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Urheberrecht
Fall 42 - Wandgemälde
Künstler K hat im Auftrag von Hauseigentümer H die Eingangshalle von dessen Anwesen mit dem Decken- und Wandgemälde „Felseneiland mit Sirenen“ versehen. Weil die Witwe W, die das Haus einige Jahre später von H erbt, das Gemälde wegen der teilweise auch nackten weiblichen Akte als empörend empfindet, lässt sie es ohne Wissen des K durch den Maler M in der Weise übermalen, dass nunmehr die nackten Körper durch schöne Kleider dezent bekleidet werden. Der künstlerische Ausdruck wird hierdurch leicht verändert. Nach Ausführung der Arbeiten erfährt K von dieser „Frechheit“. Er verlangt Zugang zu dem Gemälde, um sich ein Bild von seinem verhunzten Werk zu machen. Außerdem verlangt er, die Übermalung rückgängig zu machen, was technisch ohne weiteres möglich wäre. Zu Recht? (vgl. RGZ 79, S. 397 ff. – „Felseneiland mit Sirenen“) Abwandlung: Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn W nicht nur Teile, sondern das gesamte Gemälde mit weißer Farbe hätte überstreichen lassen? |
LösungA. Ausgangsfall I. In Betracht kommt zunächst ein Anspruch auf Zugänglichmachen des Originals gem. § 25 Abs. 1 UrhG. 1. Bei dem Gemälde „Felseneiland mit Sirenen“ handelt es sich um ein Werk der bildenden Künste (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), welches durch die hierin enthaltene persönliche geistige Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt ist. K ist trotz der Veränderungen immer noch als dessen Maler bzw. Schöpfer anzusehen, und ist damit der Urheber des Gemäldes (§ 7 UrhG). W als Besitzerin des Gemäldes gem. § 854 Abs. 1 BGB ist auch die die richtige Anspruchsgegnerin. 2. Des Weiteren müsste der Zugang zur Herstellung von Vervielfältigungen oder Bearbeitungen des Werks erforderlich sein. Dass Zugangsrecht ist aber nicht dafür vorgesehen, etwaige Entstellungen oder sonstige Verletzungshandlungen an dem Werk zu kontrollieren. Gerade aus diesem Grund möchte K jedoch das Haus der W betreten. Dies reicht also nicht zur Begründung eines Anspruchs aus. 3. Ein Anspruch gem. § 25 Abs. 1 UrhG besteht folglich nicht. II. K könnte aber gegen W aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG einen Anspruch darauf haben, dass W die Beeinträchtigungen von Urheberrechten des K beseitigt. 1. Dann müsste durch das partielle Bemalen des Bildes eine Verletzung der Urheberrechte des K stattgefunden haben. Durch das „Bekleiden“ der Sirenen wird nicht in die Verwertungsrechte des K gem. §§ 15 ff. UrhG eingegriffen. Einzig und allein ist eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte aus §§ 12 ff. UrhG denkbar. So könnte in dem Übermalen eine Beeinträchtigung des Werkes i.S.d. § 14 UrhG gesehen werden. Die Beurteilung erfolgt in einer dreistufigen Prüfung. a. Voraussetzung ist also zunächst eine Beeinträchtigung, entweder in Form einer Entstellung oder in sonstiger Weise. Letztere ist ein besonders schwerwiegender Fall der Beeinträchtigung. Fraglich ist also, ob hier von einer Entstellung gesprochen werden kann. Nach herkömmlichem Verständnis ist eine Entstellung eine Verschlechterung des Werkes, nämlich eine Verzerrung oder Verfälschung seiner Wesenszüge. In Anbetracht der Tatsache, dass vorliegend der künstlerische Ausdruck des Bildes nur leicht verändert wurde und es somit „ansehnlich“ geblieben ist, ist eine Entstellung abzulehnen. Denkbar ist aber noch eine Beeinträchtigung in sonstiger Weise. Das Werk ist durch die Malerarbeiten des M umgestaltet worden. Aufgrund dieses Vorgehens hat sich die künstlerische Aussage des Bildes