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Netzzugang
Rechtsfragen des Zugangs zu Energieversorgungsnetzen
A Einführung
Die Sicherstellung eines funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerbs ist eines der obersten Ziele der gesamten Regelungen des Energierechts. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Marktneulinge eine echte Marktzutrittschance erlangen. Notwendig sind daher nicht nur Regelungen, die den Wettbewerb schützen, sondern auch aktiv fördern.
Dies soll durch die Regulierung des Netzzugangs erreicht werden. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Netzzugang sind auf Grund der Tatsache notwendig, dass Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber (vgl. EnergierechtLexikon) natürliche Monopole in Bezug auf den Transport von Energie (Strom/ Gas) darstellen. Dies begründet sich darin, dass derjenige, der mit Energie handeln will, zwingend das vorhandene Netz eines Betreibers und den Zugang zu diesem zum Energietransport braucht. Denn ein konkurrierender Neubau von Netzen ist aus ökologischer Sicht nicht wünschenswert, da dies bedeuten würde, dass jedes Unternehmen, das mit Energie handeln oder jeder Letztverbraucher, der sich mit Energie beliefern lassen möchte, ein eigenes Energieversorgungsnetz bräuchte. Zudem sind die Kosten für die Errichtung eines neuen Netzes deutlich höher, als für die Mitnutzung eines bestehenden.
Da es vorkommen kann, dass Netzbetreiber ihre eigenen Netze nicht freiwillig nutzen lassen oder die Nutzung durch überzogene Zugangsbedingungen erschweren können, sind die Netzzugangsrechte als zentrale Regulierungsinstrumente unerlässlich. Durch sie soll verhindert werden, dass die Interessen des Netzbetreibers der Infrastrukturnutzung externer Anbieter nicht im Wege stehen. Die gesetzlichen Vorschriften zum Netzzugang ermöglichen daher den Anspruch, den Zugang zu Übertragungs- und Verteilnetzen von deren Betreibern verlangen zu können, um letztendlich Energie liefern oder sich beliefern lassen zu können.
In diesem Zusammenhang geht es insbesondere darum, dass neben dem Energielieferanten (traditionell gleichzeitig der Netzbetreiber) und seinem Kunden (bes. Letztverbraucher) ein drittes Rechtssubjekt zum Netz zugelassen werden soll. Dieser "Drittzugang“ wird als sog. third party access (TPA) bezeichnet und stellt einen der Kernpunkte der gesamten Liberalisierung des Energiemarktes in Europa dar.
Im Folgenden wird die Zugangsproblematik hinsichtlich des Stromnetzes dargestellt. Nicht behandelt wird der Gasnetzzugang, da dieser überwiegend mit den Grundprinzipien des Stromnetzzugangs vergleichbar ist und sich nur im Detail von dem Mechanismen des Stromnetzes aus technischen Gründen unterscheidet.
B Begriffsbestimmung
Der Netzzugang ist zunächst einmal von der Frage der bereits behandelten Netzanbindung zu unterscheiden. Während der Netzanschluss lediglich den technischen Anschluss an das Netz darstellt, bezieht sich der Netzzugang auf die Möglichkeit, das Netz, an das man angeschlossen ist, auch zum Energietransport in Anspruch zu nehmen. Daher spricht man beim Netzzugang oft auch von der sog. Netznutzung. Allein der Anschluss an ein Netz reicht somit nicht aus, um jemanden mit Energie zu beliefern oder sich selbst beliefern zu lassen. Dazu ist zusätzlich zwingend der Zugang zu einem Energieversorgungsnetz erforderlich. Die Netznutzung umfasst dabei die Energieeinspeisung an bestimmten Einspeisepunkten des Netzes und die gleichzeitige Entnahme der eingespeisten Energie an räumlich davon entfernt liegenden Entnahmepunkten.
C Rechtsnatur und Rechtsquellen
Zivilrechtlich betrachtet ist der Netzzugang bzw. die Netznutzung ein Mitnutzungsrecht an einem der Energieversorgung dienenden Netz, wobei der Zugangsberechtigte kein Mitbesitzungsrecht an diesem hat.
Der Anspruch auf Zugang zu einem Energieversorgungsnetz ergibt sich grds. aus § 20 Abs. 1 EnWG, wobei die gesamte Zugangsproblematik in den § 20 ff. EnWG geregelt ist.
