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Grundversorgung

Fallbeispiel

A. Sachverhalt
Stadtwerke Osthausen GmbH (O) und Stadtwerke Westhausen GmbH (W) betreiben Stromversorgungsnetze in benachbarten, unmittelbar aneinander angrenzenden Stadtgemeinden sowie im Umland der beiden Städte. Beide Unternehmen haben den Netzbetrieb in jeweils eine Netzgesellschaft ausgegliedert. Die jeweilige Stammfirma der Stadtwerke ist für den Stromvertrieb zuständig. Zwischen den Unternehmen herrscht ein erbitterter Wettbewerb - jedes Unternehmen versucht, bessere Ergebnisse zu erwirtschaften, als das jeweils andere. Seit der Liberalisierung der Strommärkte werben die benachbarten Stadtwerke sich auch gegenseitig Kunden ab.

Die O hatte traditionell etwas mehr Kunden, weil die Stadt O und die umliegenden Ortschaften etwas mehr Einwohner haben (insgesamt 130.000 angeschlossene Haushalte). Da aber im recht großen, im Westen des Gemeindegebiets liegenden Stadtteil Osthausen-Grauslich (ca. 20.000 Haushalte) ausgesprochen viele sozial schwache Einwohner leben, ist das Finanzergebnis der O nicht besser, als das der W. Viele Kunden aus dem problematischen Stadtteil, die im Rahmen der Grundversorgung mit Strom beliefert werden, bezahlen ihre Rechnungen nicht. Die Eintreibung von daraus resultierenden Forderungen gestaltet sich schwer und langwierig, viele Forderungen müssen immer wieder abgeschrieben werden.

Die W versorgt lediglich 105.000 Haushalte und Gewerbetreibende, dafür wirbt sie viel aggressiver und gewinnt im direkt benachbarten Gebiet - auch im Stadtteil Osthausen-Grauslich - immer mehr Kunden. Dabei ist der Vertrieb der W derart geschickt, dass ausschließlich zahlende Kunden abgeworben werden. Im Ergebnis beliefert W insgesamt 25.000 Haushalte und kleine Gewerbetreibende aus dem Netzbereich der O.

Da auf diese Weise die O immer mehr lukrative Kunden verliert, die Grundversorgung der sozial schwachen Letztverbraucher aber dennoch gewährleisten muss, sieht sie sich gezwungen, gegen diese "ungesunde Schieflage" (so die Geschäftsleitung der O) etwas zu unternehmen. Dabei kommt man bei O auf folgende Idee:
- die Netzgesellschaft der O wird in zwei GmbH-s aufgeteilt - in die Osthausen-Netzgesellschaft GmbH (ON) und in die Osthausen-Grauslich-Netz GmbH (OGN);
- die letztgenannte Gesellschaft (OGN) übernimmt einen relativ gut abtrennbaren Netzbereich im Stadtteil Osthausen-Grauslich und in einigen kleinen, technisch mit dem Netz des Stadtteils gut verbundenen Gewerbegebieten (insgesamt 16.000 Haushalte bzw. Gewerbeeinheiten).

Die Maßnahmen werden umgesetzt und nun bereitet sich die O darauf vor, dass im Stadtteil Osthausen-Grauslich die W die Grundversorgung übernehmen soll.

1. Wann muss ein Energieversorgungsunternehmen die Pflicht zur Grundversorgung übernehmen?
1. Welche Pflichten resultieren aus der Festlegung als Grundversorger?
1. Muss W im oben geschilderten Fall die Grundversorgung im benannten Stadtteil übernehmen?

