Abs. 1 BGB erfasst angesehen. Bedeutung kann diese Ansicht bei Internet-Domainnamen erlangen (s. dazu näher die Vorlesung Informations- und Kommunikationsrecht).



2. Handlung

Besonderheiten
Der Schädiger muss ein Rechtsgut oder Recht des Opfers verletzen. Verletzungshandlung kann grundsätzlich jedes aktive Tun und Unterlassen sein. Allerdings kann nicht jedes Unterlassen ausreichend sein, um eine deliktische Haftung zu begründen.


Beispiel:

Der A schwimmt in der Elbe bei Hamburg und gerät in einen starken Strudel eines Schiffantriebs.

a) Der B in Stuttgart tut gar nichts.
b) Der C, der am Ufer der Elbe steht und die Situation des A sieht, hilft auch nicht.
c) Der D, der auf dem Schiff neben einem Rettungsring steht, erkennt den ihm verhassten A und wirft den Rettungsring nicht.

A wird in letzter Minute gerettet, trägt aber schwere Verletzungen der Atemwege davon; wenn ihm früher geholfen worden wäre, wäre es nicht zu dem Schaden gekommen. B, C und D haben alle drei etwas zur Rettung des A unterlassen. Offensichtlich war B nicht in der Lage, irgendetwas zur Rettung des A zu übernehmen. Auch bei C, der die Gefahr für A sieht, fehlt es an der physischen Möglichkeit zum Helfen ohne Selbstgefährdung (starker Strudel!). D hat eine sehr konkrete Handlung nicht vorgenommen, die zur Rettung des A hätte beitragen können.


Es besteht keine allgemeine Handlungspflicht zum Schutz der Rechtsgüter anderer, vor allem nicht bei der Gefahr einer Selbstschädigung. Ein Unterlassen kann nur dann haftungsrechtlich relevant ein, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Da der Mensch sehr viele Handlungen unterlässt, muss ein Unterlassen dem aktiven Tun wertungsmäßig gleichstehen, um die allgemeine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB zu begründen. Eine Rechtspflicht zum Handeln besteht u.a.


  • für den sog. Garanten, d.h. denjenigen, der für den Schutz oder die Fürsorge eines anderen gesetzlich (nach teilweise vertretener Ansicht auch vertraglich) verpflichtet ist (z.B. Eltern, aber auch Verpflichtete nach § 323c StGB – Unterlassene Hilfeleistung) oder die Aufsicht über den anderen zu führen hat (§§ 831, 832, 833 S. 1 BGB),
  • bei Eröffnung einer Gefahrenquelle (sog. Ingerenz; z.B. Straße, Kaufhaus, Maschine, Karussell) sowie in den gesondert in §§ 833 S. 2, 838-838 BGB aufgeführten Fälle von Gefährdungshaftung,
  • bei sog. Verkehrspflichten als Verhaltensregeln, die im gesellschaftlichen Zusammenleben erforderlich sind, um den allgemeinen Grundsatz umzusetzen, dass jeder sein verhalten so zu gestalten hat, dass eine unmittelbare oder mittelbare Verletzung der Rechtsgüter Dritter vermieden wird.




3. Haftungsbegründende Kausalität

Abgrenzung
Die Handlung muss zur Rechtsgutverletzung geführt haben. Damit ist die erforderliche haftungsbegründende Kausalität angesprochen, die zu unterscheiden ist von der haftungsausfüllenden Kausalität, die nach dem durch die Rechtsgutverletzung entstandenen Schaden fragt. Die haftungsbegründende Kausalität wird nach drei, nebeneinander anzuwendenden Ansätze untersucht. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Handlung kausal für die Rechtsgutverletzung, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Verletzungserfolg entfiele (lat. condition sine qua non) bzw. bei einem Unterlassen das pflichtgemäße Handeln hinzugedacht werden könne. Bei diesem weiten Kausalitätsansatz sind alle Bedingungen gleichwertig; der Schädiger haftet selbst für weitentfernte Ursachen.

