Fall: Verhandlungen über Schaden am Auto
Am 10. 03. 2004 leiht Groß (G) seinem Freund Klein (K) seinen fast neuen 3-er Cabrio, damit dieser die ersten Strahlen der Frühlingssonne dafür nutzen kann, die attraktive Tochter des wohlhabenden Nachbars, die Hübsch (H) zu beeindrucken und auf eine kleine Spritztour durch die Lande mitzunehmen.
K parkt noch am gleichen Tag vorschriftsmäßig vor dem Haus, in dem sowohl er wie auch H wohnen. Während er an der Tür bei H klingelt, ist H gerade damit beschäftigt, einen Gartentisch aus dem Auto ihres Vaters hinters Haus zu bringen. Dabei rammt sie das Auto des G so unglücklich, dass eine Fensterscheibe bricht und die Beifahrertür komplett verbeult und zerkratzt ist. Der Schaden beläuft sich laut später angefertigtem Sachverständigengutachten auf 2.500,- EUR.
G findet dies nicht lustig und fordert von H sofort, nachdem er vom Vorfall erfährt, Ersatz des Schadens. H behauptet, dass das Auto falsch geparkt gewesen sei und dass sie im Übrigen von Papa kein Geld für solche Sachen bekomme. G setzt am 15. 04. 2004 ein Schreiben auf, in dem er H auffordert, den Schaden zu begleichen. Er fügt dem Brief einen Kostenvoranschlag seiner Werkstatt bei, aus dem Kosten in Höhe von 2.500,- EUR ersichtlich sind.
H beantwortet das Schreiben mit Hilfe ihres Vaters am 15. 05. 2004. In der Antwort fordert H den G auf, eine genaue Schilderung der Parkposition des Autos bei Schadenseintritt zu übersenden. Kurz darauf übersendet G die Informationen an H, nachdem er sich von K die Situation schriftlich schildern ließ. Danach fordert G die H erneut auf, den Schaden zu begleichen. H reagiert lange Zeit nicht, bis sie am 15. 12. 2004 ein Gutachten eines Sachverständigen verlangt, ohne das sie nicht bereit sei, den Schaden zu begleichen. G lässt ein Gutachten erstellen und übersendet dieses an H am 15. 01. 2005.
Danach gerät die Angelegenheit in Vergessenheit.
Im Januar 2008 erinnert sich G an den noch nicht ausgeglichenen Schaden und verlangt mit Schreiben vom 10. 01. 2008 von H letztmalig Zahlung von Schadensersatz. H lehnt ab. Am 25. 01. 2008 erhebt G Klage gegen H.
A. Frage
Kann G von H Zahlung des Schadensersatzes verlangen?
B. Lösungshinweise
Sachverhalt in Anlehnung an BGHZ 93, 64
Vgl. auch AS Grundlagen Fälle BGB AT S. 148
C. Musterlösung
G könnte gegen H einen Anspruch auf Zahlung des Schadensersatzes in Höhe von 2500 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB haben.
Dafür müsste G den Anspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB erworben, dürfte diesen nicht verloren haben und der Anspruch müsste auch durchsetzbar sein.
1. Erwerb des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB
G hat den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen H erworben, wenn H den Tatbestand des § 823 Abs. 1 widerrechtlich und schuldhaft erfüllt hat.
Der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass H durch ihre Handlung eines der von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter verletzt hat. H hat das Fahrzeug des G beim Tragen des Gartentisches gerammt und das Fahrzeug beschädigt. Damit hat sie durch eine Handlung das Eigentum des G verletzt.
Da für das Verhalten der H keine Rechtfertigung erkennbar ist, war ihre Handlung auch widerrechtlich.
Es stellt sich die Frage, inwiefern das Verhalten der H schuldhaft war. Schuldhaft handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Für Vorsatz der H sind im Sachverhalt keine Anhaltspunkte vorhanden. Fahrlässig handelt gem. § 276 Abs. 1 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Das Fahrzeug des G war im vorliegenden Fall ordnungsgemäß geparkt. Damit ist eine Beschädigung an diesem Fahrzeug prinzipiell nur dann möglich, wenn H beim Tragen des Gartentisches das Fahrzeug entgegen der Sorgfaltspflicht gehandelt hat. Hat H ein ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug gerammt, handelte sie deshalb schuldhaft.
Deshalb ist festzustellen, dass ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach entstanden ist.
Dem Umfang nach ist der Anspruch in Höhe des Schadens des G entstanden, d. h. die Reparaturkosten in Höhe von 2500 EUR.
