Grundlage des Aussonderungsrechts ist die Nichtzugehörigkeit der vom Insolvenzverwalter für die Masse in Anspruch genommenen Gegenstände, die der Berechtigte gegen den Insolvenzverwalter gemäß § 47 InsO geltend machen kann. Aussonderungsberechtigt können folgende Personengruppen sein:
I. Eigentümer/Berechtigter
1. Treuhandverhältnisse
Ein Aussonderungsrecht kann sich zunächst aus Treuhandverhältnissen ergeben. Gemeinsamer Inhalt aller Treuhandverhältnisse ist, dass der Treugeber dem Treuhänder ein Vermögensrecht überträgt oder ihm eine Rechtsmacht einräumt, ihm aber im Innenverhältnis nach Maßgabe des Treuhandverhältnisses in der Ausübung seiner ihm übertragenen Rechtsmacht beschränkt [Palandt/Bassenge § 903 Rdnr. 33 ff.]. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen einem uneigennützigen und einem eigennützigen Treuhandverhältnis.
Eine uneigennützige Treuhand liegt vor, wenn das Treuhandverhältnis nicht den Interessen des Treuhänders, sondern denen des Treugebers dient, beispielsweise bei der Abtretung einer Forderung zur Einziehung. Bei Insolvenz des Treuhänders ist dieser zwar formell Eigentümer des Treugutes geworden, der Treugeber ist jedoch materiell Berechtigter geblieben, da dem Treuhänder mehr übertragen wurde als nach dem wirtschaftlichen Zweck erforderlich gewesen wäre. Daraus folgt, dass dem Treugeber als materiell Berechtigtem in der Insolvenz des Treuhänders ein Aussonderungsrecht zusteht. Bei Insolvenz des Treugebers gilt: Fällt das Treugut in die Insolvenzmasse, kann es durch den Insolvenzverwalter des Treugebers vom Treuhänder herausverlangt werden.
Im Fall der eigennützigen Treuhand, liegt das Interesse beim Treunehmer. Praxisbeispiele sind die Sicherungsübereignung sowie die Sicherungszession. Nach herrschender Meinung hat der Treugeber dann ein Aussonderungsrecht, wenn er die gesicherte Forderung zurückgezahlt hat, da wegen der Erfüllung der gesicherten Forderung das Treugut im Außenverhältnis des Treuhänders zu seinen Gläubigern nicht aus dem Vermögen des Treugebers ausgeschieden ist und der Treuhänder sich nicht mehr aus dem Treugut befriedigen kann [RGZ 94, 305, 307; BGH WM 1962, 181; 1965, 85]. Bei Insolvenz des Treugebers gilt § 51 Nr. 1 InsO der ausdrücklich regelt, dass dem Treuhänder in der Insolvenz des Treugebers kein Aussonderungsrecht, sondern nur ein Absonderungsrecht zusteht.
2. Vorbehaltseigentümer
Der Vorbehaltseigentümer ist in der Insolvenz des Käufers zur Aussonderung berechtigt, es sei denn, dass der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs. 1 InsO die Erfüllung gewählt hat.
Während der einfache Eigentumsvorbehalt zur Aussonderung berechtigt, sind demgegenüber die Verlängerungs- und Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts rechtlich auch als Sicherungsübertragung i.S.d. § 51 Nr. 1 InsO zu werten und gewähren damit dem Verkäufer lediglich ein Absonderungsrecht nach Maßgabe der §§ 51, 52 InsO.
II. Beschränkt dinglich Berechtigter
Ein Aussonderungsrecht des beschränkt dinglich Berechtigten besteht nur, sofern das ihm zustehende dingliche Recht selbst den Gegenstand der Aussonderung bildet und nicht die Sache oder das Recht, auf dem das dingliche Recht lastet. Das Recht kann jedoch den Absonderungsrechten nach §§ 49 ff. InsO zugeordnet werden, wenn die Befriedigung aus einem zur Masse gehörigen Gegenstand beansprucht wird.
III. Besitzer
Ein Aussonderungsrecht für den Besitzer besteht, soweit er einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes gemäß § 861 BGB hat, da der Besitz unter die sonstigen Rechte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB fällt [BGHZ 32, 194, 204].
IV. Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Herausgabe
Ebenfalls aussonderungsberechtigt ist der Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Herausgabe eines dem Insolvenzschuldner nicht gehörenden Gegenstands aus der Insolvenzmasse [BGH ZIP 2001, 1469; OLG Köln WM 2001, 1924 ff.].
