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Grundversorgung und Ersatzversorgung

Spezialregelungen für Energielieferverträge im EnWG

Neben allgemeinen zivilrechtlichen Regeln finden auf Energielieferverträge einige Spezialvorschriften des EnWG Anwendung, die insbesondere dann greifen sollen, wenn die Versorgung auch ohne explizite privatrechtliche Vereinbarung aufrechterhalten werden muss. Hierfür hat der Gesetzgeber die Rechtsinstitute der Grundversorgung und der Ersatzversorgung geschaffen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, wann ein Anspruch auf die Grundversorgung besteht bzw. wann ein EVU die Grundversorgung übernehmen muss (vgl. Abschnitt B.). Für die Praxis relevant ist ebenfalls die Frage, wann die Ersatzversorgung greift (C.). Aber auch die Frage, wer Grundversorger (also für die Grundversorgung verantwortlich) ist, wurde im EnWG geregelt (D.). Am Ende des Artikels wird die Bestimmung des Grundversorgers anhand eines einfachen Fallbeispiels erläutert (E.). Vor den oben genannten Rechtsfragen der Grund- und Ersatzversorgung wird noch eine kurze Einführung in die Problematik der Grund- und Ersatzversorgung vorgenommen (A.).

A. Einführung und Grundlagen


1. Rechtsquellen
Die Grundlage für die Regelung der Grund- und Ersatzversorgung bildet das europäische Recht, d. h. die Richtlinien 2009/72/EG und 2009/73/EG. Im deutschen Recht wurden die Regelungen zur Versorgung der (Letzt-)Verbraucher mit Energie mit den §§ 36 ff. EnWG umgesetzt. In diesen Vorschriften sind allerdings nur die grundlegenden Pflichten des Versorgers im Bereich der Grundversorgung beschrieben. Der detaillierte Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Haushaltskunden ist nicht im EnWG selbst, sondern in Ausführungsverordnungen geregelt, die gem. § 39 EnWG erlassen wurden: in der StromGVV und in der GasGVV.

2. Grundversorgung - Zweck des Rechtsinstituts und seine rechtliche Ausgestaltung
Sofern ein Strom- oder Gaskunde seinen Lieferanten nicht nach allgemeinen Marktregeln auswählt, sondern Energie einfach nur bezieht, stellt sich im Falle der netzgebundenen Versorgung die Frage, von wem diese Energie geliefert wird. Das EnWG sieht dafür den sog. Grundversorger vor, der die Grundversorgung für all diejenigen Kunden übernimmt, welche keine expliziten Energielieferverträge (sog. Sonderverträge) abschließen und dennoch versorgt werden müssen.
Das Recht auf Grundversorgung gem. § 36 EnWG ist dabei nicht für institutionelle oder Industriekunden vorgesehen, sondern lediglich für Haushaltskunden i. S. d. § 3 Nr. 22 EnWG.

a. Pflichten des Grundversorgers im Überblick
Ein EVU, das die Aufgabe eines Grundversorgers übernimmt, hat insbesondere folgende Pflichten:
      • gem. § 36 Abs. 1 EnWG ist er verpflichtet, jeden _Haushaltskunden_ mit Strom in Niederspannung und mit Gas in Niederdruck entsprechend den Vorgaben des § 1 EnWG (sicher, preisgünstig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltfreundlich) zu beliefern;
      • des weiteren muss er zu den allgemeinen (veröffentlichten) Preisen und Bedingungen - wie in § 36 Abs. 1 EnWG vorgesehen - versorgen;
      • diese Bedingungen hat der Grundversorger jedem Neukunden sowie allen übrigen Kunden rechtzeitig vor Vertragsschluss bzw. mit der Vertragsbestätigung unentgeltlich auszuhändigen (§ 2 I StromGVV);
      • zusätzlich ist der Grundversorger verpflichtet, den Kunden über Änderungen zu unterrichten und diese Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen;
      • usw.