Die §§ 20 bis 24 EnWG enthalten dabei Regelungen zu allgemeinen Fragen des Netzzugangs (einschließlich der Netzentgelte) und beziehen sich sowohl auf Strom- als auch auf Gasnetze. Daneben stellen die §§ 25 bis 28a EnWG Sonderregeln für den Zugang zu Gasnetzen dar.
§§ 24, 25 S. 4, 27 S. 5 und 28 Abs. 4 EnWG stellen darüber hinaus Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen, die die gesetzlichen Bestimmungen des EnWG ergänzen sollen, dar. Dazu gehören u. a. die Stromnetzzugangsverordnung (StromNVZ) und die Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV). Insbesondere ist im Falle von Kapazitätsengpässen § 7 KraftNAV zu beachten.
D Vertragsverhältnisse
Die Vertragsverhältnisse in Bezug auf den Netzzugang im Strombereich stellen sich wie folgt dar:
I. Netznutzungsvertrag gem. § 20 Abs. 1a S. 1 EnWG
Dies ist der Vertrag zwischen dem Letztverbraucher und dem Netzbetreiber. Er gewährt das Recht auf Zugang zum gesamten Elektrizitätsversorgungsnetz § 20 Abs. 1a S. 3 EnWG.
§ 24 Abs. 1 S. 1 StromNZV vermittelt den Anspruch auf Abschluss eines solchen Vertrages. Zu beachten ist hier allerdings der in § 24 Abs. 2 StromNZV vorgegebene Mindestinhalt des Netznutzungsvertrages.
Es besteht ebenso die Möglichkeit seitens des Letztverbrauchers, sich mit Strom beliefern zu lassen, ohne mit dem Netzbetreiber einen Netznutzungsvertrag schließen zu müssen.
• Zum Einen kann der Letztverbraucher direkt mit einem Energieerzeuger einen Vertrag über die Energiebelieferung abschließen. Mit dem Zusatz, dass der Energieerzeuger wiederum mit dem Netzbetreiber einen Netznutzungsvertrag zum Transport des Stroms abschließen muss.
• Zum Anderen ist ein Vertrag über die Energiebelieferung zwischen dem Letztverbraucher und einem Lieferanten denkbar. Wobei auch hier der Lieferant seinerseits einen Netznutzungsvertrag mit dem Netzbetreiber abschließen muss. In einem solchen Fall spräche man von einem sog. Lieferantenrahmenvertrag.
II. Lieferantenrahmenvertrag gem. § 20 Abs. 1a S. 2 EnWG
Hier handelt es sich wie bereits eben erwähnt um den Vertrag zwischen einem Lieferanten und dem Netzbetreiber. Der Lieferantenrahmenvertrag stellt damit eine Sonderform des Netznutzungsvertrages dar. Besonders ist, dass er sich nicht auf bestimme Energieentnahmestellen beziehen muss, wie es bei einem „normalen“ Netznutzungsvertrag der Fall ist. Als bestimmte Entnahmestelle gilt hier der jeweilige Endkunde. Dieser Unterschied zum „normalen“ Netznutzungsvertrag ergibt sich aus der Tatsache, dass ein Lieferant nicht in allen Fällen einen direkten Endkunden beliefert und somit die genaue Entnahmestelle kennt, sondern beispielsweise auch Großhändler, die ihrerseits den Strom an die Endkunden „weiterliefern“. In solchen Fällen kann der Lieferant die ganzen Endkunden bzw. Entnahmestellen nicht kennen.
Auch für den Lieferantenrahmenvertrag gibt es einen Anspruch auf Abschluss des Vertrages. Dieser ergibt sich aus § 25 Abs. 1 StromNZV. Ebenso ist auch hier ein Mindestvertragsinhalt vorgegeben gem. § 25 Abs. 2 StromNZV.
III. Bilanzkreisvertrag gem. § 26 Abs. 1 StromNZV
Der Bilanzkreisvertrag wird zwischen dem Bilanzkreisverantwortlichen und dem Netzbetreiber zur Führung, Abwicklung und Abrechnung der Bilanzkreise (vgl. EnergierechtLexikon) geschlossen. Hier werden die entsprechenden Mengen und Preise der übertragenen Energien buchhalterisch abgeglichen, um einen entsprechenden Ausgleich zwischen eingespeister und entnommener Energie zu gewährleisten. Gem. § 3 Abs. 2 StromNZV ist ein Bilanzkreisvertrag Voraussetzung für den Abschluss eines Netznutzungs- oder Lieferantenrahmenvertrages.
