Chria Verbalis über Diogenes aus Sinope
"Dem Schicksal, sagte er, stelle ich den Mut, dem Gesetz die Natur, der Leidenschaft die Vernunft entgegen."
Diogenes Laertius über Diogenes von Sinope
Lob des Urhebers
Diogenes von Sinope (ca. 400 – 324/323 v.Chr.) war ein bedeutender griechischer Philosoph
der Antike. Die von ihm überlieferten Anekdoten über ein Leben frei von überflüssigen
Bedürfnissen und ohne äußere Abhängigkeit bieten noch heute Grund zur Diskussion. Durch
das Streben nach Bedürfnislosigkeit und Natürlichkeit inszenierte er sein Leben als
öffentliches Ärgernis und erregte damit große Aufmerksamkeit. All dies machte Diogenes
zum Feind der bestehenden öffentlichen Ordnung und der vorherrschenden materiellen
Denkweise. Viele der von den Menschen geschaffenen Gesetze empfand er als unnatürlich
und überflüssig.
Umschreibung
„Dem Schicksal, sagte er, stelle ich den Mut, dem Gesetz die Natur, der Leidenschaft die
Vernunft entgegen." Diogenes erkannte, dass unser Leben in unseren eigenen Händen liegt.
Er spricht uns Menschen 3 Mächte zu – den Mut, die Natur und die Vernunft – welche den
Gegenmächten Schicksal, Gesetz und Leidenschaft entgegenstehen. Gegen diese
Gegenmächte müssen wir ohne Furcht ankämpfen. Dem tugendlosen Leben steht das
tugendhafte Leben entgegen, welches Diogenes als erstrebenswert empfand.
Beweis
In Diogenes Aussage steckt viel Wahrheit. Es ist wichtig, gegen das Falsche anzukämpfen
und ein tugendhaftes Leben zu führen. Nur, wenn wir uns dem entgegenstellen, handeln wir
ausgeglichen und frei von negativen Zwängen.
Widerspiel
Wenn die Menschen nicht nach ihrem Mut, ihrer Natur und ihrer Vernunft handeln und somit
diese 3 uns gegebenen Mächte nicht nutzen, werden sie zum Opfer der Welt. Würde kein Mut
mehr aufgebracht werden, um dem Schicksal entgegenzuwirken, bestünde für uns die
Gefahr, von dem Schlechten der Welt verdorben zu werden. Das Schicksal, das Gesetz und
die Leidenschaft verleiten uns zu einem falschen Leben, wenn wir diesen nicht unseren Mut,
unsere Natürlichkeit und Vernunft entgegenstellen.
Gleichnis
Die uns umgebenen Mächte gleichen einer Waage mit 2 Waagschalen. Während die Welt das
eine Gewicht darstellt, bildet das Gegengewicht der Mensch, welcher mit seinem Mut, seiner
Natur und seiner Vernunft die Waage im Gleichgewicht halten muss und welchem das
Schicksal, das Gesetz und die Leidenschaft gegenüberstehen.
Beispiel
Als Cicero nach dem Tod Caesars nach Rom zurückkehrte, trat er Antonius, welcher die
Nachfolge Caesars in Alleinherrschaft antreten wollte, entgegen. Er empfand diese
Alleinherrschaft als nicht richtig und appellierte an die Vernunft des Volkes. Sein Ziel war es,
die Demokratie in Rom wiederherzustellen. In der Natur Ciceros stand es, politisch aktiv zu
sein. Somit wurde er Wortführer der republikanischen Fraktion und erhielt dadurch großes
Ansehen. Er plante den Krieg gegen Antonius und schmähte ihn in öffentlichen Reden –
Cicero stand nun an erster Stelle auf der Todesliste des Antonius. Durch diesen Mut begab
er sich wohlwissend in Gefahr. Er wurde 43 v. Chr. getötet.
Zeugnis
Von dem deutschen Schriftsteller und Journalisten Theodor Fontane (1819 – 1898)
stammen die Worte: „Alles regelt sich nach einem Gesetz des Gegensatzes, das zugleich ein
Gesetz des Ausgleichs ist.“ Wie Diogenes kam auch Fontane zu der Erkenntnis, dass wir
dem Negativen der Natur die positiven Eigenschaften von uns Menschen entgegensetzen
müssen, um ein erstrebenswertes ausgeglichenes Leben zu führen.
Beschluss
Diogenes möchte uns daran erinnern, dass wir frei in unseren Entscheidungen sind. Die uns
umgebenen Mächte, welche ein falsches Leben wiederspiegeln, können nur durch
Gegensätze bekämpft werden. Wir sind also dazu aufgefordert, mutig, natürlich und
vernünftig zu sein um dieser Gefahr aus dem Weg gehen. Wir müssen kämpfen für ein
tugendhaftes Leben ohne Angst vorm Schicksal, dem Gesetz oder der Leidenschaft!
Quelle: Daniel Harsche, BA Multimedia Marketing, SS 2014, Rhetorik I