Vorstellung eines Musterverfahrens mit Bürgerbeteiligung
Projekt Nationalparkrecht
Für die Akzeptanz von öffentlichen Großprojekten und Vorhaben im Bereich des Naturschutzes, insbesondere für die Ausweisung von Nationalparks, ist eine Beteiligung der Öffentlichkeit unabdingbar. Betroffene Bürger, Träger öffentlicher Belange, Naturschutz- und Umweltvereinigungen müssen die Möglichkeit haben, Anregungen und Einwände rechtzeitig vorzubringen, sodass diese frühzeitig berücksichtigt werden können und Unstimmigkeiten vor Ausweisung des Nationalparks gelöst werden können. Ziel ist es, die Akzeptanz des Vorhabens zu steigern und eventuelle Klagen zu vermeiden. Grundlage dafür ist ein transparenter und nachvollziehbarer Entscheidungsprozess.
Die Rechtsgrundlagen für die Partizipation bei der Ausweisung von Nationalparks finden sich im jeweiligen Landesrecht wieder. Die Beteiligungsmöglichkeiten der verschiedenen Bundesländer sollen im Folgenden verglichen und Verfahrensmuster herausgearbeitet werden. Am Ende soll ein Musterverfahren stehen, das den grundsätzlichen formellen Verfahrensablauf bei der Ausweisung von Nationalparks widerspiegelt. Zuletzt soll das nun erstellte Musterverfahren durch das Hinzufügen von informellen Beteiligungsmöglichkeiten und den Vergleich mit Verfahren für die Ausweisung anderer Großprojekte gewertet und weiter verbessert werden, sodass im Ergebnis die optimalen Verfahrensmuster und Bedingungen vorgestellt werden können, unter denen eine bestmögliche Beteiligung der Öffentlichkeit möglich ist.
Mögliche Formen der Partizipation
Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Wege, Bürger am Verfahren der Ausweisung von Nationalparks zu beteiligen. Hier gilt es grundsätzlich zwischen formeller und informeller Beteiligung sowie der Möglichkeit der finanziellen Beteiligung als eine Unterform der informellen Partizipation zu unterscheiden. Ebenso lässt sich eine Einteilung in informative, konsultative und kooperative Beteiligung vornehmen.
Formelle Partizipation
Die formelle Partizipation bezeichnet die, durch Rechtsnormen, verbindlich vorgeschriebene Beteiligung. Die formelle Partizipation steht bei der Erstellung des Musterverfahrens im Mittelpunkt der Recherchen.
Informelle Partizipation
Die informelle Partizipation bezeichnet die freiwillige Bürgerbeteiligung am Verfahren der Ausweisung von Nationalparks. Es gibt verschiedenste Formen der informellen Partizipation, zum Beispiel die Durchführung von Informationsveranstaltungen, die aktive Mitwirkung im Verfahren und somit sogar tatsächliche Mitwirkung oder die selbstbestimmte Durchführung eines Projekts. Nicht zuletzt durch Defizite bei der formellen Partizipation gewinnt die informelle Partizipation immer mehr an Bedeutung.
Partizipation durch finanzielle Beteiligung
Die finanzielle Beteiligung an Projekten stellt eine Unterform der informellen Partizipation dar. Aufgrund der wachsenden Bedeutung wird diese Beteiligungsform gesondert erwähnt (siehe dazu unten Beispiel des Bürgerwindparks).
Wer ist am Ausweisungsverfahren zu beteiligen?
Verbindliche bzw. formelle Partizipation
Zunächst ist zu klären, wer überhaupt am Ausweisungsverfahren beteiligt werden muss. Die Naturschutzgesetze der Länder sehen eine Beteiligung betroffener Bürger, betroffener Träger öffentlicher Belange und die Beteiligung von Naturschutz- und Umweltvereinigungen vor.
Begriff der Betroffenheit
Verbindliche bzw. formelle Partizipation
„Betroffene Bürger sind am Verfahren zu beteiligen“
Diese oder ähnliche Formulierungen finden sich in den Landesnaturschutzgesetzen, wenn man nach dem zu beteiligenden Personenkreis sucht. An dieser Stelle lässt der Gesetzestext Platz für Interpretationen, da keine Legaldefinition gegeben wird, wann genau eine Person von einem Vorhaben betroffen ist und wann nicht. Muss eine Person in direkter Nachbarschaft zum zukünftigen Nationalpark wohnen oder reicht es aus, wenn die Person vielleicht dadurch betroffen ist, dass z.B. das Verkehrsaufkommen im entfernten Wohnort der Person durch den, vom Nationalpark verursachten, Tourismus ansteigen wird? Muss nachweislich eine tatsächliche Betroffenheit vorliegen oder reicht die Möglichkeit einer zukünftigen Betroffenheit für die Beteiligung aus? Es ist enorm wichtig, zum einen diese Fragen und zum anderen auch die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der Intensität der Betroffenheit und dem Umfang der vorgeschriebenen Beteiligung bzw. den Beteiligungsmöglichkeiten gibt zu klären.