Zusammenfassend schildert folgende Übersicht die verschiedenen Vertragsverhältnisse:
E Durchsetzen des Netzzugangsanspruchs
Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Netzzugang (am Beispiel des Stromnetzzugangs) werden mithilfe folgender Struktur dargestellt:
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Im Folgendem werden die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen theoretisch in kurzer Form abgehandelt und im Anschluss daran anhand eines Fallbeispiels (s. Punkt F.) näher in Gutachtenform veranschaulicht.
I. Anspruchsgrundlage
Gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG haben Betreiber von Energieversorgungsnetzen nach sachlich gerechtfertigten Kriterien jedermann diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren.
Der Anspruch auf Netzzugang muss dabei sowohl dem Grunde als auch dem Inhalt nach gegeben sein.
II. Voraussetzungen für den Anspruch dem Grunde nach
1. Berechtigter
Anspruchsberechtigter ist gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG jedermann – also jede natürliche oder juristische Person (vgl. § 3 Nr. 28 EnWG). Hierbei kann es sich sowohl um einen Letztverbraucher i. S. d. § 3 Nr. 25 EnWG als auch um einen Lieferanten i. S. d. § 2 Nr. 5 StromNZV handeln. Der Anspruch auf Netzzugang steht damit nicht nur demjenigen zu, der sich mit Strom beliefern lässt,sondern auch demjenigen, der andere mit Strom beliefert.
2. Verpflichteter
Die Verpflichtung, Zugang zu einem Energieversorgungsnetz zu gewähren, trifft alle Betreiber von Energieversorgungsnetzen. Solche können gem. § 3 Nr. 4 EnWG i. V. m. § 3 Nr. 2 EnWG Betreiber von Elektrizitäts- oder Gasversorgungsnetzen sein, d. h. eine natürliche oder juristische Person sowie eine rechtlich selbstständige Organisationseinheit eines Energieversorgungsunternehmens.
3. Einbeziehung in ein Bilanzkreissystem
Der Anspruchsberechtigte muss gem. § 20 Abs. 1a S. 5 EnWG, § 3 Abs. 2 StromNZV und § 26 StromNZV in einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem eingeordnet ist, einbezogen sein.
4. Keine Verweigerungsgründe
Der Zugang zum Energieversorgungsnetz kann verweigert werden, sofern hierfür Gründe gem. § 20 Abs. 2 EnWG vorliegen. Ein solcher Grund liegt vor, wenn die Gewährung des Zugangs aus betriebsbedingten Gründen, wie einem Kapazitätsmangel, oder aus sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
a) Kapazitätsmangel
Bei einem Kapazitätsmangel besitzt das Netz nicht genügend Kapazität. Es ist so zu sagen nicht genug ausgebaut, damit alle interessierten Netznutzer es in Anspruch nehmen können. Wie im Detail Netzkapazitäten durch die Netzbetreiber zu handhaben sind, ist in § 15 StromNZV geregelt.
Das sog. Engpassmanagement stellt sich wie folgt dar:
Dabei stellt die Bewirtschaftung der Kapazität von grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen einen besonderen, allgemein als problematisch bekannten, Bereich dar. Diesbezüglich wird bereits seit Jahren grundsätzlich eine marktorientierte Zuteilung der Kapazitäten über Auktionen praktiziert.
b) Sonstige Gründe der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit
Sonstige Gründe der Unmöglichkeit bzw. der Unzumutbarkeit sind in der Praxis beispielsweise:
Bestehende gültige Lieferverträge.
Ein bestehender Liefervertrag des zu beliefernden Kunden kann zur Verweigerung berechtigen, wenn der neue Energieanbieter einen noch anderweitig gebunden Kunden beliefern will und ihm der Zugang vom Netzbetreiber verwehrt wird, weil zwischen einer eigenen Liefergesellschaft und demselben Kunden ein langfristiger Vertrag noch besteht. Dies ist mit der Verbindlichkeit von Verträgen (= pacta sunt servanda) zu begründen.
Zahlungsunfähigkeit des Anspruchstellers.
Des Weiteren kann auch die Zahlungsunfähigkeit des Anspruchstellers zur Verweigerung berechtigen. Dem Netzbetreiber ist es nicht zuzumuten, einem Nutzer Zugang zu gewähren, der nicht im Stande ist, das entsprechende Entgelt zu entrichten. Das ist besonders dann der Fall, wenn in der Vergangenheit diesbezüglich schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen wurden und Wiederholungsgefahr besteht.
