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Kriterien der Bewertung von Rechtsformen für grenzüberschreitende Projekte


Der Vergleich einzelner Formen der Zusammenarbeit ist für praktischen Einsatz nur dann hilfreich, wenn die Gegenüberstellung der Rechtsformen all diejenigen Fragen beantwortet, welche sich bei der Zusammenarbeit von unterschiedlichen Gebietskörperschaften in der Praxis stellen. Deshalb sollen an dieser Stelle als Einstieg in die Untersuchung alle Aspekte des Vergleichs zusammengestellt werden, die anschließend im Kontext ausgewählter Rechtsformen näher darzustellen sind. Die zu untersuchenden Aspekte wären demnach:

A. Zulässiger Gegenstand für die jeweilige Rechtsform
Die grenzüberschreitende Kooperation kann unterschiedlichen Zweck haben. Einige Rechtsformen können nur zu bestimmten Zwecken gewählt werden. Deshalb ist zu prüfen, welchen Gegenstand einzelne Rechtsformen erlauben und ob ein bestimmter Zweck bei der jeweiligen Rechtsform nicht zulässig bzw. schwer zu implementieren wäre.

B. Strukturelle Aspekte der Rechtsform

1. Aufnahme der Zusammenarbeit bzw. Gründung
Am Anfang einer institutionalisierten Zusammenarbeit müssen die Körperschaften auf beiden Seiten der Grenze die Regeln für das Projekt festlegen. Im Falle der Zusammenarbeit in Form einer juristischen Person oder eines vergleichbaren Gebildes wird dies regelmäßig durch die Gründung der juristischen Person erfolgen. Die Gründung bzw. sonst formelle Aufnahme der Zusammenarbeit weisen je nach gewählter Form deutliche Unterschiede auf, so dass bereits zu Beginn der Zusammenarbeit wesentliche Hürden vermieden oder - bei falscher Entscheidung - aufgestellt werden können. Dabei sind folgende Fragen zu berücksichtigen:
    • wer kann sich an der Zusammenarbeit / Gründung beteiligen?,
    • welches Verfahren ist dabei einzuhalten?
    • welche (staatlichen und sonstigen) Stellen sind dabei zu berücksichtigen (Registrierung / Genehmigung etc.)?
    • welche finanziellen Voraussetzungen gelten für die Gründung?

2. Rechtspersönlichkeit
Die Rechtspersönlichkeit ist grundsätzlich notwendig für den Erwerb von Rechten und Pflichten. Dies kann insbesondere im Hinblick auf dingliche Rechte (z. B. Eigentum an der Infrastruktur) oder schuldrechtliche Forderungen erforderlich sein, aber auch bei öffentlich-rechtlichen Genehmigungen eine Antragsbedingung darstellen. Damit ist in jedem Fall die Frage zu klären, inwiefern diese Eigenschaft für die in Betracht kommenden Rechtsformen gegeben oder nicht gegeben ist.

3. Sitz
Für ein gemeinsames Projekt von zwei Kommunen aus verschiedenen Staaten kommen beide Länder als Standort in Betracht. Der Sitz bestimmt auch in der Regel das auf das Rechtssubjekt anzuwendende Recht und somit das Gründungsverfahren, die Rechtspersönlichkeit und Funktionieren des Subjektes (Struktur, Vertretung usw.). Bei der Wahl des Standortes ist daher zu berücksichtigen, inwiefern eine flexible Wahl und Handhabung des Sitzes möglich ist und was der Sitz des Rechtssubjektes für die Zusammenarbeit haben kann.

4. Willensbildung und Vertretung
Die Bewertung der Funktionsweise einer Rechtsform ist nur möglich, wenn Klarheit darüber besteht, wie das jeweilige Rechtssubjekt oder die Organisationsform auf der einen Seite nach außen agiert (Vertretung) und welche innere Verfassung sie aufweist (interne Entscheidungswege, Organe etc.).