Eine Einschränkung dieses weiten Ansatzes erfolgt durch die Adäquanztheorie. Durch sie wird die Kausalität für gänzlich unwahrscheinliche Ursachenverläufen ausgeschlossen. Die Handlung ist adäquat kausal, wenn es im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen oder nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht bleibenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen.

Um die Ursachenketten aber nicht allzu sehr einzuschränken, werden nur die aus der ex-post-Perspektive eines optimalen Beobachters mit den besonderen Kenntnissen des Schädigers völlig außerhalb jeder zu erwartenden liegenden Ursachenverläufe ausgeschlossen.

BGH, U. v. 16. 4. 2002 - VI ZR 227/01

Schließlich wird die Ursachenkette durch den sog. Schutzzweck der Norm beschränkt. Der Schädiger haftet für alle Schäden, die nach ihrer Art und Entstehungsweise in den Schutzbereich der verletzten Norm fallen, so dass zwischen der rechtswidrig geschaffenen Gefahr und dem eingetretenen Schaden eine Verbindung besteht, wobei der inhaltliche Zusammenhang zwischen Norm und Schaden maßgeblich ist. Dadurch wird sichergestellt, dass der Schädiger alle aus seinem gegen eine Norm verstoßenden Verhalten resultierenden Folgen trägt, aber auch nicht über den Schutzzweck dieser Norm hinaus übermäßig belastet wird.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:
BGH, Urteil vom 25. 3. 2003 - VI ZR 161/02


Fall 93:

Der Prominente E wird auf einer Gala ohne seine Zustimmung durch den Papparazi P fotografiert. Über diese Unannehmlichkeit ist E sehr verärgert und beschließt kurzerhand mit seinem Regenschirm, den er nur für solche Fälle bei sich führt, dem P Manieren beizubringen. Getroffen von einem heftigen Schlag, fällt P zu Boden. Dabei entgleitet ihm seine neue Multi-Reflex-Kamera im Wert von 1250,- €, was E allerdings nicht vorhersehen konnte, und wird irreparabel zerstört. Außerdem erleidet P eine Gehirnerschütterung, für deren Behandlung er 450,- € aufbringen muss. Bei der Untersuchung im Krankenhaus wird durch den behandelnden Arzt bei P zudem eine Zuckerkrankheit festgestellt, die zukünftig zu einer solch erheblichen Einschränkung des P führen wird, dass dieser gehindert sein wird, seinen Beruf weiter auszuüben und enorme Kosten für Medikamente zu erwarten hat.

Welche Ansprüche kann P hier gegen E geltend machen?



4. Rechtswidrigkeit und Verschulden

§§ 827f., 276, 278 BGB
Nach der weitgehend vertretenen Erfolgsunrechtslehre wird die Rechtswidrigkeit durch die tatbestandsgemäße Verletzung eines Rechtsguts „indiziert“, so dass die Rechtswidrigkeit nicht gesondert untersucht werden muss. Die Gegenansicht – die Handlungsunrechtslehre – hält dem entgegen, dass unrecht nur eine Handlung sein kann, so dass aus der Verletzung des Rechtsguts kein Rückschluss auf die Rechtmäßigkeit gezogen werden kann. Beide Meinungen sind sich aber darin einig, dass soweit die Handlung des Schädigers von einem Rechtfertigungsgrund (s. dazu oben) gedeckt ist, er nicht für etwaige Schäden einstehen muss: er handelt dann erlaubt und durfte dann auch das Rechtsgut des anderen verletzen. Dabei spielt keine Rolle, ob die Rechtsgutverletzung zufällig oder zielgerichtet eintritt.