B. Lösungshinweise

1. Wann muss ein Energieversorgungsunternehmen die Pflicht zur Grundversorgung übernehmen?
Das Energieversorgungsunternehmen muss die Grundversorgungspflicht übernehmen, wenn es gemäß § 36 II 1 EnWG im Netzgebiet der allgemeinen Versorgung die meisten Haushaltskunden beliefert. Dabei spielen die aktuellen gegebenen Marktverhältnisse eine große Rolle. Maßgeblich dabei ist die Zahl der Verträge über die Abnahmestellen der Haushaltskunden. Gemeint ist nicht die Anzahl der von dem Energieversorgungsunternehmen versorgten Personen bzw. Vertragspartner sondern die Zahl der Vertragsverhältnisse. Auch die Art und der Umfang der Versorgung von Haushaltskunden ist hier bedeutungslos (es spielt also keine Rolle, ob es sich um Ersatzversorgung, Grundversorgung oder Reserveversorgung etc. handelt).
In diesem Fall hat O 130.000 angeschlossene Haushalte, was der Mehrheit entspricht. W hingegen hat nur 105.000 angeschlossene Haushalte. Somit ist hier O der Grundversorger.
Dies muss zusätzlich durch den Netzbetreiber gemäß § 36 II 2 EnWG festgestellt werden. Dieser muss dann die nach Landesrecht zuständige Behörde informieren.

2. Welche Pflichten resultieren aus der Festlegung als Grundversorger?
Der Grundversorger muss gemäß § 1 I EnWG eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Versorgung anbieten. Er muss gemäß § 36 I S.1 EnWG für das jeweilige Netzgebiet seine allgemeinen Preise und Bedingungen öffentlich bekannt geben und im Internet veröffentlichen. Zudem ist er gemäß § 18 I EnWG verpflichtet Haushaltskunden zu beliefern und diese nach § 36 I S.1 EnWG unter Kontrahierungszwang bedingungsgemäß zu versorgen.
Wie bereits erwähnt, ist O hier Grundversorger. Er ist folglich verpflichtet, unabhängig von der Attraktivität der zu versorgenden Gebiete für jeden Haushaltskunden einen sicheren, preisgünstigen, effizienten und umweltverträglichen Strom zu liefern. Die allgemeinen Preise und Bedingungen werden gemäß § 39 II S.1 EnWG von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie überwacht. Dabei muss sicher gestellt werden, dass jeder Haushaltskunde von einem Energieversorgungsunternehmen beliefert wird. Die Ausgestaltung der Preise und Leistungen richtet sich nach § 1 I EnWG, da es im § 36 EnWG und den folgenen Paragraphen des EnWG keine materiellen Vorgaben gibt. Weitere Verordnungen zu den allgemeinen Preisen und Bedingungen finden sich in der StromGVV und GasGVV.

3. Muss W im oben geschilderten Fall die Grundversorgung im benannten Stadtteil übernehmen?
W müsste Verpflichteter i. S. d. § 36 I S.1 EnWG sein. Die formelle Voraussetzung hierfür ist die Feststellung nach § 36 II EnWG. Materiell muss W gemäß § 36 II EnWG ein Energieversorgungsunternehmen sein, die meisten Haushaltskunden im Netzgebiet der allgemeinen Versorgung versorgen. An diesem Punkt stellt sich allerdings die Frage, ob eine solche von O geplante Aufspaltung des Netzgebietes auf die Frage Einfluss hat, wie das Netzgebiet i. S. d. § 36 II EnWG zu bestimmen ist.

Es bestehen keine konkreten gesetzlichen Vorgaben zur Netzgebietseinteilung. Das Netzgebiet muss jedoch in der Regel gemeindegebietsbezogen definiert werden. Es kann allerdings auch kleiner ausfallen als das jeweilige Gemeindegebiet, weshalb eine Aufspaltung zunächst einmal denkbar ist und Einfluss auf die Bestimmung des Netzgebietes haben kann. Allerdings ist ein Netzgebiet, das nicht mit dem Gemeindegebiet deckungsgleich ist, grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn dies auf die Struktur der Konzessionsverträge i. S. d. § 46 EnWG zurückzuführen ist. Es muss jeweils eine klare Abgrenzung ersichtlich sein, was der Konzessionsvertrag unterstützen würde. Sonst wäre die Bestimmung des Grundversorgers zu kompliziert.



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CategoryEnergierecht
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