b. Der Grundversorgungsvertrag
Obwohl die Grundversorgung praktisch ohne Zutun des Kunden stattfinden kann, handelt es sich dabei um ein vertragliches Schuldverhältnis. Für einen Vertragsschluss sind ein Angebot und eine Annahme erforderlich. In welcher Form die Rechtsverhältnisse zwischen den Versorgungsunternehmen und den Haushaltskunden begründet werden, wird durch die Ausführungsverordnungen (StromGVV und GasGVV) detailliert geregelt. Der Grundversorgungsvertrag _soll_ jeweils nach § 2 I StromGVV bzw. § 2 I GasGVV in Textform geschlossen bzw. zumindest nachträglich in Textform bestätigt werden. Die Textform ist dabei keine Wirksamkeitsbedingung, sondern lediglich eine Dokumentationspflicht. Ohne Einhaltung dieser Form ist der Vertrag nicht etwa gemäß § 125 BGB nichtig. § 2 Abs. 2 StromGVV und GasGVV sieht gar einen konkludenten Vertragsschluss vor. Der Vertrag kommt bereits dann zustande, wenn der Haushaltskunde Energie aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnimmt, indem er Geräte einschaltet, die Energie verbrauchen. Diese Handlung ist als Angebotsannahme anzusehen und wird - obwohl es nur eine tatsächliche Handlung ist - als eine entsprechende konkludente Willenserklärung behandelt. In einem solchen Fall ist der Haushaltskunde gemäß § 2 II StromGVV bzw. § 2 II GasGVV angehalten, die Entnahme von Elektrizität oder Gas in Textform dem Grundversorger mitzuteilen. Daraufhin sollte das EVU den Vertragsschluss in Textform bestätigen.


B. Anspruch auf Grundversorgung
Wenn ein Rechtssubjekt - ob Verbraucher oder gewerblicher Kunde - Waren oder Dienstleistungen beschafft, muss dieser in der Regel einen Anbieter finden, entsprechende Verträge abschließen und abwickeln. Im Falle der Energieversorgung entspricht dies aber nicht den allgemeinen Gewohnheiten. Auch möchte der Gesetzgebers diesen Aufwand - zumindest manchen Kunden - nicht zumuten. Deshalb garantiert das EnWG diesen Kunden die Belieferung auch dann, wenn sie sich darum gar nicht kümmern. Dieses Recht auf Grundversorgung ist in § 36 EnWG geregelt. Nachstehend wird diese sog. Grundversorgungspflicht des EVU auf der einen und der Anspruch des Kunden auf der anderen Seite erläutert.

1. Voraussetzungen des Anspruchs dem Grunde nach
Ein Anspruch auf Energiebelieferung im Rahmen der Grundversorgung besteht, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
    • der Anspruch gegen den am betroffenen Ort festgelegten Grundversorger gerichtet wird und
    • die Grundversorgungspflicht nicht gesetzlich ausgeschlossen ist (s. u.).

2. Ausnahmen von der Grundversorgungspflicht (§§ 37, 36 I 2 EnWG)
Unter Umständen hat ein Haushaltskunde keinen Anspruch auf die Grundversorgung. Dies ist in folgenden Konstellationen der Fall:

a. Eigen- oder Drittversorgung, § 37 Abs. 1 EnWG
Der Anspruch auf Grundversorgung ist gem. § 37 I EnWG ausgeschlossen, wenn der Kunde nicht nur ein letztverbrauchender Haushaltskunde ist, sondern auch eine eigene Erzeugungsanlage nutzt oder sich von einem Dritten versorgen lässt. Bei einer Eigenerzeugungsanlage ist insofern irrelevant, wer diese im technischen Sinne betreibt.
In einigen Fällen besteht der Anspruch auf Grundversorgung dennoch (Ausnahme von der Ausnahme des § 37 Abs. 1 EnWG). Dies ist dann der Fall, wenn der Kunde gem. § 37 I S. 3 EnWG:
      • eine Notversorgung parat hält (das Notstromaggregat darf allerdings wirklich nur in seiner Funktion betrieben werden, d. h. um den Eigenbedarf abzudecken, wenn die öffentliche Versorgung ausbleibt; im Übrigen darf es nur 15 Stunden pro Monat zur Erprobung betrieben werden);
      • oder eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage betreibt (sofern diese Anlage eine Leistung von höchstens 50 kW hat);
      • oder eine Anlage zur Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen (EEG-Anlage ohne Leistungsbegrenzung) betreibt.

b. Zusatz- oder Reserveversorgung
Die Ausnahme des § 37 Abs. 1 EnWG hat keinen unbedingten Charakter. Der Kunde kann trotz der Eigen- oder Drittversorgung an der Grundversorgung dennoch interessiert sein. Im Falle einer eigenen Erzeugungsanlage, die seinen gesamten Bedarf deckt, kann er eine Reserveversorgung benötigen, die im Falle des Ausfalls oder der Wartung der Eigenerzeugung genutzt wird.
Die Reserveversorgung ist gem. § 37 Abs. 2 EnWG nur zumutbar, wenn sie den gesamten Eigenbedarf erfasst und ein fester, von der jeweils gebrauchten Energiemenge unabhängiger angemessener Leistungspreis mindestens für die Mindestvertragslaufzeit eines Jahres bezahlt wird.
Ungeachtet des § 37 II EnWG kann der Kunde im Rahmen des Zumutbaren auch eine Zusatzversorgung verlangen, insbesondere dann, wenn seine alternative Versorgung seinen Eigenbedarf nicht komplett decken kann. Das heißt, dass die Eigen- oder Drittversorgung den Anspruch nicht komplett ausschließt, sondern diesen insofern modifiziert, als die wirtschaftliche Zumutbarkeit unter den geänderten Umständen (keine vollständige Versorgung durch den Grundversorger) zu prüfen ist. Ist sie nicht gegeben, entfällt der Anspruch; bleibt sie bestehen, dann kann der Kunde eine angepasste Versorgungsart in Anspruch nehmen.