Daneben muss der Schädiger die Rechtsgutverletzung verschuldet haben. Dafür ist zum einen die Schuldfähigkeit gem. §§ 827, 828 BGB erforderlich und zum anderen vorsätzlich oder fahrlässiges Verhalten (§§ 276, 278 BGB; s. dazu umfassend oben). Die Schuldfähigkeit ist regelmäßig gegeben. Sie scheidet zum einen aus bei Bewusstlosigkeit und krankhaften Störungen der Geistestätigkeiten, die eine freie Willensbildung ausschließen (§ 827 S. 1 BGB). Beruht diese Schuldunfähigkeit auf übermäßigem Alkoholeinfluss, haftet der Schädiger für Fahrlässigkeit, es sei denn er war unverschuldet alkoholisiert (§ 827 S. 2 BGB). Zum anderen sind Minderjährige in ihrer Schuldfähigkeit eingeschränkt, § 828 BGB: Kinder unter sieben Jahren sind generell schuldunfähig (Abs. 1), Kinder zwischen 7 und 10 Jahren sind für – in ihrem Umfang für Kinder kaum überschaubare – Unfälle mit Kraftfahrzeugen, Schienenbahnen und Schwebebahnen nicht verantwortlich (Abs. 2) und ansonsten alle Minderjährige, soweit ihnen bei Begehung der unerlaubten Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit (nicht des Schadens!) fehlende Einsicht fehlt (Abs. 3). Trotz dieser Schuldunfähigkeit kann eine Schadensersatzpflicht des Schuldunfähigen aus Billigkeitsgründen gem. § 829 BGB gegeben sein. Voraussetzung ist dann aber, dass von einem Dritte, insbesondere einem Aufsichtsverpflichtetem kein Ersatz erlangt werden kann (s. dazu § 832 BGB). Allerdings gibt eskeinen generellen Grundsatz, dass Eltern für jede Verletzungshandlung ihrer Kinder handeln. Vielmehr müssen Eltern ihren Kindern altersgemäß unbeaufsichtigte Freiräume lassen, ohne dass hierin eine Verletzung der Aufsichtspflicht zu sehen wäre.

Die Schuld als subjektive Vorwerfbarkeit muss die Tatbestandsmerkmale Rechtsgutverletzung, Handlung, haftungsbegründende Kausalität und Rechtswidrigkeit umfassen.



5. Schadenseintritt und haftungsausfüllende Kausalität

§§ 827f., 276, 278 BGB
Durch die Rechtsgutverletzung muss ein Schaden beim Anspruchsteller eingetreten sein. Der Umfang des Schadens bemisst sich nach den§§ 249 ff. BGB, wobei sowohl materielle als auch immaterielle Schadenspositionen Berücksichtigung finden können. Insbesondere bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt ein Schmerzensgeldanspruch in Betracht (§ 253 BGB). Der materielle Schaden bei Körper- und Gesundheitsverletzungen, der auch die Nachteile für seinen wirtschaftlichen Erwerb und sein (berufliches) Fortkommen umfasst (§ 842 BGB), wird in Geldrente oder Kapitalabfindung gem. § 843 BGB geleistet. Erfasst sind aber nur die Schäden, die nach Ansatz der Äquivalenz- und Adäquanzlehre sowie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (s. dazu oben) durch die Rechtsgutverletzung entstanden sind.



B. Verletzung eines Schutzgesetzes, § 823 Abs. 2 BGB

§§ 827f., 276, 278 BGB
Mit dieser „kleinen deliktischen Generalklausel“ wird ein Verstoß gegen ein drittschützendes Gesetz mit einem Schadensersatz des Geschützten verbunden. Das ist unproblematisch bei den erfolgsbezogenen Schutzgesetzen, die ausdrücklich dem Schutz von Rechtsgütern dienen sollen (z.B. §§ 211 ff. StGB zum Schutz des Lebens, §§ 223 ff. StGB zum Schutz des Körpers, §§ 242 ff., 303 ff. StGB zum Schutz des Eigentums); allerdings geht hier der Schutz nicht über das hinaus, was schon § 823 Abs. 1 BGB bietet. Er ist sogar geringer, wenn das Schutzgesetz einen geringeren
Verschuldensgrad fordert als § 823 Abs. 1 BGB.