2. Verlust des Anspruchs
Anhaltspunkte für Über- oder Untergang des Anspruchs sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
3. Durchsetzbarkeit
Zu prüfen ist, ob der Schadensersatzanspruch verjährt ist. Der Anspruch des G könnte gem. § 194 Abs. 1 BGB verjährt sein mit der Wirkung, dass H die Erfüllung des Anspruchs gem. § 214 BGB verweigern könnte.
Verjährung ist gegeben, wenn gem. § 194 Abs. 1 BGB ein verjährbarer Anspruch besteht, der Fristablauf begonnen hat, die Frist abgelaufen ist und mögliche Ablaufstörungen berücksichtigt sind. Ein verjährbarer Anspruch ergibt sich hier aus § 823 Abs. 1 BGB.
a. Beginn der Verjährung
Es stellt sich die Frage, wann im vorliegenden Fall die Verjährungsfrist begonnen hat. Dafür ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Frist nach § 195 BGB einschlägig ist oder ob eine andere anwendbar wäre.
Es handelt sich um keinen Anspruch im Zusammenhang mit Rechten an einem Grundstück gem. § 196 BGB. Ein Fall des § 197 BGB (dingliche, erbrechtliche, familienrechtliche bzw. gerichtlich festgestellte Ansprüche etc.) liegt hier ebenfalls nicht vor. Damit ist im vorliegenden Fall die regelmäßige Verjährungsfrist gem. § 195 BGB anwendbar.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB zum Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Berechtigte Kenntnis vom Anspruchsgegner sowie von allen anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat.
Unter der Entstehung des Anspruchs gem. § 199 Abs. 1 BGB sind sowohl der Anspruchserwerb wie auch alle anderen, zur Geltendmachung des Anspruchs notwendigen Voraussetzungen zu verstehen. Deshalb ist der Anspruch des G gegen H in dem Moment entstanden, in welchem die gesetzlichen Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt waren, sofern dieser Anspruch auch fällig war.
Die Fälligkeit des Anspruchs bestimmt sich grundsätzlich nach § 271 BGB. Sofern kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, ist der Anspruch sofort mit dessen Entstehung fällig. Für den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist hier kein von § 271 BGB abweichender Fälligkeitszeitpunkt bestimmt, so dass der Anspruch sofort mit Schadenseintritt fällig ist. Demzufolge beginnt die Verjährungsfrist im vorliegenden Fall mit Ende desjenigen Jahres, in welchem der Schaden entstanden ist.
Die H hat das Auto des G am 10. 03. 2004 beschädigt. In diesem Augenblick ist der Anspruch entstanden und er war auch sofort fällig. Gem. § 199 Abs. 1 BGB beginnt somit die Frist mit Ablauf des 31. 12. 2004.
b. Ablauf der Verjährungsfrist
Die Verjährungsfrist müsste im vorliegenden Fall auch bereits abgelaufen sein. Wie bereits oben festgestellt, ist hier die Frist des § 195 BGB anwendbar. Demnach verjährt der Anspruch nach 3 Jahren. Daher endet die Frist zum 31. 12. 2007. Da G erst am 10. 01. 2008 seinen Anspruch geltend macht und am 25. 01. 2008 Klage erhebt, wäre sein Anspruch gem. § 195 grundsätzlich verjährt.
c. Ablaufstörungen
Die Verjährungsfrist verlängert sich in den Fällen, in denen sie gem. §§ 203 ff. BGB gehemmt ist bzw. wenn sie nach § 212 BGB neu zu berechnen ist. Die Verjährungsfrist könnte sich im vorliegenden Fall dadurch verlängert haben, dass hier eine Hemmung der Verjährung gem. § 209 BGB eingetreten ist, so dass der Hemmungszeitraum nicht in die Frist einzurechnen wäre.
Nach § 203 BGB ist die Verjährung gehemmt, wenn Verhandlungen über den Anspruch laufen. G setzt am 15. 04. 2004 ein Schreiben an H auf. Anschließend haben sich die Parteien mehrfach. über die Umstände des Falles ausgetauscht. Damit hat G mit H am 15. 04. 2004 Verhandlungen aufgenommen.
Gem. § 203 BGB ist die Verjährung gehemmt, bis eine der Parteien die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die H hat am 10. 01. 2008 den Schadensersatzanspruch des G letztmalig abgelehnt. Vorher wendete sich G immer noch an H mit der Bitte um Schadensbegleichung. Somit liefen die Verhandlungen vom 15. 04. 2004 bis zum 10. 01. 2008.
Diese Zeit ist in die Verjährungsfrist nicht einzurechnen.
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