5. Steuerung und Kontrolle
Bei der Wahl einer Organisationsform eines grenzüberschreitenden Projektes ist auch die Möglichkeit der Einflussnahme der Initiatoren - d. h. der öffentlichen Träger - zu beachten. Demnach ist bei der Wahl der Rechtsform zu fragen:
    • in welcher Weise die jeweilige Organisationsform von Entscheidungen der öffentlichen Träger abhängig ist,
    • wo Entscheidungen hinsichtlich des Projektes getroffen werden - innerhalb des für das Projekt eingerichteten Rechtssubjekts oder bei seinen öffentlichen, durch die lokale Politik bestimmten Trägern?
Die oben genannten Fragen sind vor dem Hintergrund der Notwendigkeit zu beleuchten, dass innerhalb des Projektes eine möglichst optimale Abstimmung zwischen unterschiedlich geprägten Verwaltungen möglich und Kontinuität in der Projektführung gewährleistet sein muss. Die natürlichen Barrieren (Sprache, Kultur) der Abstimmung sind nach Möglichkeit durch die gewählte Rechtsform der Zusammenarbeit abzufangen. Der Projekterfolg kann besser erreicht werden, wenn die Projektorganisation prinzipiell unabhängig von der Leistungsfähigkeit der beteiligten Verwaltungen ist.
Bei der Kontrolle spielt auch die Frage der Transparenz der jeweiligen Rechtsform für die Öffentlichkeit eine gewisse Rolle. Die Publizität in privatrechtlichen Organisationsformen wird sich dabei zunächst auf die handelsrechtlichen Pflichten begrenzen, während öffentlichrechtliche Formen weitergehende, aus dem öffentlichen Recht stammenden Auskunfts- und Transparenzpflichten befolgen müssen.

6. Finanzierung, Verteilung von Gewinnen und Verlusten, Kapitalaufbringung
Im Falle von Projekten des öffentlichen Nahverkehrs, die in der Regel keine Gewinne generieren, spielt die Finanzierung des jeweiligen Projektes - bei der Errichtung ebenso wie beim anschließenden Betrieb - eine wesentliche Rolle. Deshalb stellt sich jeweils die Frage, inwiefern die gewählte Organisationsform:
    • sich (eigenständig) um externe Mittel (z. B. aus EU-Fonds) bewerben kann,
    • durch öffentliche Träger bezuschusst werden kann,
    • Einnahmen (zumindest teilweise) aus der wirtschaftlichen Betätigung generieren kann.
Ferner spielen im Hinblick auf die wirtschaftliche Seite des Projektes die Möglichkeiten der Verteilung der Gewinne aus der Geschäftstätigkeit der Organisationsform bzw. der Übernahme oder des Ausgleichs von Verlusten. Auch die Frage der Aufbringung des Kapitals bei Gründung bzw. zum späteren Zeitpunkt ist in diesem Zusammenhang zu klären. Dabei ist auch die Zulässigkeit der Aufnahme privater Partner in das Projekt im Falle der jeweiligen Organisationsform zu prüfen.

7. Haftung
Mit der Frage der Finanzierung ist auch die Frage der Haftung verwandt. Für die im Rahmen des Projektes entstehenden Verbindlichkeiten ist für die Bewertung der Sinnhaftigkeit einer Organisationsform - bei Projekten der öffentlichen Hand ebenso wie in der privaten Wirtschaft - auch die Frage der Haftung der Gründer für Verbindlichkeiten der jeweiligen Organisationsform von Bedeutung und deshalb zu untersuchen.

8. Möglichkeiten der Umwandlung
Aus vielen Gründen kann gewollt sein, dass die Rechtsform von Phase zu Phase der Projektdurchführung oder aus anderen Gründen zum späteren Zeitpunkt verändert werden soll. In diesem Fall kann es entscheidend sein, inwiefern Umwandlung der jeweiligen Organisationsform bzw. Überführung ihrer Aufgaben, ihres Vermögens, sonstiger Rechte (insbesondere der erworbenen Genehmigungen) oder Pflichten in eine andere Form reibungslos möglich sind.

9. Auflösung, Beendigung
Ein zu Projektbeginn weniger bedeutsamer Umstand ist die Frage, wie die jeweilige Organisationsform zu beenden ist. Dies kann jedoch insbesondere für den Fall relevant werden, dass zwischen einzelnen Projektphasen eine Umwandlung nicht möglich ist, so dass die jeweilige Rechtsform zu liquidieren ist, damit eine neue ihren Platz einnehmen kann. Darüber hinaus spielt die Auflösung der Organisationsform dann eine Rolle, wenn
    • das Projekt für einen bestimmten Zeitraum geplant ist oder
    • das Projekt vorzeitig beendet werden soll.
In allen der oben genannten Fällen ist die Frage entscheidend, welche Regeln für die Auflösung der Rechtsform bzw. Beendigung der Zusammenarbeit gelten.