Beispiel:

A lässt aus Versehen ein Glas von B fallen, das in tausend Stücke zerspringt. Es handelt sich um eine tatbestandliche Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 BGB, die für eine Strafbarkeit aber Vorsatz fordert. Da A nicht vorsätzlich gehandelt hat, ist § 303 Abs. 1 BGB nicht erfüllt und damit auch kein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB gegeben. Für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung genügt hingegen fahrlässiges Verhalten, was dem A zu Last gelegt werden kann.


§ 823 Abs. 2 BGB erlangt seine Bedeutung daher zum einen bei den verhaltensbezogenen Schutzgesetzen, die ein potentiell gefährliches Verhalten verbieten (vor allem Vorschriften der StVO und StVZO). Da sich bei § 823 Abs. 2 BGB das Verschulden zumeist nur auf den Schutzgesetzverstoß, nicht dagegen auf die Rechtsgutverletzung beziehen muss, liegt hier häufig ein Vorteil gegenüber dem Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB, insbesondere in Beweisfragen (BGHZ 95, 212).

Zum anderen hat § 823 Abs. 2 BGB Bedeutung, soweit ein Schutzgesetz nicht durch § 823 Abs. 1 BGB erfasste Positionen wie vor allem das Vermögen schützt, z.B. §§ 263 ff. StGB zu Betrug und Untreue. In diesem Zusammenhang ist auch der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gegen Handeln im Wettbewerb zu sehen, denn dieser soll sich nicht nach § 823 Abs. 1 BGB, sondern ausschließlich nach dem Wettbewerbsrecht in GWB und UWG (s. dazu späterin Wettbewerbsrecht) richten (BGHZ 36, 252, 256). Die Vorschriften von GWB und UWG sind aber häufig Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, so dass hierüber ein Schadensersatzanspruch begründet werden kann.

Schutzgesetz
ist jede Rechtsnorm (vgl. Art. 2 EGBGB), die wenigstens auch die privaten Interessen des Einzelnen schützen soll (BGHZ 46, 17, 23; BGH NJW 2004, 356, 357). In der Lit. wird teilweise eingeschränkt, dass auch gerade der Schutz durch
privatrechtliche Schadensersatzansprüche erreicht werden soll. Lediglich dem Allgemeininteresse dienende Vorschriften sind jedenfalls nicht erfasst. Der einzelne Schadensfall muss sich auch im persönlichen und sachlichen Schutzbereich des Schutzgesetzes bewegen (BGH NJW 2004, 356) und gerade durch dieses Schutzgesetz verhindert werden sollen.

Ein Verstoß gegen das Schutzgesetz
liegt nur vor, wenn sein objektiver und subjektiver Tatbestand vollständig erfüllt ist. Soweit ein Straftatbestand Vorsatz vorliegt, muss dieser gegeben sein; ansonsten fehlt eine Voraussetzung für den Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB, selbst wenn hierfür in anderen Fällen Fahrlässigkeit ausreichen würde (s. dazu oben zu § 303 StGB).

Verschulden
muss für den Schadensersatzanspruch immer vorliegen, selbst wenn das Schutzgesetz keine Verschuldenshaftung vorsieht (§ 823 Abs. 2 S. 2 BGB). Soweit das Schutzgesetz für einen Verstoß bereits vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten (vgl. § 276 Abs. 1 BGB; s. dazu oben) fordert, genügt dies für den Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB.


Der Prüfungsaufbau beim Schadensersatzanspruch des § 823 Abs. 2 BGB ist ähnlich überschaubar wie bei § 823 Abs. 1 BGB:

  • Vorliegen eines Schutzgesetzes,
  • Verstoß,
  • Verletzung eines Rechtsgutes,
  • haftungsbegründende Kausalität,
  • Rechtswidrigkeit,
  • ggfs. Verschulden (vgl. § 823 Abs. 2 S. 2 BGB),
  • Schaden des durch das Schutzgesetz Geschützten,
  • haftungsausfüllende Kausalität.