III. Voraussetzungen für den Anspruch dem Inhalt nach
An dieser Stelle ist zu klären, worauf genau sich der Anspruch des Berechtigten gegen den Verpflichteten richtet.
1. Gegenstand Transportdienst
Zum Einen kann der Berechtigter den Transportdienst in Bezug auf die zu transportierende Energie vom Netzbetreiber verlangen (entweder inklusive von Messdiensten oder isoliert). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Netzbetreiber grds. den Zugang zu seinem Netz verweigert und der Anspruchsberechtigte daher seinen Anspruch auf Netzzugang/ Netznutzung geltend machen will.
2. Richtige Zugangsbedingungen
Zum Anderen hat der Berechtigte einen Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen gegen den Netzbetreiber. Als richtig gelten die Bedingungen dann, wenn sie gem. § 21 Abs. 1 EnWG diskriminierungsfrei, angemessen und transparent sind. Den Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen wird der Anspruchsberechtigte in den Fällen geltend machen, in denen der Netzbetreiber den Zugang zu seinem Netz zwar gewährt, jedoch nicht die richtigen Bedingungen dafür stellt.
a) Diskriminierungsfreie Zugangsbedingungen
An dieser Stelle gilt der Grundsatz, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Das bedeutet eine Gleichbehandlung von internen und externen Partnern sowie eine gleiche Behandlung innerhalb der Lastprofilgruppen.
b) Angemessene Zugangsbedingungen
Die Angemessenheit der Zugangsbedingungen liegt vor, sofern der Netzbetreiber den Anspruchsberechtigten nach sachlichen Kriterien gerechtfertigt behandelt gem.§ 20 Abs. 1 S. 1 EnWG. Dies beinhaltet insbesondere eine effiziente und zügige Vertragsanbahnung, wie es beispielsweise § 22 StromNZV oder § 23 StromNZV vorschreiben. Ebenfalls dürfen gem. § 14 Abs. 3 StromNZV keine Kosten bei einem Lieferantenwechsel entstehen. Das ist ebenfalls in dem neueingeführten § 204 EnWG in Abs. 3 geregelt.
c) Transparente Zugangsbedingungen
In Bezug auf die Transparenz müssen die Netzzugangsbedingungen des jeweiligen Netzbetreibers sowie die Entgeltkalkulation im Internet veröffentlicht werden. Neu ist dabei, dass dies unmittelbar nach der Ermittlung der Daten, aber bis spätestens 15. Oktober eines Jahres für das Folgejahr erfolgen muss. Sind die Entgelte bis zum 15. Oktober eines Jahres nicht ermittelt, veröffentlichen die Energieversorgungsnetzbetreiber eine Entgelthöhe, die sich voraussichtlich auf Basis der für das Folgejahr geltenden Erlösobergrenze ergeben wird (§ 20 Abs. 1 S. 1, 2 EnWG).
F Fallbeispiel
I. Sachverhalt und Fragen
Die Stadtwerke Vetternhausen GmbH (S) betreiben in der Stadt Vetternhausen (V) ein kleines Heizkraftwerk (HKW), aus dem unter anderem das Stromnetz der Stadt mit Strom versorgt wird - und damit alle Haushalte und Industriebetriebe in V. Das Stromnetz gehört der S. Zu den Kunden der S gehört unter anderem die Chemiebetriebe AG (C), die technologisch bedingt große Mengen an Strom von S bezieht. Praktisch 80 % der Grundlast aus dem HKW der S können jeweils an die C verkauft werden. Das Unternehmen, die Energiespar-GmbH (E), bietet den Chemiebetrieben C eine deutlich günstigere Versorgung an als die bestehende Lösung. Dafür müsste lediglich ein neues, eigenes HKW errichtet werden, für das auf dem Gelände der C jedoch kein Platz vorhanden ist. E plant deshalb die Errichtung des HKW am anderen Ende der Stadt und nimmt Gespräche mit S auf, um notwendige Vereinbarungen abzuschließen. Neben dem Anschluss des neuen HKW an das Netz der S soll insbesondere ein Lieferantenrahmenvertrag geschlossen werden, kraft dessen die S für die Durchleitung des Stroms verantwortlich sein soll.