Kein Aussonderungsrecht begründen dagegen die Ansprüche, die auf Verschaffung eines zum Vermögen gehörenden Gegenstands gerichtet sind [BGH ZIP 2003, 1550]. Der Aussonderungsberechtigte ist nicht befugt, die Geschäftsräume des Insolvenzschuldners zu betreten, um das Aussonderungsgut auszusuchen, zu besichtigen und zu inventarisieren [LG Düsseldorf KTS 1964, 246]. Er hat lediglich einen Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Vorbereitung der Geltendmachung des Aussonderungsrechts.
V. Ersatzaussonderung, § 48 InsO
§ 48 InsO sieht die Möglichkeit einer Ersatzaussonderung vor. Ist ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden, so kann der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht (§ 48 S. 1 InsO). Voraussetzung für einen Anspruch aus § 48 S. 1 InsO ist folglich, dass der Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Verfahrens oder der Insolvenzverwalter nach Verfahrensöffnung unberechtigt über einen zur Masse gehörenden Gegenstand verfügt hat, der andernfalls dem Aussonderungsrecht des Berechtigten unterworfen gewesen wäre. Zunächst muss daher die Gegenleistung ausstehen, denn nur solange die Gegenleistung zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch ausstand, kann der Ersatzaussonderungsberechtigte von dem Insolvenzverwalter die Abtretung des Anspruchs verlangen [Vgl. BGHZ 30, 184].
Weiterhin greift § 48 S. 1 InsO nur hinsichtlich solcher individuell bestimmten Gegenstände oder Rechte ein, deren Aussonderung durch den Berechtigten gemäß § 47 InsO hätte verlangt werden können [BGH NJW-RR 1989, 252]. Darüber hinaus muss eine unberechtigte rechtsgeschäftliche Verfügung über einen Aussonderungsgegenstand gegen Entgelt an einen Dritten vorliegen. Nach h.M. ist das Tatbestandsmerkmal "rechtsgeschäftlich" auch dann erfüllt, wenn der Eigentumserwerb zwar gemäß § 946 BGB erfolgt, dies jedoch im Rahmen rechtsgeschäftlicher Beziehungen vollzogen wird [BGHZ 30, 176, 180]. Gleiches gilt jedoch nicht bei Eigentumserwerb gemäß § 950 BGB, da der Eigentumsübergang auf den Unternehmer nach § 950 BGB gerade nicht die aus dem Werkvertrag eigentlich geschuldete Übereignung an den Besteller bewirkt [BGH ZIP 1989, 933, 934]. Die Wirksamkeit der Übereignung ist dagegen nicht Voraaussetzung des § 48 S. 1 InsO [BGH NJW 1977, 901]. Die Verfügung erfolgt nicht unberechtigt, wenn sie vom Vorbehaltsverkäufer gestattet war [BGH ZIP 1989, 933]. Bei der Lieferung von Waren unter Eigentumsvorbehalt umfasst die Einwilligung jedoch nur solche Weiterveräußerungen, die im ordungsgemäßen oder normalen Geschäftsgang erfolgen [BGHZ 68, 199, 210]. Nach Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall im normalen Geschäftsgang veräußert wurde, auf das objektive kaufmännische Verhalten bei der Vornahme des Geschäfts abzustellen [BGH MW 2000, 1052 ff.].
Im Gegensatz hierzu setzt § 48 S. 2 InsO voraus, dass die Gegenleistung nicht mehr aussteht, sondern zur Insolvenzmasse gelangt und in dieser noch unterscheidbar vorhanden ist. Die Unterscheidbarkeit ist dann gegeben, wenn der Insolvenzverwalter sie auf ein Sonderkonto genommen hat oder die Überweisung auf sein Bank- oder Postcheckkonto oder auf ein seiner Verfügung unterliegendes Konto des Insolvenzschuldners erfolgt ist, da die einzelnen Buchungen die Sonderungsfähigkeit ermöglichen [BGH ZIP 2008, 1127, 1128]. Gelangt der Erlös aus der Veräußerung massefremder Gegenstände auf ein im Kontokorrent geführtes allgemeines Bankkonto des Insolvenzverwalters, unterliegt er der Ersatzaussonderung bis zur Höhe des in der Zeit danach eingetretenen niedrigsten Tagesguthabens, auch dann, wenn zwischenzeitlich Rechnungsabschlüsse mit Saldoanerkennung stattgefunden haben [BGH MW 1999, 784, 785].
|