Zunächst soll der Gesetzestext der Landesnaturschutzgesetze in Bezug auf die zu beteiligenden Träger öffentlicher Belange und die zu beteiligenden Privatpersonen untersucht werden:
Formulierungen der Landesnaturschutzgesetze hinsichtlich Betroffenheit
Vergleicht man diese Formulierungen, so kommt man auch hier zu keiner konkreten Schlussfolgerung, wann genau Betroffenheit vorliegt. Es fällt jedoch auf, dass in einigen Bundesländern der Personenkreis, der Anregungen und Bedenken vorbringen kann, nicht eingegrenzt wird und lediglich durch die ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung eine indirekte Eingrenzung stattfindet. Jedoch schließt dies nicht aus, dass sich auch Personen, die in keiner Weise Auswirkungen des Vorhabens spüren oder zukünftig spüren werden beteiligen können und Anregungen sowie Bedenken vorbringen können. Ebenso fällt bei genauer Betrachtung der Gesetzestexte auf, dass in manchen Bundesländern schon Personen und Träger öffentlicher Belange zu beteiligen sind, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich ein Vorhaben auf diese auswirken könnte, in anderen Bundesländern hingegen sind diese erst zu beteiligen, wenn sich ein Vorhaben auf sie auswirkt.
Eine genaue Eingrenzung des mitwirkungsberechtigten Personenkreises ist auch deshalb notwendig, da der Zuspruch für die Ausweisung von Großprojekten immer größer wird, je weniger eine Person die Auswirkung eines Projektes spürt bzw. die Akzeptanz ansteigt je weiter eine Person von dem Projekt an sich entfernt ist („not in my back yard-Phänomen“). Personen befürworten bestimmte Vorhaben zwar grundsätzlich, wollen diese aber dennoch nicht in Ihrer eigenen Nachbarschaft haben. An dieser Stelle ist es schwierig zu unterscheiden, ob die Gründe für die Beteiligung bzw. den Widerstand gegen ein Vorhaben eigennützige Motive der Bürger sind, oder ob Bürger aufgrund ihrer moralischen Überzeugung mitwirken.
Das Ergebnis einer Bürgerbeteiligung hängt auch mit dem Umfang der Bürgerbeteiligung zusammen. Führt man eine Beteiligung der Bürger nur auf kommunaler Ebene durch, so werden lediglich Personen beteiligt, die Auswirkungen eines Vorhabens direkt spüren werden, wird jedoch eine umfangreichere Bürgerbeteiligung, z.B. auf Landesebene durchgeführt, so werden auch Personen beteiligt, die nur vom Vorhaben betroffen sind, wenn sie sich direkt damit beschäftigen, bei der Ausweisung von Nationalparks beispielsweise potentielle Touristen und Naturforscher. Somit kann der Umfang der Bürgerbeteiligung auch ausschlaggebend für deren Ergebnis sein.
Aus politischer Perspektive betrachtet können sich Beteiligung und Betroffenheit gegenseitig bedingen, politische Partizipation habe einen instrumentellen Nutzen für die Partizipierenden. Betroffenheit führe zu Handlungsdruck. Diese Thesen lassen den Schluss zu, dass nur betroffene Bürger sich beteiligen, somit ist im Umkehrschluss jeder, der sich beteiligt, auch gleichzeitig betroffen. Jedoch geben diese Thesen für die Eingrenzung des Begriffes der Betroffenheit aus juristischer Sicht nur wenig Aufschluss. Auch hier findet sich kein Ansatz, der den Umfang der Beteiligung(smöglichkeiten) von Grad der Betroffenheit abhängig macht.
In manchen Landesgesnaturschutzgesetzen, wie z.B im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege im Freistaat Sachsen finden sich jedoch Personen, die bei der Öffentlichkeitsbeteiligung, bei der Ausweisung von Nationalparks, bevorzugt zu beteiligen sind. Es handelt sich hier um unmittelbar vom Vorhaben Betroffene, wie z.B. Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Flächen, die unter Schutz gestellt werden sollen. Diese sind schriftlich über die öffentliche Auslegung der Planungsunterlagen zu informieren. Jedoch gibt es auch hier Umgehungsmöglichkeiten, z.B kann diese Regelung gem. § 20 Abs. 2 S. 5 SächsNatSchG umgangen werden, wenn es sich um mehr als fünf Betroffene handelt.
Schlussendlich gibt es keine genaue rechtliche Definition, wann Betroffenheit beginnt und wann diese endet. Folgt man den Thesen für politische Partizipation, so beteiligen sich nur Menschen, die auch betroffen sind. Jedoch entsteht hier eine Gerechtigkeitslücke, da die formellen Beteiligungsmöglichkeiten kaum, bzw. in den meisten Fällen gar nicht vom Grad der Betroffenheit abhängig gemacht werden. An dieser Stelle müsste eine Kategorisierung der Intensität der Betroffenheit durch den Gesetzgeber vorgenommen werden, sodass intensiver Betroffene bei der Mitwirkung privilegiert behandelt werden können. Wer letztendlich von einem geplanten Vorhaben betroffen ist, bleibt jedoch vom Einzelfall und auch vom Umfang der Bürgerbeteiligung (auf Landes- oder kommunaler Ebene) anhängig.