Die S weigert sich jedoch zunächst, später verlangt sie von der E-GmbH die Erfüllung von extrem hohen Anforderungen und Vorlage von zahlreichen Unterlagen, was die E-GmbH für unangemessen hält.
1. Kann E von S Zugang zum Stromnetz der S verlangen?
2. Welche Handlung kann E von S genau verlangen?
Was muss dabei alles seitens E vorgelegt werden?
Welche Voraussetzungen muss E erfüllen, um das Netz der S zu nutzen?
3. Was ist der E zu raten, wenn sich S dennoch weigert?
II. Lösungen
1. Lösung zu Punkt 1
Kann E von S Zugang zum Stromnetz der S verlangen?
E könnte gem. § 20 Abs. 1 EnWG einen Anspruch auf Zugang zum Stromnetz gegen die S haben. Dazu müsste E den Anspruch dem Grunde und dem Inhalt nach erworben haben.
a) Anspruch dem Grunde nach
E hat den Anspruch dem Grunde nach erworben, wenn E Berechtigter, S Verpflichteter und E in ein Bilanzkreissystem einbezogen ist. Außerdem dürfen keine Zugangsverweigerungsgründe vorliegen.
aa) Berechtigter
Bei E müsste es sich um einen Berechtigten handeln. Berechtigter ist gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG jedermann – also jede natürliche oder juristische Person. E müsste also Letztverbraucher i. S. d. § 3 Nr. 25 EnWG oder Lieferant i. S. d. § 2 Nr. 5 StromNZV.
E könnte Lieferant sein. Gem. § 2 Nr. 5 StromNZV ist ein Lieferant ein Unternehmen, dessen Geschäftstätigkeit auf den Vertrieb von Elektrizität gerichtet ist. Laut Sachverhalt bietet E die Versorgung mit Strom an. E ist demzufolge ein Lieferant und damit Berechtigter i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG.
bb) Verpflichteter
Die S müsste Verpflichteter sein. Gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG sind Betreiber von Energieversorgungsnetzen zur Gewährung des Zugangs zu ihren Netzen verpflichtet. S müsste also ein Versorgungsnetz gehören und sie müsste Betreiberin dieses Netzes sein. Laut Sachverhalt gehört der S das Stromnetz, zu dem E Zugang wünscht, und wird ihr betrieben. Somit handelt es sich bei S um einen Verpflichteten i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG.
cc) Einbeziehung in ein Bilanzkreissystem
Des Weiteren müsste E gem. § 20 Abs. 1a S. 5 EnWG, § 3 Abs. 2 StromNZV und § 26 StromNZV in einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem eingeordnet ist, einbezogen sein. Im Sachverhalt finden sich dazu keine Angaben. Die Einbeziehung in ein Bilanzkreissystem wird daher angenommen.
dd) Keine Verweigerungsgründe
Dem Anspruch auf Netzzugang dürften weiterhin keine Verweigerungsgründe entgegenstehen. Gem. § 20 Abs. 2 EnWG kann ein Netzbetreiber den Netzzugang verweigern, wenn die Gewährung aus betriebsbedingten Gründen oder aus sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Verweigerungsgründe lägen demnach vor, wenn der Netzzugang auf Grund eines Kapazitätsmangels oder aus sonstigen Gründen unmöglich oder unzumutbar wäre. Da im Sachverhalt dazu keine Angaben gemacht sind, ist davon auszugehen, dass keine Verweigerungsgründe vorliegen.
ee) Zwischenergebnis – Anspruch dem Grunde nach
Da alle Voraussetzungen für den Netzzugangsanspruch dem Grunde nach erfüllt sind, hat E den Anspruch auf Zugang zum Stromnetz der S dem Grunde nach erworben.
b) Anspruch dem Inhalt nach
Um einen vollumfänglichen Anspruch auf Netzzugang zu haben, müsste dieser nunmehr auch dem Inhalt nach gegeben sein. Dies wäre der Fall, wenn E gegen die S entweder einen Anspruch auf Transportdienst in Bezug auf seine Energie – sprich auf Netznutzung – oder einen Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen hätte.
aa) Anspruch auf Transportdienst
Um einen Anspruch auf den Transportdienst gegen die S zu haben, müsste diese grundsätzlich die Nutzung ihres Netzes für den Energietransport verweigern. Dies ist im vorliegenden Fall nur anfänglich so. Später gewährt die S jedoch den Zugang zu ihrem Stromnetz. Ein Anspruch auf den Transportdienst hat E daher nicht gegen die S erworben.
