Auslandsemester in Almaty / Kasachstan, KIMEP University
Erfahrungsbericht von Tobias Lewen
Ich bin letztes Jahr WS16/17 für 8 Monate in Kasachstan, Alma-Ata gewesen. Davon habe ich 4 Monate als mein Pflichtauslandssemester absolviert und die restlichen 4 Monate mich mit meinem Russischstudium und diversen Reisen beschäftigt.
Mein Zimmer in meiner WG in Schmalkalden konnte ich glücklicherweise für genau den Zeitraum untervermieten an einen Austauschstudenten aus Brasilien. Ich würde es jedem nur empfehlen, falls man selbst in einer WG wohnt und diese danach noch weiterführen möchte, dasselbe zu tun. Ich bin bei der AOK versichert und habe dort über die DKV eine Auslandskrankenversicherung für ungefähr 30 € abgeschlossen, es gibt jedoch viele verschiedene Anbieter mit attraktiven Preisen sobald man sich mit der Materie beschäftigt. Ich habe mich nicht direkt nach bestimmten Fluggesellschaften umgeschaut, sondern auf der Webseite skyscanner.com nach dem günstigsten Flug. Man kommt jedoch nicht drum herum über Kiew nach Almaty zu fliegen. Die Hin - & Rückflüge waren jeweils so um die 200€. Es geht noch ein wenig günstiger aber an diesem Preis kann man sich auf jeden Fall orientieren. Man sollte nicht unbedingt die günstigste
Verbindung auswählen, denn in meinem Fall bin ich auf dem Hinflug fast 2 Tage unterwegs gewesen !
Mit meinem Buddy hatte ich vorab schon sehr viel Kontakt und sie war auch sehr hilfreich bei vielen organisatorischen Dingen, jedoch vor Ort war die Kommunikation eher schwierig. Dies lag vielleicht daran, dass die Buddys fast nur Erstsemester waren und keine Erfahrung mit Austauschstudenten hatten.
Der reguläre Unibetrieb beginnt in KIMEP, der Universität in Almaty, Anfang September und wird auch mit einer großen Willkommensfeier eingeleitet. Bei allen anderen Fragen bezüglich der Uni, des Studiums oder der Wohnsituation konnte man sich immer an das International Office wenden, die immer ein offenes Ohr für einen hatten. Obendrauf hat das IO auch diverse Fahrten für die Austauschstudenten organisiert zu akzeptablen Preisen. Alles in Allem sehr sehr kompetent!
Mit der Auswahl meiner Kurse zuvor gab es keine Probleme und ich konnte alle wahrnehmen, die ich auch ausgewählt hatte. Die gesamten Vorlesungen fanden auf Englisch statt. Die Anzahl der Studenten in den Kursen war eigentlich immer konstant bei 30-45 Studenten, wobei ich mich jedoch meistens als einziger Austauschstudent dort wiederfand. Neben den Kasachen gab es dort auch Studenten aus Turkmenistan, Usbekistan und Kirgisistan.
Die Art und Weise des Unterrichtens war für mich bis dahin noch neu, denn die Uni verfolgte einen amerikanischen Weg in allen Lagen. D.h. konkret, dass es eine Anwesenheitspflicht gab, die Mitarbeit wurde bewertet, es wurden regelmäßig Zwischenprüfungen geschrieben, Vorträge gehalten und Hausaufgaben musste man auch vorweisen können. Dieses System widerspricht ja komplett der Philosophie der HS Schmalkalden. Nach einer Eingewöhnungszeit merkt man aber schnell, dass der Aufwand größer ist als an unserer HS, jedoch der Stoff deutlich einfacher zu verstehen ist und es sich in vielen Punkten überschneidet. Den Stundenplan habe ich vorgegeben bekommen.
Das Essen in der Kantine war vom Preisverhältnis genauso wie in unserer Mensa, für die dortigen Verhältnisse also nicht super günstig. Trotz des angemessenen Preises war das Essen in Ordnung, aber nicht sonderlich gut. Die Pause war dann auch leider zu kurz um sich selbst zu versorgen.
Ich konnte erstaunlicher Weise sehr oft kaum Verhaltensregeln sehen, außer auf Englisch zu sprechen und sich zu melden. Die erste Nacht und das komplette erste Semester habe ich im Wohnheim verbracht. Für umgerechnet 120€ pro Monat, denn die Wohnungspreise sind verglichen mit dem Lebenshaltungskosten relativ hoch. Mein Buddy half mir bei der Suche und ich konnte ohne große Probleme dort direkt einziehen und die Zimmer waren sehr spartanisch möbliert. Einziges Manko war, dass man sich ein Zimmer mit einem anderen Unbekannten teilen musste. Ich kam später an als der Rest der Studenten und wurde dann aber von einem Fahrer der Uni abgeholt und zum Wohnheim gebracht.
Das Leben in Kasachstan ist in vielen Bereichen deutlich günstiger als in Deutschland. So habe ich ungefähr 100 € pro Woche für Verpflegung, Transport und Spaß ausgegeben, wobei am Ende der Woche immer etwas übrig geblieben ist. Wenn man 400 € im Monat einplant, ist man damit auf der sicheren Seite plus 120 € für das Wohnheimzimmer.