Begriff der Beteiligung
Verbindliche bzw. formelle Partizipation
Neben dem Begriff der Betroffenheit bedarf es auch einer genaueren Eingrenzung des Begriffs der Beteiligung. Gerade im Hinblick auf das oben genannte „not in my back yard-Phänomen“ drängt sich die Frage auf, ob Personen, die weniger intensiv von der Ausweisung eines neuen Großprojektes, in diesem Fall von der Ausweisung neuer Nationalparks, betroffen sind die gleichen Mitwirkungsrechte und Möglichkeiten haben, wie Personen, die direkt und besonders betroffen sind. Wie bereits erwähnt, werden in manchen Landesnaturschutzgesetzen, wie z.B. im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege im Freistaat Sachsen, werden direkt betroffene Bürger (Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Nutzungsberechtigt betroffener Flächen) bevorzugt am Verfahren beteiligt, indem sie schriftlich gem. § 20 Abs. 2 S. 4 SächsNatSchG über die öffentliche Auslegung zu informieren sind, diese Regelung kann jedoch umgangen werden, wenn es sich um mehrere (im Fall von Sachsen gem. § 20 Abs. 2 S. 5 SächsNatSchG mehr als fünf) Betroffene handelt.
In der Praxis hat jeder Betroffene nur eine Stimme, die demokratisch mit anderen Stimmen gleich gewichtet wird. Um hier eine gerechte Beteiligung zu ermöglichen muss eine sinnvolle und einheitliche Eingrenzung des Betroffenenkreises definiert und vorgenommen werden.
Ebenso muss geklärt werden, welche Auswirkungen die Bürgerbeteiligung haben kann. In der Praxis können betroffene Bürger „Bedenken und Anregungen“ vorbringen, die dann geprüft werden. Dementsprechend können Bürger bei Vorhaben durch formelle Beteiligung lediglich über das „wie“ entscheiden, nicht über das „ob“. Die Umsetzung Vorhaben ist also grundsätzlich schon vor Beteiligung der Bürger beschlossen. Dies kann bei betroffenen Bürgern zu Unmut führen, da diese sich von den Verantwortlichen in Bezug auf Ihre Bedenken nicht ernst genommen fühlen, wenn ein Abbruch des Vorhabens von vornherein nicht mehr möglich ist. Umgekehrt kann dies jedoch auch dazu führen, dass Vorhaben, die von der Bevölkerung vor ihrer Umsetzung nicht akzeptiert worden wären, trotzdem gegen den ursprünglichen Willen der Bürger umgesetzt werden und im Nachhinein von diesen dennoch positiv wahrgenommen werden. Selbst wenn es zu diesem Szenario kommt, so entsteht den Verantwortlichen jedoch immernoch ein Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust in der Bevölkerung.
Mitwirkung anerkannter Naturschutzvereinigungen auf Länderebene
Verbindliche bzw. formelle Partizipation
Anerkannten Naturschutzvereinigungen stehen ebenfalls Mitwirkungsrechte zu. Voraussetzung ist jedoch gem. § 63 Abs. 2 BNatSchG die Anerkennung der Naturschutzvereinigung durch ein Bundesland nach § 3 UmwRG. Mitwirkungsrechte stehen den anerkannten Naturschutzvereinigungen gem. § 63 Abs. 2 Nr. 1-8 BNatSchG zu. Einer nach § 3 UmwRG von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, ist Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben: Bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen im Rang unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden der Länder, bei der Vorbereitung von Programmen und Plänen im Sinne der §§ 10 und 11 BNatSchG, bei der Vorbereitung von Plänen im Sinne des § 36 S. 1 Nr. 2 BNatSchG, bei der Vorbereitung von Programmen staatlicher und sonstiger öffentlicher Stellen zur Wiederansiedlung von Tieren und Pflanzen verdrängter wild lebender Arten in der freien Natur, vor der Erteilung von Befreiungen von Geboten und Verboten zum Schutz von Gebieten im Sinne des § 32 Abs. 2, Natura 2000-Gebieten, Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten und Biosphärenreservaten, auch wenn diese durch eine andere Entscheidung eingeschlossen oder ersetzt werden, in Planfeststellungsverfahren, wenn es sich um Vorhaben im Gebiet des anerkennenden Landes handelt, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind, bei Plangenehmigungen, die an die Stelle einer Planfeststellung im Sinne der § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG treten, wenn eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist, in weiteren Verfahren zur Ausführung von landesrechtlichen Vorschriften, wenn das Landesrecht dies vorsieht, soweit sie durch das Vorhaben in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird.
Bezogen auf die Ausweisung von Nationalparks sind anerkannte Naturschutzvereinigungen also gem. § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG zu beteiligen. Dazu bedarf es jedoch der Ausweisung eines Nationalparks durch eine Rechtsverordnung oder eine andere, im Rang unter dem Gesetz stehende Rechtsvorschrift. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Mitwirkungsrecht anerkannter Naturschutzvereinigungen durch das jeweilige Bundesland ausgeweitet werden, sodass eine umfangreichere Beteiligung von Naturschutzvereinigungen ermöglicht wird, dies ist beispielsweise der Fall in §45 NatSchGBln, §36 BbgNatSchAG, § 21 HmbBNatSchAG, § 30 NatSchAG M-V, § 40 LNatSchG SH.