C. Spezielle Rechtsgebiete

1. Europarecht
Das Vorhaben wird in zwei Mitgliedstaaten der EU ausgeführt. Zu bedenken ist daher, dass die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs einzuhalten sind. Darüber hinaus ist auch die Förderfähigkeit der eingesetzten Organisationsform (EU-Fördermittel) zu beleuchten.
Sofern die im Unionsrecht festgelegten, technischen Vorgaben für ÖPNV-Projekte definiert sind (s. z. B. Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie); Richtlinie 2009/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge), welche von der Rechtsform des jeweiligen Betreibers bzw. Trägers abhängig sind, müssen diese auch berücksichtigt werden.

2. Internationales Recht
Für ein grenzüberschreitendes Projekt besteht eine der Hürden der Zusammenarbeit darin, dass sich hier die Zuständigkeiten von Verwaltungen, die Rechtsordnungen, Vorschriften und gesellschaftliche Rahmenbedingungen überlappen. Bei der Frage der Wahl einer Organisationsform für das Projekt muss demzufolge die Frage geklärt werden, inwiefern die jeweilige Rechtsform auf beiden Seiten der Grenze agieren und wie effizient sie dies bewerkstelligen kann.

3. Kommunalrecht
Die Kommunen als Rechtssubjekte öffentlichen Rechts sind in der Rechtsformwahl für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben an gesetzliche Vorgaben gebunden. Deshalb ist die Zulässigkeit einer Rechtsform aus kommunalrechtlicher Sicht von entscheidender Bedeutung für die Bewertung der jeweiligen Formen der institutionalisierten Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang sollten allerdings auch alle anderen Implikationen, insbesondere Einschränkungen für die einzelnen Rechtsformen im kommunalen Bereich beleuchtet werden. Auch die praktische Erfahrung und Häufigkeit der jeweiligen Rechtsformen kann in diesem Zusammenhang Bedeutung haben.

4. Vergaberecht
Jedes größere Projekt der öffentlichen Hand unterliegt im Falle der Einbeziehung privater Auftragnehmer (Bauunternehmen, Betreibergesellschaften etc.) dem Vergaberecht. Der für alle europäischen Länder geltende Rechtsrahmen ist dabei in den Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG vorgegeben. Darüber hinaus gelten im Bereich des Personennahverkehrs - als speziellere Regelungen - die Verordnung 1370/2007/EG sowie die Richtlinie 2009/33/EG vom 23. April 2009 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge.
Details sind in entsprechenden Vorschriften des nationalen Rechts geregelt - in Polen künftig im noch zu beschließenden Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr. Die Struktur eines Projektes im Bereich des ÖPNV weist immer Wechselwirkungen mit dem Vergaberecht auf, insbesondere finden je nach gewählter Projektstruktur unterschiedliche Vergaberegeln Anwendung.
Demzufolge sind im Hinblick auf das Vergaberecht folgende Fragen zu beachten:
    • welche Auswirkung auf die Anwendung von Vergaberegeln hat die gewählte Rechtsform?
    • kann eine bestimmte Rechtsform in einer der Projektphasen negative Folgen auf die Beteiligung des jeweiligen Rechtssubjektes an weiteren Phasen des Projektes haben - wegen Vergaberechts?

5. Verkehrsrecht (insb. Recht des ÖPNV)
Gegenwärtig wird in Polen der öffentliche Nahverkehr neu geregelt. Die einschlägigen Gesetzesentwürfe befinden sich im Gesetzgebungsverfahren.[1] Das in Deutschland geltende und in Polen demnächst geltende Recht soll - sofern für die Wahl der Rechtsform für die Errichtung und Betrieb einer Straßenbahnlinie relevant - berücksichtigt werden.

6. Steuerrecht
Steuerrechtliche Implikationen sind längst nicht nur aus Sicht eines privaten Investors entscheidend. Auch, wenn ein Projekt durch die öffentliche Hand getragen wird, wirken sich zahlreiche steuerlichen Aspekte auf die Kosten des Projektes, auf den Aufwand in der Buchführung des Vorhabens und viele andere Punkte. Die steuerrechtlichen Aspekte werden im Rahmen der vorliegenden Analyse nicht behandelt. Sie sind aber als wesentlicher Prüfungspunkt zu berücksichtigen und im Rahmen einer separaten Untersuchung zu würdigen, die auch Fragen der Buchführung, des Jahresabschlusses etc. enthalten muss.


[1] S. Sejm-Drucks. Nr. 2916. Das Gesetz setzt die Richtlinie 2009/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge um.

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