Es bleibt daher weiter zu prüfen, ob E einen Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen hat.
bb) Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen
E könnte gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG und § 21 Abs. 1 EnWG einen Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen haben. Dies ist der Fall, wenn ihm der Zugang seitens der S nicht diskriminierungsfrei, angemessen und transparent gewährt werden würde.
Wie bereits erwähnt, willigt die S später in Bezug auf den Netzzugang ein, verlangt dafür jedoch extrem hohe Anforderungen und die Vorlage zahlreicher Unterlagen im Gegenzug.
Fraglich ist jedoch, ob die Bedingungen der S den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG und § 21 Abs. 1 EnWG entsprechen.
aaa) Diskriminierungsfreie Bedingungen
Da im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte zu einer Ungleichbehandlung des E in Bezug auf die Zugangsbedingungen zum Stromnetz der S zu erkennen sind, ist eine Diskriminierung hier auszuschließen. Die Bedingungen des S sind daher als diskriminierungsfrei anzusehen.
bbb) Transparente Bedingungen
In Bezug auf einen Verstoß gegen die Transparenz der Zugangsbedingungen sind im Sachverhalt ebenfalls keine Angaben gemacht. Es wird daher auch in diesem Punkt von der Richtigkeit der Netzzugangsbedingungen ausgegangen.
Zu prüfen bleibt im Folgenden, ob die von der S verlangten Zugangsbedingungen auch angemessen sind.
ccc) Angemessene Bedingungen
Im zugrundeliegenden Fall könnte ein Verstoß gegen richtige Netzzugangsbedingungen in Hinsicht auf die Angemessenheit dieser seitens der S vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die S den E nicht nach sachlichen Kriterien gerechtfertigt behandeln würde. Eine nach sachlichen Kriterien gerechtfertigte Behandlung drückt sich insbesondere in einer effizienten und zügigen Vertragsanbahnung sowie einem kostenfreien Lieferantenwechsel aus und muss im Übrigen angemessen sein.
aaaa) Effiziente Vertragsanbahnung und keine Kosten für Lieferantenwechsel
Im Sachverhalt gibt es keinerlei Hinweise, dass seitens der S die Vertragsanbahnungen verzögert, noch in anderer Weise gestört werden. Auch werden keine Kosten für einen Lieferantenwechsel gefordert. In diesen Punkten wird daher von einer nach sachlichen Kriterien gerechtfertigte Behandlung des E ausgegangen.
Insofern bleibt nun zu prüfen, ob die Bedingungen im Übrigen angemessen sind.
bbbb) Im Ãœbrigen angemessen
Eine Verfehlung der S hinsichtlich unangemessener Zugangsbedingungen läge vor, wenn sie in vergleichbaren Fällen, wie dem des E, andere Bedingungen stellen würde.
Da an dieser Stelle im Sachverhalt nicht genügend Angaben gemacht sind, kann sich das Ergebnis dieser Fallprüfung in Bezug auf die Angemessenheit der Zugangsbedingungen und dem damit verbundenen Anspruchserwerb dem Inhalt nach unterschiedlich darstellen, wie im folgenden Gliederungspunkt verdeutlicht wird.
cc) Zwischenergebnis – Anspruch dem Inhalt nach
Wäre die Konstellation gegeben, dass die S den E hier anders behandelt, als vergleichbare Fälle, würde es sich um unangemessene Zugangsbedingungen handeln. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Zugangsbedingungen des E von denen des von der S selbst betriebenen HKWs abweichen würden. E hätte damit einen Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen und somit den Anspruch auf Netzzugang auch dem Inhalt nach erworben.
Da dem Sachverhalt diesbezüglich keine Informationen zu entnehmen sind, wäre es jedoch auch möglich, dass die S den E hier genauso in Bezug auf die Netzzugangsbedingungen behandelt, wie vergleichbare Fälle. Dann lägen keine unangemessenen Bedingungen vor. E hätte keinen Anspruch auf richtige Zugangsbedingungen und somit auch keinen Netzzugangsanspruch dem Inhalt nach erworben.
c) Gesamtergebnis
Ob E den Anspruch vollständig – also dem Grunde und dem Inhalt nach – erworben hat und damit den Zugang zum Stromnetz der S verlangen kann, hängt von der Argumentation im zuvor behandelten Punkt ab und bleibt daher an dieser Stelle offen.