Mitwirkung anerkannter Naturschutzvereinigungen durch Landesrecht
Verfahrensmuster bei Ausweisung durch Rechtsverordnung
Verbindliche bzw. formelle Partizipation
Grundsätzlich sind die verbindlichen und direkten Partizipationsmöglichkeiten für Bürger bei der Ausweisung eines Nationalparks durch Rechtsverordnung wesentlich umfangreicher, als bei der Ausweisung durch ein Gesetz. Meist findet eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung durch eine öffentliche Auslegung der Planungsunterlagen statt. Unter den folgenden Links können die Verfahrensabläufe der einzelnen Bundesländer im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung bei der Ausweisung durch Rechtsverordnung eingesehen werden:
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Rechtsverordnung in Bayern
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Rechtsverordnung in Hessen
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Rechtsverordnung in Nordrhein-Westfalen
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Rechtsverordnung in Rheinland-Pfalz
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Rechtsverordnung im Saarland
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Rechtsverordnung in Sachsen
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Rechtsverordnung in Schleswig-Holstein
Vergleicht man die Verfahrensabläufe der einzelnen Länder, so lassen sich viele Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede feststellen. Durch den Vergleich bilden sich Verfahrensmuster heraus, die in der folgenden Grafik zu einem Musterverfahren zusammengefasst und durch Ergänzung von individuellen Partizipationsmöglichkeiten der einzelnen Bundesländern optimiert wurden. Somit lässt sich in diesem Zwischenergebnis ein Musterverfahren für die Ausweisung von Nationalparks durch Rechtsverordnung darstellen, das die theoretisch größtmögliche formelle Bürgerbeteiligung zusammengefasst in einem einzelnen Verfahren bietet. Es handelt sich hier um die Darstellung eines idealtypischen Verfahrens bezogen auf die maximale formelle Bürgerbeteiligung bei der Ausweisung von Nationalparks durch Rechtsverordnung. In der Praxis ist dieses Verfahren so nicht existent.
Im Musterverfahren für die Ausweisung von Nationalparks durch Rechtsverordnung wird größere Bürgerpartizipation dadurch ermöglicht, dass besonders betroffene Bürger, z.B. Eigentümer und Nutzungsberechtige von Flächen privilegiert beteiligt werden, indem sie schriftlich auf die öffentliche Auslegung der Planungsunterlagen hingewiesen werden. Ebenso können Bedenken und Anregungen nicht nur während der Auslegungsfrist (ein Monat) eingebracht werden, sondern auch noch während einer zwei Wochen andauernden Nachfrist.
Verfahrensmuster bei Ausweisung durch Gesetz
Verbindliche bzw. formelle Partizipation
Die direkten und verbindlichen Partizipationsmöglichkeiten für Bürger bei der Ausweisung von Nationalparks durch Gesetz fallen wesentlich geringer aus, als bei der Ausweisung durch Rechtsverordnung. Dennoch ist auch hier ein frühzeitiger Austausch der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden mit Betroffenen und der interessierten Öffentlichkeit über ihre Planungen und Maßnahmen gem. § 3 Abs. 6 BNatSchG zu gewährleisten. Die Beteiligungsmöglichkeiten sind jedoch nicht so konkret im Gesetz definiert, wie bei der Ausweisung durch Rechtsverordnung.
Bei der Ausweisung durch Gesetz kommt es bei der Bürgerbeteiligung vor allem auf die Einflussnahme der Bürger auf politische Vertreter an (durch Wahlen, aber auch durch unmittelbare Einflussnahme) und somit eher auf die Möglichkeit einer indirekten Beteiligung am Ausweisungsverfahren an, dementsprechend existiert weniger direkt vorgeschriebene Bürgerpartizipation in Bezug auf die Ausweisung selbst. Direkte formelle Beteiligungsmöglichkeiten ergeben sich für Bürger erst, nachdem sie durch die Mitwirkung in Form von Einflussnahme auf politische Vertreter erfolgreich waren und ihre Interessen in Form von verbindlichen Partizipationsvorschriften in das Gesetz einbringen konnten. Diese nun eingebrachten direkten verbindlichen und formellen Partizipationsmöglichkeiten betreffen allerdings nicht mehr die Ausweisung des Nationalparks an sich, da diese erst nach Ausweisung des Nationalparks durch das Gesetz verbindlich werden. Sie betreffen die Mitwirkung im bereits bestehenden Nationalpark. Die Beteiligung der Bürger an der Ausweisung erfolgt also oft nicht unmittelbar, es handelt sich meist um eine „mittelbare“ Beteiligung durch die Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger und Interessenvertreter. Am Beispiel der Ausweisung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald (Rheinland-Pfalz und Saarland) wird dies deutlich:
Vor Ausweisung des Nationalparks fand ein Bürgerdialog statt, in dem die Bürger sowie die kommunalen Gebietskörperschaften Vorstellungen zu den Inhalten des Gesetzes äußern konnten. Die Durchführung eines Bürgerdialoges ist nicht verpflichtend, jedoch wurde dadurch ein frühzeitiger Austausch mit der Öffentlichkeit gem. § 3 Abs. 6 BNatSchG ermöglicht. Die geäußerten Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen im Bürgerdialog wurden als wichtige Hinweise für die Ausgestaltung des Nationalparkgesetzes angesehen. Im Nationalparkgesetz selbst (Staatsvertrag zum Nationalpark Hunsrück-Hochwald) wurden daraufhin im vierten Teil verbindliche formelle Formen der Bürgerbeteiligung festgelegt. Dazu zählen eine kommunale Nationalparkversammlung (§ 21), ein Nationalparkbeirat (§ 22) und ein Bürgerforum (§ 23) sowie die Möglichkeit für sonstige Formen der Bürgerbeteiligung (§ 23).