Das zu § 823 Abs. 1 BGB Ausgeführte gilt entsprechend




C. Haftung für Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB

§ 831 BGB
Die Haftung für den Verrichtungsgehilfen gem. § 831 BGB stellt eine widerlegliche Vermutung für eigenes Verschulden des Geschäftsherrn auf, wenn ein von ihm eingesetzter Gehilfe Rechtsgüter eines Dritten schädigt. Zu den Unterschieden zur vertraglichen Haftung für Erfüllungsgehilfen s. oben; § 278 und § 831 BGB dürfen nicht miteinander vermischt werden.

Erste Voraussetzung für den Anspruch nach § 831 BGB ist die Bestellung eines Verrichtungsgehilfen. Aufgrund des erforderlichen wirtschaftlichen oder sozialen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfen gehören hierhin alle Arbeitnehmer, niemals aber selbständige Unternehmer. Eine Grauzone befindet sich bei den sog. Scheinselbständigen. Zur Lösung dieses Problembereichs wird man darauf abstellen können, dass der Verrichtungsgehilfe weisungsabhängig in die Organisationssphäre des Geschäftsherrn eingegliedert sein muss (BGHZ 45, 311; BGHZ 103, 298, 303).

Der Verrichtungsgehilfe muss des Weiteren einem Dritten einen Schaden zufügen. Es genügt die objektive und widerrechtliche Verwirklichung eines der Tatbestände der §§ 823 ff. BGB. Verschulden des Verrichtungsgehilfen ist nicht erforderlich.

Diese Schadenszufügung muss bei Verrichtung erfolgen. Hierbei ist strittig, ob der gleiche Maßstab wie beim Tatbestandsmerkmal „bei Erfüllung“ in § 278 BGB anzulegen ist. Da sich „bei Erfüllung“ aber auf die Erbringung vertraglicher Leistungspflichten bezieht, wird man hier einen engeren Kreis von Handlungen erfassen als bei § 831 BGB. „Bei Verrichtung“ ist sprachlich unkonkreter, so dass auch Verletzungshandlungen erfasst werden können, die nur bei Gelegenheit der Verrichtung erfolgen (z.B. Diebstahl während Renovierungsarbeiten). Die Gegenmeinung lässt es sowohl für § 278 BGB als auch für § 831 BGB ausreichen, dass die Erfüllungs- bzw. Verrichtungshandlung die Schadenszufügung erleichtert.

Die Haftung des Geschäftsherrn für das Handeln seines Verrichtungsgehilfen setzt sein Verschulden voraus. Der Gesetzgeber hat sich bewusst entschieden, nicht auf das Verschulden des Verrichtungsgehilfen bei der Schadenszufügung, sondern auf das Verschulden des Schuldners bei Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen abzustellen. Eine eigene verschuldensabhängige Haftung des Verrichtungsgehilfen nach § 823 Abs. 1 BGB wird dadurch nicht ausgeschlossen. Grund für den Ansatz des Gesetzgebers ist die – ähnlich wie bei § 278 BGB – vom Geschäftsherrn ausgehende Risikoerhöhung, wenn er Dritte mit der Ausübung von Arbeiten betraut.

Das Verschulden des Geschäftsherrn wird sich regelmäßig auf eine fehlerhafte Auswahl des Verrichtungsgehilfen – entweder schon allgemein oder speziell für die fragliche Verrichtung – sowie die ungenügende Aufsicht über ihn beziehen, § 831 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Geschäftsherr muss davon überzeugt sein können, dass der eingesetzte Verrichtungsgehilfe die übertragende Aufgabe – ggfs. bei ausreichender Anleitung und Überwachung – ohne Schädigung eines Dritten ausführen kann. Das ist regelmäßig nur der Fall, wenn der Gehilfe ihm aus langdauernder Erfahrung als stets zuverlässig arbeitender Mitarbeiter bekannt. Mit der steigenden Gefährlichkeit der Tätigkeit steigen auch die Anforderungen an Auswahl und Überwachung. Daneben kann ein Verschulden sich aus der Beschaffung von Vorrichtungen oder Gerätschaften ergeben, mit denen der Verrichtungsgehilfe arbeiten soll.