2. Lösung zu Punkt 2
Welche Handlungen kann E von S genau verlangen?
• E kann gem. § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG den Netzzugang verlangen, sofern er den Anspruch
darauf erworben hat.
Um den Anspruch des Netzbetreibers auf eine Gegenleistung in Form von Entgelt
abzusichern, ist der Abschluss eines zusätzlichen Vertrages in Form eines Netznutzungs-
oder Lieferantenrahmenvertrages notwendig. Diese Notwendigkeit der vertraglichen
Ausgestaltung ergibt sich aus § 20 Abs. 1a EnWG.
• Ebenso kann E den Abschluss des Lieferantenrahmenvertrages verlangen, gem. § 25 Abs. 1 StromNZV.
Was ist seitens E vorzulegen? Welche Voraussetzungen muss E erfüllen?
• E muss gem. § 20 Abs. 1 S. 5 EnWG, § 3 Abs. 2 StromNZV und § 26 StromNZV nachweisen, dass er durch einen Bilanzkreisvertrag in ein Bilanzkreissystem eingebunden ist.
• Desweiteren ist E verpflichtet Auskunft in Bezug auf die Punkte zu geben, die nach § 25 Abs. 2 StromNZV als Mindestinhalt des Lieferantenrahmenvertrags vorgeschrieben sind.
• Da es sich bei E um einen Lieferanten handelt, darf die S als Betreiber eines Elektrizitätsversorgungsnetzes gem. § 24 Abs. 1 S. 2 StromNZV die Erteilung des Netzzugangs nicht von dem gleichzeitigen Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen ihr und dem Letztverbraucher abhängig machen.
3. Lösung zu Punkt 3
Was ist E zu raten, wenn S dennoch den Zugang verweigert?
• E muss gem. § 14 Abs. 3 StromNZV mindestens einen Monat vor dem gewünschten Netzzugang einen konkreten Antrag auf Zugang bei der S stellen. Nach § 23 Abs. 1 StromNZV ist die S daraufhin verpflichtet, innerhalb einer Frist von sieben Arbeitstagen nach Eingang der Anforderung ein vollständiges und bindendes Angebot abzugeben.
• E kann seinen Netzzugangsanspruch sowohl zivilrechtlich, als auch verwaltungsrechtlich durchsetzen.
a) Sofern sich S grundsätzlich weigert, Zugang zu gewähren:
aa) Mit Hilfe der Regulierungsbehörde
Aus Sicht des E liegt ein missbräuchliches Verhalten der S vor (§ 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EnWG). E kann daher einen Antrag auf Durchführung eines Missbrauchsverfahrens durch die BNetzA stellen. Wäre E Verbraucher, könnte er auch gem. § 31 Abs. 2 EnWG ein besonderes Missbrauchsverfahren beantragen. Entscheidet die BNetzA im Sinne des E, kann diese den Netzzugang gem. § 30 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 EnWG anordnen. Entscheidet sie gegen ein missbräuchliches Verhalten, kann E Beschwerde beim OLG Düsseldorf einreichen.
bb) Klage erheben
E kann im Rahmen einer Leistungs-, Feststellungs-, modifizierten Stufenklage oder im Rahmen einer einstweiligen Leistungsverfügung sein Recht durchsetzen. Die Klage kann dabei gerichtet sein auf:
• Zugang direkt gem. § 20 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 25 StromNZV
• auf Unterlassung/Beseitigung gem. § 32 EnWG
• auf Annahmeerklärung gem. § 894 Abs. 1 ZPO
b) Sofern sich S nicht grundsätzlich weigert, aber unangemessene Bedingungen stellt:
aa) Mit Hilfe der Regulierungsbehörde
Die BNetzA empfiehlt in diesem Fall, die Vertragsbedingungen zunächst unter Vorbehalt anzunehmen, gleichzeitig aber einen Antrag auf ein Missbrauchsverfahren gegen die S zu stellen. Entscheidet die BNetzA im Sinne des E, ändert sie die Vertragsbestimmungen gem. § 30 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 EnWG ab. Entscheidet sie sich gegen E, kann dieser wieder Beschwerde beim OLG Düsseldorf einreichen.
bb) Klage erheben
Hier kann E wieder genauso verfahren, wie in dem Fall, dass S den Zugang grundsätzlich verweigert.
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CategoryEnergierecht