Bei der Ausweisung durch Gesetz kann man nicht ganz klar zwischen formeller und informeller Partizipation abgrenzen. Einerseits ist ein frühzeitiger Austausch mit der Öffentlichkeit gem. § 3 Abs. 6 BNatSchG verpflichtend, andererseits ist die Form dieses Austausches nicht festgelegt. Aus diesem Grund werden in der Praxis auf informelle Methoden, wie z.B. das Bürgerforum angewendet. Weitere Methoden der Bürgerbeteiligung können insbesondere sein: Bürgerversammlungen, Bürgerkonferenzen, Einwohnerfragestunden, öffentliche Auslegungen von Plänen, e-Partizipation, Arbeitsgruppen, Mediationen, Bürgerforen, Bürgerjournalismus, Planungszelle/Bürgergutachten, Zukunftskonferenzen, Zukunftswerkstätten. Zuletzt gibt es noch die Möglichkeit eines fakultativen Referendums aus Landesebene, mit dem Ziel, ein beschlossenes Landesgesetz wieder aufzuheben oder abzuändern. Ein fakultatives Referendum ist jedoch nur in den Bundesländern Hamburg und Bremen möglich.
Unter folgenden Links können die jeweiligen Verfahrensabläufe der Landesgesetzgebung der Bundesländer, bei denen die Ausweisung von Nationalpark durch Gesetz vorgesehen ist, aufgerufen werden, ebenso sind dort die jeweiligen Landesverfassungen verlinkt:
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Baden-Württemberg
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Brandenburg
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Berlin
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Bremen
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Hamburg
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Mecklenburg-Vorpommern
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Niedersachsen
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Sachsen-Anhalt
Vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei Ausweisung durch Landesgesetz in Thüringen
Es ist festzuhalten, dass es bei der Ausweisung von Nationalparks durch Gesetz weniger konkrete verbindliche Bürgerbeteiligung vorgeschrieben ist, als bei der Ausweisung durch eine Rechtsverordnung. Da die Akzeptanz von Nationalparks dennoch wichtige große Rolle spielt, findet auch hier eine immer größere Partizipation der Bürger statt. Ebenso haben betroffene Bürger immer die Möglichkeit, Einfluss auf Entscheidungen zu auszuüben, indem die politische Entscheidungsträger wählen und Bedenken und Anregungen gegenüber diesen vorbringen können. Jedoch wurden neben diesen selbstverständlichen Möglichkeiten auch neue Formen der Bürgerbeteiligung geschaffen, um eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit gem.§ 3 Abs. 6 BNatSchG zu gewährleisten, wie z.B. die Einführung eines Bürgerdialogs. Diese Möglichkeiten tragen zu einer Vereinfachung des Beteiligungsprozesses bei und können somit zu einer Akzeptanzsteigerung des Vorhabens führen. Eine verbindliche Durchführung dieser informellen Methoden, die in der Praxis schon angewendet werden, wäre wünschenswert, da dies zu einer transparenteren Gestaltung des Beteiligungsprozesses beitragen würde und somit auch zur Verbesserung der Akzeptanz von Vorhaben führen würde.
Kombination beider Verfahrensmuster
Musterverfahren hinsichtlich verbindlicher bzw. formeller Partizipation
Im nächsten Schritt erfolgt eine Kombination der bereits erstellten Musterverfahren für die Ausweisung von Nationalparks durch Rechtsverordnung und durch Gesetz. Ziel ist es, die Partizipationsmöglichkeiten beider möglicher Ausweisungsverfahren so zu vereinen, dass die größtmögliche Bürgerbeteiligung in Bezug auf die verbindliche bzw. formelle Partizipation dargestellt werden kann. Hier wird der Ablauf des Musterverfahrens der Ausweisung durch Rechtsverordnung als Grundlage genutzt, da mehr verbindliche Beteiligungsmöglichkeiten bei dieser Form der Ausweisung gegeben sind. Diese werden durch die Beteiligungsmöglichkeiten bei der Ausweisung von Nationalparks durch Landesgesetz ergänzt. Es sei darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren in der Realität nicht existent ist. Es handelt sich auch hier um die Darstellung eines idealtypischen Musterverfahrens bezogen auf die größtmögliche Bürgerbeteiligung, die bei der Ausweisung durch Rechtsverordnung und Gesetz möglich ist.
Möglichkeit der freiwilligen bzw. informellen Partizipation
Wie schon kurz erwähnt, steht den Bürgern neben den gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsmöglichkeiten auch immer die Möglichkeit einer freiwilligen bzw. informellen Partizipation zur Verfügung. Dieser Bereich gewinnt durch Defizite bei den verbindlichen Beteiligungsmöglichkeiten immer mehr an Bedeutung.