verändert, so dass es nur bedingt als Bild des K angesehen werden kann. Eine Beeinträchtigung ist damit gegeben. b. Weiterhin muss die Beeinträchtigung geeignet sein, die berechtigten Interessen des Urhebers zu gefährden. Das Eingreifen eines Ausnahmetatbestandes ist nicht ersichtlich. Allein zu überlegen bleibt, ob das Interesse des K an der Befreiung der Sirenen von den Kleidern gegenüber dem Interesse der W als Eigentümerin auch als berechtigt angesehen werden kann. Dies kann nicht bereits deswegen ausgeschlossen werden, weil K das Gemälde an die Wände auf fremdes Gebäudeeigentum angebracht und damit gewissermaßen aus den Händen gegeben hat. Die persönlichen Beziehungen eines Urhebers gem. § 11 UrhG und der Schutz seiner Urheberpersönlichkeitsrechte sind mit der Veräußerung des Werkes nicht beendet. Ein Ausschluss eines berechtigten Interesses ist auch nicht deswegen anzunehmen, weil es sich bei dem Gebäude um ein privates Haus handelt, es damit nicht der Öffentlichkeit zugänglich ist. Zwar wird im Regelfall dann die Beeinträchtigung nur von wenigen Personen bemerkt werden, es bleibt jedoch festzuhalten, dass das Bild immer noch einem unbestimmten und unkontrollierbaren Personenkreis offen steht. Es besteht folglich keine Gewähr dafür, dass das Bild von Dauer dem Anblick Dritter entzogen bleibt. c. Im Übrigen ist im Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen, welchen Interessen – denen des Eigentümers oder denen des Urhebers – Vorrang einzuräumen ist. Vorliegend handelt es sich nur um eine kleine Veränderung des Gemäldes. Der künstlerische Aussagegehalt wurde hierdurch nur geringfügig beeinflusst. Allerdings muss beachtet werden, dass diese Änderungen nur erfolgten, weil sie sich des Anblicks der nackten Sirenen genierte. Sie handelte demzufolge aus rein sittlichen, sie als Person aber nicht unmittelbar betreffenden Motiven. Diese Gründe müssen daher gegenüber den urheberrechtlichen Interessen des K zurücktreten. 2. Ferner erfolgte die Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte des K, die auch auf W als Anspruchsgegnerin zurückzuführen ist, widerrechtlich. 3. Weitere Voraussetzung für den verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch ist eine fortdauernde Störungsquelle. Dies ist hier der Fall. Zudem ist die Herstellung des ursprünglichen Aussehens des Bildes durch Rückgängigmachen der Übermalung auch technisch ohne Probleme möglich, folglich liegt gerade hier ein Fall der Beseitigung vor. 4. K hat somit einen Anspruch aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG gegen W, die Übermalung rückgängig zu machen. B. Abwandlung K könnte einen Anspruch gegen W auf Beseitigung der Beeinträchtigungen von Urheberrechten aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG haben. I. Dazu müsste durch das Überstreichen des Bildes eine Verletzung der Urheberrechte des K darstellen. Allerdings ist das Entstellen von Werken, allein schon vom Wortlaut nicht mit dem Vernichten gleichzustellen. Des Weiteren ist hier der Schutz des Eigentümers des Werkexemplars aus § 903 S. 1, 1. Alt. BGB zu berücksichtigen. Es kann von dem Eigentümer nicht verlangt werden, das Bild auf ewig zu ertragen oder sein Haus zu verkaufen, nur weil er den Anblick nicht mehr ertragen kann. Daher muss es dem Eigentümer erlaubt sein, das Werk aus den bewohnten Räumen zu beseitigen. Somit ist eine Verletzung von Urheberrechtspersönlichkeitsrechten des K durch W abzulehnen. II. Ein Beseitigungsanspruch des K aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG besteht also nicht. |
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