Version [3776]
Dies ist eine alte Version von FallOhneTransportkostenBitte erstellt von WojciechLisiewicz am 2009-11-12 11:30:04.
Fall: Bestellung ohne Transportkosten
A. Sachverhalt
Geiz (G) will bei Schlau (S) Büromöbel bestellen. Nach einer telefonischen Verhandlung, in der verabredet wird, dass G dem S eine Bestellung per E-Mail sendet, schreibt G:
Bitte um Lieferung der Ausstattung für 5 Büroräume inkl. Bürostühle wie besprochen und in der Anlage aufgelistet. Preis 10.000 EUR inklusive Transport. Lieferung in meinen Geschäftsräumen bis 31.10.
S veranlasst eine Lieferung, bei der dem G auch eine Rechnung übergeben wird, in der neben dem Kaufpreis zusätzlich Transportkosten in Höhe von 500 EUR berechnet werden. G beachtet es erst nicht, nimmt Möbel in Empfang. Anschließend bezahlt er nur die Möbel unter Berufung darauf, dass seine Bestellung inklusive Transport war. S verlangt Zahlung der 500 EUR.
B. Frage
Wie ist die Rechtslage?
C. Musterlösung
Es ist zu prüfen, ob S einen Anspruch darauf hat, von G Zahlung der Transportkosten i.H.v. 500 EUR zu verlangen. Dafür müsste ein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung des Kaufpreises gegeben sein.
S könnte gegen G einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises erworben haben. S hat den Anspruch erworben, wenn zwischen ihm und dem G ein Kaufvertrag geschlossen wurde und wirksam ist.
1. Vertragsschluss
Ein Vertrag kann durch Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB zustande kommen. Dafür müsste auf der einen Seite ein Angebot gemacht werden, auf der anderen Seite müsste eine Annahme zu einem Zeitpunkt gegeben sein, in dem der Antragende an das Angebot gebunden ist und die Erklärungen müssten übereinstimmen.
a. Angebot seitens G
Dadurch, dass G dem S eine Nachricht zukommen ließ, könnte seinerseits ein Angebot erklärt worden sein. Ein Angebot ist eine Willenserklärung, die inhaltlich einen Antrag (ein Angebot) i.S.d. §§ 145 ff. BGB darstellt, dem Adressaten gegenüber abgegeben worden und ihm zugegangen ist. G hat seinem Willen, Möbel im Wert von 10.000 EUR inkl. Transportkosten zu erwerben, Ausdruck gegeben, indem er eine E-Mail an S geschrieben hat. Darin liegt eine Willenserklärung seitens G vor. In der E-Mail sind inhaltlich alle vertragsrelevanten Punkte festgehalten worden, so dass sie inhaltlich ein Angebot darstellt. Durch die E-Mail ist ein Angebot abgegeben. Dem S ist die E-Mail auch zugegangen.
Damit hat G ein gültiges Angebot abgegeben.
b. Annahme
Desweiteren ist zu prüfen, ob S das Angebot von G angenommen hat. S hat die Büroausstattung an G geliefert. Darin könnte eine Annahme bestehen. Dafür ist eine Willenserklärung notwendig, die inhaltlich eine Annahme darstellt, die abgegeben worden und zugegangen ist. S hat zwar nicht ausdrücklich eine Willenserklärung abgegeben, aber aus seinem Handeln lässt sich sein prinzipieller Wille auf Annahme des Angebots von G schließen. Eine konkludente Willenserklärung des S liegt somit vor. Durch die Lieferung gibt S eine Erklärung ab. In dem Augenblick, in dem die Lieferung bei G eintrifft geht sie ihm zu.
Es ist festzustellen, dass die Annahme durch S erfolgt ist.
c. Annahmefähigkeit (Bindung an den Antrag gem. § 145 ff. BGB)
Das Angebot konnte zum Zeitpunkt der Annahme angenommen werden.
d. Übereinstimmung
Es ist ferner zu prüfen, ob die Erklärungen der Parteien übereinstimmen. Dafür müssten die Erklärungen von S und G inhaltlich gleich sein und alle wesentlichen Bestandteile des Kaufvertrages beinhalten sowie eindeutig sein.
Hier hat G erklärt, dass der Kaufpreis 10.000 EUR inkl. Transportkosten betragen soll. S berechnet dem G 500,- EUR für den Transport zusätzlich. Damit stimmen die Erklärungen nicht überein.
e. Neues Angebot des S
Die Erklärung des S stellt eine Annahme mit Änderungen dar. Darin könnte ein neues Angebot seitens S gem. § 150 Abs. 2 BGB vorliegen. Das durch S abgegebene neue Angebot kann zum Vertragsschluss führen, wenn seitens G eine Annahme zum richtigen Zeitpunkt gegeben ist und die Erklärungen (neues Angebot und Annahme seitens G) übereinstimmen.
f. Annahme durch G
Durch den Empfang der Möbel könnte eine stillschweigende Annahme durch G vorliegen. Problematisch ist, ob G den Willen hatte, die Möbel zu den von S geforderten Konditionen zu erwerben. Jedenfalls ist aber hier keine Abgabe und kein Zugang gem. § 130 Abs. 1 BGB bei S erfolgt - G hat die Möbel nur in Empfang genommen.
Gem. § 151 S.1 kommt der Vertrag allerdings auch ohne ausdrückliche Annahmeerklärung gegenüber dem Antragenden zustande, wenn dies nach Verkehrssitte oder nach dem Willen des Antragenden nicht notwendig ist. S hat hier die Möbel mit der Rechnung an G geliefert. Damit ist dem Interesse des S genüge getan, wenn G die Lieferung nur noch annimmt ohne S darüber zu informieren. Dadurch ist die Annahme erfolgt.
g. Bindung an den Antrag und Übereinstimmung
Der Antrag des S konnte zum Zeitpunkt der Annahme noch angenommen werden. Die Erklärungen stimmen überein, wenn sie eindeutig sind, sich inhaltlich decken und die wesentlichen Bestandteile des Kaufvertrages beinhalten.
G wollte zwar nicht die Transportkosten extra zahlen, jedoch hat er die Lieferung widerspruchslos in Empfang genommen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont bedeutet eine widerspruchslose Annahme einer erwarteten Lieferung ein Einverständnis mit den Lieferbedingungen.
2. Vertragsinhalt
3. Wirksamkeit
D. Lösungshinweise
Es kommt auf die Frage an, zu welchem Zeitpunkt Angebot und zu welchem Annahme erfolgt ist. Welche der Erklärungen als Angebot und welche als Annahme zu werten ist, ist im Wege der Auslegung nach § 133 BGB und § 157 BGB zu ermitteln.
CategoryFallsammlungWIPR