Die Möglichkeiten für die informelle Partizipation sind vielfältig und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Intensität. Sie lassen sich ebenfalls in drei, oben bereits genannten, „Intensitätsstufen“ einteilen. Die unterste Stufe stellt die informative Beteiligung dar. Hier werden Bürger lediglich über vorhaben informiert und können sich nicht aktiv beteiligen. Die nächste Stufe stellt die konsultative Beteiligung dar. Hier werden Bürgerinteressen ermittelt. Die höchste informelle Partizipationsstufe ist die kooperative Bürgerbeteiligung. Bei der kooperativen Bürgerbeteiligung kommt es zur aktiven Mitwirkung der Bürger, was bis zur selbstbestimmten Durchführung eines Vorhabens gehen kann.
Die Auswirkungen von der Anwendung informeller Partizipationsmöglichkeiten sind weitestgehend positiv. Sie führen zur Steigerung der Identifikation mit Vorhaben, zu Qualitätsverbesserungen im Vorhaben selbst, zur Vermeidung von Fehlplanungen und zur Beschleunigung von des Planungsprozesses sowie zur Vermeidung von Gerichtsverfahren (siehe dazu: DStGB-Leitlinien zur Bürgerbeteiligung bei Planungsvorhaben).
Erweiterung des formellen Musterverfahrens durch informelle Partizipationsmöglichkeiten
Musterverfahren hinsichtlich verbindlicher bzw. formeller und informeller Partizipation
Im letzten Schritt soll das erstellte Musterverfahren durch Möglichkeiten informeller Partizipation erweitert werden, wodurch eine noch größere und direktere Beteiligung Betroffener ermöglicht werden soll:
Wertung des Verfahrens in Bezug auf die Beteiligung der Bürger
Es fällt auf, dass die formellen Partizipationsmöglichkeiten an einigen Stellen des Verfahrens, insbesondere bei der Ausweisung von Nationalparks durch Gesetz, nicht ausreichend erscheinen. Eine aureichende Bürgerbeteiligung ist bei der Ausweisung durch Gesetz nicht immer gewährleistet, somit besteht die Gefahr, dass auch Vorhaben umgesetzt werden können, die nicht im Interesse der Betroffenen liegen. Durch den "Boom" von informellen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung wird deutlich, dass es im Interesse der Bürger liegt, an der Planung von Vorhaben aktiv mitzuwirken. Eine Verbindlichmachung von informellen Beteiligungsmethoden könnte die Transparenz von Verfahren steigern und in jedem Fall eine ausreichende Bürgerbeteiligung gewährleisten, jedoch ist es dann auch schwieriger Vorhaben gegen den Bürgerwillen durchzusetzen. Ebenso stellt sich als Defizit heraus, dass die Partizipationsmöglichkeiten die Bürger nur Mitwirkungsrechte bei der Gestaltung eines Vorhabens einräumen, über das "ob", also darüber ob ein Vorhaben überhaupt umgesetzt wird können Betroffene nicht entscheiden. Ein Abbruch des Vorhabens ist durch formelle Beteiligung nicht vorgesehen, lediglich durch informelle Beteiligungsmöglichkeiten, wie z.B. die aktive Mitwirkung in der Politik können Bürger Einfluss auf das "ob" nehmen. Zuletzt soll noch kritisch angemerkt werden, dass es bisher nur sehr wenige formellen Vorgaben darüber gibt, die einen Zusammenhang zwischen der Intensität der Betroffenheit und dem Maß an Beteiligungsmöglichkeiten herstellen. Wer stärker von einem Vorhaben betroffen ist, dessen Stimme sollte auch mehr Gewicht bei der Beteiligung haben. Eine Umsetzung dieser Idee gestaltet sich in der Praxis jedoch sehr schwierig, da zum einen das „not in my back yard-Phänomen“ gegen eine solche Regelung spricht und diese Regelung auch schwer mit der demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik vereinbar sein würde.
Vergleich der Partizipationsmöglichkeiten bei der Ausweisung von Nationalparks mit Verfahren für die Ausweisung von Vorhaben in anderen Bereichen
In den letzten Jahren wurden immer mehr Rechtsgrundlagen für eine formelle und verbindliche Bürgerpartizipation, insbesondere durch die Umsetzung von Richtlinien der EU, in vielen Bereichen geschafften. Im Naturschutzrecht sind für die allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung von besonderer Bedeutung:
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz (Umsetzung der RL 2003/35 EG), Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfestellungsverfahren (PlVereinhG), BauGB.
Diese Rechtsgrundlagen sollen in den nächsten Schritten anhand von Beispielen hinsichtlich ihrer Beteiligungsmöglichkeiten untersucht werden. Daraufhin sollen weitere Beteiligungsmöglichkeiten in das Musterverfahren für die Ausweisung von Nationalparks einfliessen, sodass eine theoretische Optimierung des Musterfahrens stattfinden kann.
..in Bearbeitung
Partizipation beim Bau von Windkraftanlagen
Das Verfahren für die Ausweisung neuer Windkraftanlagen in Deutschland richtet sich in erster Linie nach dem Baugesetzbuch und den Landesplanungsgesetzen der Bundesländer. Bürgerbeteiligung ist schon bei Aufstellung des Flächennutzungsplanes vorgeschrieben, da die Flächen für Windkraftanlagen dort gekennzeichnet werden müssen. Die Aufstellung von Flächennutzungsplänen erfolgt durch die Gemeinden. Aufgrund der Umsetzung der Energiewende sollen der Anteil an erneuerbaren Energien und somit auch der Anteil an Windkraftanlagen steigen. Durch Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG wurden in § 3 BauGB der Begriff der „Öffentlichkeit“ und in § 4a (4) S. 1 BauGB die Möglichkeit der Nutzung von „elektronischen Informationstechnologien“ eingeführt. Der Öffentlichkeitsbegriff wird im Gesetz jedoch nicht eindeutig definiert. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass Bürger, deren Rechte durch Vorhaben beeinträchtigt sein können, zu beteiigen sind (vgl. BVerGE 53, 30, S.64).