Das Verschulden des Geschäftsherrn wird vermutet; diese Vermutung schließt auch die haftungsbegründende Kausalität zwischen der unzureichenden Auswahl oder Aufsicht des Geschäftsherrn und der Schadenszufügung durch den Gehilfen ein. Diese Vermutung kann der Geschäftsherr widerlegen, d.h. er muss sein mangelndes Verschulden nachweisen. Das kann er entweder durch den Nachweis ordnungsgemäßer Auswahl, Überwachung und Ausstattung oder durch Nachweis der Unerheblichkeit seines Verschuldens für den Schadenseintritt (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB: sog. Exkulpation).

Bei Großunternehmen gelingt diese Exkulpation wegendes mehrstufigen Aufbaus eher selten. Der früher angenommene dezentrale Entlastungsbeweis, bei dem der Vorstand als Organ des Unternehmens (§ 31 BGB) nur die ordnungsgemäße Auswahl des Personalabteilungsleiters nachweisen musste (BGHZ 4, 1) wird zu recht wegen der ungerechtfertigten Bevorzugung nicht mehr angewendet. Stattdessen wird unter dem Begriff des Organisationsverschuldenseine Haftung gem. § 31 BGB angenommen, bei der es keine Exkulpation gibt. Zudem kann eine Nichtbeachtung der Aufsicht über den Verrichtungsgehilfen – insbesondere bei den sog. Verkehrspflichten – zu einer Haftung des Aufsichtspflichtigen nach § 823 Abs. 1 BGB (und damit ohne Exkulpationsmöglichkeit) führen.


Fall 94:

Das Ehepaar A und B erwartet Nachwuchs und zwar Zwillinge. Ihre bisherige Zweizimmerwohnung wird nach der Geburt zu klein sein. Daher beschließen A und B, ein Eigenheim zu bauen. Sie beauftragen das große Bauunternehmen U mit der schlüsselfertigen Erstellung des Hauses. U delegiert die Arbeiten an dem Haus für A und B an seinen langjährigen, stets zuverlässig arbeitenden Vorarbeiter X. Der U verlässt sich auf die Zuverlässigkeit des X und kontrolliert daher – wie üblich – die von X betreute Baustelle nicht. Am Ende einer langen Bauwoche lässt der von X geleitete Bautrupp am Freitag aus Nachlässigkeit eine Palette mit Klinkersteinen ungesichert und ohne Warnhinweis mitten auf der Zufahrt zum Baugrundstück stehen. A,der noch Freitag spät abends den Baufortschritt besichtigen will, sieht im Dämmerlicht die Palette nicht und fährt mit seinem Auto frontal hinein. A hatte dabei die Scheinwerfer nicht eingeschaltet. Das Auto, das noch einen Wert von 16.000 € hatte, hat einen Totalschaden. A erleidet erhebliche Kopfverletzungen, weil er nicht angeschnallt war. Hierfür ist eine Heilbehandlung mit Kosten von 8.000 € erforderlich.

Kann A Schadensersatz von U oder X verlangen?



Der Prüfungsaufbaubeim Schadensersatzanspruch gem. § 831 Abs. 1 BGB sieht wie folgt aus:

  • Verrichtungsgehilfe,
  • Rechtsgutverletzung durch Verrichtungsgehilfe,
  • bei Verrichtung,
  • haftungsbegründende Kausalität,
  • Rechtswidrigkeit der Schadenszufügung,
  • keine Exkulpation nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB,
  • Schadenseintritt,
  • haftungsausfüllende Kausalität.



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