Mein größtes Problem und das meiner Mitstudenten war die sehr hohe Korruption der Polizei. Man musste keine Angst vor irgendwelchen Gangstern haben, denn da konnte man sich wenigstens noch wehren, wobei man der Polizei hilflos ausgeliefert war. In den Partyvierteln lauerten diese dann in Parks und sobald man eine fremde Sprache vernahm oder man nicht einheimisch aussah wurde man willkürlich kontrolliert. Man musste horrende Strafen zahlen beim nicht Mitführenden des Passes oder sobald es irgendwelche „Ungereimtheiten“ in den Dokumenten gab. Anfangs mit schlechten bis keinen Russischkenntnissen war ich diesen Machenschaften gnadenlos ausgeliefert, als ich jedoch mein russisch verhandlungssicher machen konnte, konnte ich auch meine „Strafe“ verhandeln, da diese ja sowieso willkürlich war. Daher rate ich nur jedem, entweder sehr schnell russisch zu lernen oder wenn schon vorhanden dies gut auszubauen oder nur mit Muttersprachlern abends um die Häuser zu ziehen. Schon bei der Landung in Almaty muss man gehörig aufpassen, dass man nicht dort schon zur Kasse gebeten wird. Das Rauchen am Flughafen ist natürlich draußen erlaubt, jedoch nicht direkt vor dem Ausgang sondern erst wenn man auf die gegenüberliegende Straßenseite geht. Dies ist natürlich nicht explizit ausgeschildert und wird sehr teuer geahndet. Außerdem empfehle ich Jedem unbedingt den Abholservice der Universität in Anspruch zu nehmen! Die lokalen Taxifahrer sehen ein gefundenes Fressen in Austauschstudenten die kein russisch sprechen.
Das Land an sich ist 8-mal so groß wie Deutschland mit einer Bevölkerung von nur 17 Mio. Einwohnern. Da tun sich viele verlassene Gebiete und vor allem die weite Steppe auf. Dort ist die Infrastruktur natürlich so gut wie nicht vorhanden. Astana und Almaty dagegen weißen ein gutes Netz von Bussen auf und in Almaty gibt es noch eine ziemlich neue Metro. Das gängigste Transportmittel bleibt jedoch das „Taxi“. Egal wo man sich befindet, man stellt sich an die Straße und hält seine Hand raus und wartet bis das nächste Auto anhält. Dies dauert meistens nur wenige Sekunden bis Minuten. Dann sagt man wo man hin möchte und der Fahrer stimmt zu oder fährt wieder. Im Falle der Zustimmung muss man seine Preisvorstellung sagen und entweder es erfolgt wieder eine Zustimmung oder ein Gegenvorschlag und man kann dem dann auch zustimmen oder ein wenig verhandeln. Nach einer Weile bekommt man ein Gefühl für das Preis-/ Entfernungsverhältnis, jedoch sollte man auch hier einige Russischkenntnisse aufweisen.
Die Uni bietet viele verschieden Trips an auch ins Ausland. Diese gleichen jedoch Klassenfahrten mit geführten Touren. Wer damit kein Problem hat, sollte auf jeden Fall diese Fahrten wahrnehmen, insbesondere nach Kirgisistan und Usbekistan. Ansonsten gibt es noch diverse Seen in der Gegend und man sollte auf jeden Fall regelmäßig in den nahe gelegen Bergen wandern gehen.
Die Rückzahlung meiner Kaution war ein bisschen langatmig, aber ich musste mit einem Dokument verschiedene Büros der Universität abklappern und mir attestieren lassen, dass ich keine Schulden dort mehr habe.
Das Land konnte ich einfach so ohne weiteres verlassen. Nach Ende meines ersten Semesters bin ich noch weitere 4 Monate dort geblieben. Sehr zu empfehlen ist die Gegend um Aktau am kaspischen Meer. Die weite Steppe und das Meer dort bieten eine abwechslungsreiche Landschaft im Gegensatz zu den Bergen um Almaty herum. Und wie schon gesagt, Kirgisistan und Usbekistan sind ein Muss.
Der Arbeitsaufwand an der Universität ist während dem Semester deutlich höher, da man ständig Aufgaben und Zwischenprüfungen hat. Doch der eigentliche Lernaufwand am Ende für die Prüfungen ist deutlich geringer als in Deutschland und somit auch der Schwierigkeitsgrad.
Da ich selbst aus einem russischen Elternhaus komme, ist es mir nicht sonderlich schwer gefallen, mich dort einzugliedern. Wobei es meinen Mitstudenten deutlich schwerer gefallen ist, vieles so hinzunehmen wie es dort nun mal üblich ist. Bei der Suche nach einheimischen Freunden sollte man aufpassen, da einige Menschen dort einen selbst nur als „wandelndes Portemonnaie“ sehen und es sehr prestigeträchtig ist, mit Ausländern befreundet zu sein. Ich konnte trotzdem ein paar gute Freunde dort finden.
Rückblickend war mein Aufenthalt in Kasachstan sehr abenteuerlich und ich habe sehr gute Freunde dort finden können und hatte dort die beste Zeit meines Lebens, aber niemals könnte ich in diesem Land arbeiten, denn die Arbeitsmoral dort ist mit der in Deutschland in vielen Punkten nicht vergleichbar.
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