Die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden beim Aufstellen von Flächennutzungsplänen wird in §§ 3 bis 4c BauGB geregelt. Grundsätzlich läuft die Bürgerpartizipation beim Bau von Windkraftanlagen gem. des Baugesetzbuches zweistufig ab. Das bedeutet, dass dem eigentlichen Ausweisungsverfahren ein „Anhörungsverfahren“ vorgeschaltet ist.
Im Detail gestaltet sich der Verfahrensablauf folgendermaßen: Die Bevölkerung soll möglichst frühzeitig beteiligt werden, um Konflikte zu vermeiden und eine höhere Akzeptanz zu erreichen. Die Bürger sollen Einblick in die Planungen der Gemeinde erhalten, um Anregungen sowie Stellungnahmen dazu abgeben können. Dadurch soll eine Ermittlung der Bürgerbelange stattfinden. Wie dieses erste „Anhörungsverfahren“ durchgeführt wird, steht den Gemeinden frei, ebenso ist kein konkreter Zeitpunkt für die Durchführung dieses Verfahrens festgelegt. Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 BauGB sind die Bürger über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, die wesentlichen unterscheidenden Lösungen und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten und ihnen ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Die Partizipation von Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange gem. §§ 4 i. V. m. 3 Abs. 1 S. 1 BauGB soll ebenfalls möglichst frühzeitig stattfinden. Im Anschluss an die Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange sind die vorgebrachten Anregungen auszuwerten und gegebenenfalls in den Entwurf des Flächennutzungsplanes einzuarbeiten. Ändert sich das Planungsziel grundsätzlich, so ist das Verfahren erneut durchzuführen. Im weiteren Verlauf findet die zweite Stufe des Beteiligungsverfahrens statt. Dies geschieht gem. § 3 Abs. 2 BauGB, nach der Konkretisierung der Planungen. Das eigentliche Verfahren muss nicht unmittelbar an das „Anhörungsverfahren“ gem. § 3 Abs. 1 BauGB anschliessen. In der zweiten Stufe ist der Entwurf des Flächennutzungsplanes für die Dauer von einem Monat öffentlich auszulegen. § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB erfordert, dass Ort und Dauer der Auslegung, sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen sind. Neben schriftlichen Anregungen können auch mündliche Anregungen bei der Auslegungsstelle vorgebracht werden. Die Bevölkerung ist darauf hinzuweisen, dass nur Anregungen berücksichtigt werden können, die fristgemäß während der Auslegungsfrist vorgebracht werden. Personen, die eine Stellungnahme abgegeben haben, sind gem. § 3 Abs. 2 S. 4, 5 BauGB über das Ergebnis zu informieren. Die Gemeinde hat die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange ebenfalls innerhalb eines Monats zum Planentwurf und der Begründung einzuholen. Auch dieser zweite Schritt des Beteiligungsverfahrens kann parallel der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführt werden. Die Beteiligten nach § 4 Abs. 2 BauGB sollen ebenfalls von der Auslegung benachrichtigt werden.
Nach der Durchführung der zweistufigen Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange können die Gemeinden die privaten und öffentlichen Belange gegeneinander abwägen. Der Flächennutzungsplan wird danach durch Gemeinderatsbeschluss verbindlich festgestellt. Im nächsten Schritt bedarf der Flächennutzungsplan gem. § 6 Abs. 1 BauGB der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Diese Genehmigung ist innerhalb von drei Monaten zu erteilen. Sie gilt ebenfalls als erteilt, wenn nicht innerhalb der Frist unter Angaben von Gründen eine Ablehnung erfolgt ist. Zuletzt muss der Flächennutzungsplan gem. § 6 Abs. 5 BauGB noch öffentlich bekannt gemacht werden, um Wirksamkeit zu erlangen.
Vergleicht man das Verwaltungsverfahren für die Ausweisung von Windkraftanlagen mit den Verfahren für die Ausweisung von Nationalparks, so lässt sich feststellen, dass es beim Ablauf der Bürgerbeteiligung einige Parallelen gibt, jedoch unterscheiden sich die Verfahren in ihrem Grundsätzlichen Aufbau. Der zweistufige Aufbau des Ausweisungsverfahrens nach dem Baugesetzbuch kann einen höheren Grad an Bürgerpartizipation gewährleisten. Die Bürger bekommen hier mehr Möglichkeiten, Einfluss auf die Planung der Gemeinde zu nehmen. Auf der anderen Seite ist die Effektivität dieses Verfahrens auch von der Durchführung dieses zweistufigen Verfahrens abhängig. Für das „Anhörungsverfahren“ existieren keine konkreten Formvorschriften. Wie dieses Verfahren genau abläuft, bleibt den Gemeinden überlassen.
Ebenso lässt sich am Beispiel von Windkraftanlagen das Modell der Bürgerpartizipation in Form von finanzieller Beteiligung der Bürger gut veranschaulichen. Das Modell des Bürgerwindparks erfreut sich in einigen Gemeinden einer hohen Beliebtheit. Die finanzielle Beteiligung an Windkraftanlagen bietet eine demokratische Alternative zur herkömmlichen konventionellen Energieerzeugung. Jeder einzelne Bürger wird in die Entscheidungsprozesse seines Windparks einbezogen. Das Konzept ermöglicht es den Menschen vor Ort sich gemeinsam aktiv an der kommunalen Energiepolitik zu beteiligen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die finanzielle Beteiligung der Bürger konkret aussieht und wie viel Einfluss die Bürger auf das Projekt ausüben können.
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Partizipation beim Netzausbau
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Stuttgart 21
Das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ ist wahrscheinlich das populärste Beispiel für gescheiterte Bürgerpartizipation in Deutschland. Bekanntlich eskalierte der Konflikt zwischen Demonstranten und der Deutschen Bahn. Im Folgenden sollen die Fehler, die bei diesem Projekt in Bezug gemacht wurden, kurz dargestellt und untersucht werden. Es soll deutlich werden, warum das Projekt von so vielen Bürgern nicht akzeptiert wurde und warum es letztendlich zu einer Eskalation kam. Durch die Fehleranalyse soll herausgearbeitet werden, ob es Möglichkeiten gibt, die Erkenntnis aus diesen Fehlern auf das Verfahren für die Bürgerpartizipation bei der Ausweisung von Nationalparks zu übertragen, sodass dies zu einer weiteren Verbesserung des erstellten Musterverfahrens führt und Fehler bei der Umsetzung des Verfahrens schon vorher ausgeschlossen werden können, indem diese Fehler durch Rechtsgrundlagen ausgeschlossen werden.
Zunächst muss geklärt werden, ob die Verfahren genügend Parallelen aufweisen, sodass eine Vergleichbarkeit gewährleistet werden kann. Darufhin folgt eine Analyse darüber, ob es Fehlerquellen bei formellen Verfahrensvorschriften gab, die zur Eskalation des Konfliktes beigetragen haben und ob Fehler bei der Umsetzung der formellen Vorschriften gemacht wurden.Nach der Fehleranalyse erfolgt eine Darstellung der Folgen. Zuletzt sollen, im Rahmen einer Schlussfolgerung, Ideen und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie diese Fehler vermieden können.
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Weitere Verbesserungsvorschläge für das Musterverfahren
Wie bereits bei der Wertung der Verfahrensmuster angemerkt, könnten die bekannten Verfahrensmuster bei der Ausweisung von Nationalparks durch einige Aspekte ergänzt werden, sodass eine noch größere Bürgerbeteiligung garantiert wird. Man könnte z.B. einige informelle Beteiligungsmöglichkeiten verbindlich machen und somit zu formellen Beteiligungsmöglichkeiten machen. Dies würde dazu führen, dass Betroffene weniger Abhängig vom „guten Willen“ der Projektverantwortlichen werden würden.
Ebenso könnte man Partizipationsideen aus anderen Bereichen übernehmen, z.B. würde ein zweistufiges Beteiligungsverfahren, wie es bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen nach dem BauGB zum Einsatz kommt, zu einer größeren Bürgerbeteiligung führen. In diesem Fall könnten die Belange der Bürger schon vor Projektbeginn durch ein vorgeschaltetes Anhörungsverfahren ermittelt werden. Dies würde dazu führen, dass Verantwortliche die Bürgerbelange von Beginn an in die Projektplanung einfließen lassen könnten, sodass spätere Konflikte schon im Vorhinein abgewendet werden könnten.
Des Weiteren könnte die Fairness bei Beteiligungsverfahren verbessert werden, indem ein Zusammenhang zwischen dem Umfang der Beteiligung und dem der Grad der Betroffenheit hergestellt wird. In einigen Bundesländern gibt es bereits Vorschriften, die besonders Betroffene privilegiert behandeln, jedoch besteht an dieser Stelle noch Verbesserungsbedarf.
Zuletzt muss es bei der Bürgerbeteiligung auch möglich sein, dass am Ende des Beteiligungsprozesses ein Projekt nicht durchgeführt wird. Dies würde insgesamt dazu führen, dass sich Bürger bei der Partizipation ernst genommen fühlen. Solange Betroffene im Partizipationsverfahren nur über das „wie“ und nicht über das „ob“ entscheiden können entsteht ein Glaubwürdigkeitsverlust der Verantwortlichen bei den Bürgern.
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Literatur- und Quellenverzeichnis
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DStGB-Leitlinien zur Bürgerbeteiligung bei Planungsvorhaben (Zugriff: 01.08.2015)
Eser, Uta: „Ethische Überlegungen zur Bürgerbeteiligung bei der Entwicklung und Ausweisung von Nationalparks“, in Natur und Landschaft 6/2014, S. 259-263.
Giebler, Silke: „Partizipation bei der Flächenplanung von Windkraftanlagen – Bürgerbeteiligung als Politikinstrument der Verwaltung“, Ludwigsburg 2014.
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