c. wirtschaftliche Unzumutbarkeit gem. § 36 I 2 EnWG
Haushaltskunden können von der Grundversorgung ausgeschlossen werden, wenn die Grundversorgung für den Grundversorger wirtschaftlich unzumutbar ist. Diese Ausnahme der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist in § 36 I 2 EnWG vorgesehen. Demnach ist der Grundversorger von der Versorgungspflicht befreit, wenn die schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen des Grundversorgers nicht angemessen berücksichtigt würden oder es zu wesentlichen Sondervorteilen beim Kunden käme, welche gleichzeitig die Wahrung der Preisgerechtigkeit verletzen. Die Gründe für eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegen folglich meist in der Person des Haushaltskunden und ergeben sich aus alten oder noch aktuellen Grundversorgungsverhältnissen wie beispielsweise:
      • Zahlungsunfähigkeit
      • Zahlungsverweigerung
      • aufgelaufene Zahlungsrückstände
      • fehlende Kreditwürdigkeit
      • vorangegangene Fälle des Energiediebstahls
Um den Gründen für diese Ausnahme, d. h. dem Inkassorisiko entgegenzuwirken, kann der Grundversorger von dem Haushaltskunden Vorauszahlungen und Sicherheitsleistungen verlangen. Die Sicherheitsleistungen können nur dann verlangt werden, wenn tatsächlich ein Zahlungsrisiko besteht. Im Übrigen ist zu beachten, dass ein nur temporäres Versorgungsinteresse in der Regel als zumutbar anzusehen ist, was auch bei Mietern von Hotelwohnungen oder selten genutzten Ferienbehausungen der Fall sein kann, wenn die Versorgung nicht durch den Eigentümer gewährleistet wird.

Durch den Verweis in § 38 I EnWG auf § 36 I EnWG gilt die Ausnahme der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit zusätzlich auch für die Ersatzversorgung, welche weiter unten in diesem Artikel ausführlicher erläutert wird.


3. Inhalt des Anspruchs
Zur Grundlage des Grundversorgungsvertrages gehören auch die allgemeinen Preise und Bedingungen gemäß § 36 I EnWG. Sie stellen dabei eine Art AGB der Grundversorgungsverträge. Es ist dabei allerdings zu beachten, dass die meisten Vorgaben des Rechtsverhältnisses zwischen dem Haushaltskunden und dem Grundversorger bereits in der StromGVV und in der GasGVV geregelt sind und der Grundversorger lediglich diejenigen Inhalte regeln kann, die entweder in den Verordnungen nicht vorgegeben sind oder wenn in den Verordnungen dafür speziell Raum vorgesehen ist.
Mit dem § 39 EnWG hat sich der Gesetzgeber zusätzlich die Möglichkeit offen gehalten, die allgemeinen Preise und Bedingungen selbst zu regeln. Dies geht allerdings nur innerhalb der Grenzen des § 1 I EnWG, welcher die Anforderungen an die Versorgung der Allgemeinheit definiert. Die allgemeinen Bedingungen wurden in der StromGVV und in der GasGVV geregelt, während der Gesetzgeber von der Möglichkeit in § 39 Abs. 1 EnWG bislang keinen Gebrauch gemacht hat.

Art. 36 Abs. 1 EnWG sieht vor, dass der Grundversorger sowohl Allgemeine Bedingungen wie auch Allgemeine Preise der Versorgung veröffentlicht. Die Allgemeinen Bedingungen enthalten in erster Linie die Konditionen, zu denen der Grundversorger die Haushaltskunden mit Strom oder Gas beliefert, d. h. Art und Umfang der Versorgung, Aufgaben und Rechte des Grundversorgers, Abrechnung der Energielieferung, Beendigung des Grundversorgungsvertrages. Sie sind durch die StromGVV und GasGVV staatlich vorgegeben. Die Allgemeinen Preise hingegen sind Verzeichnisse mit Preisen, zu denen Haushaltskunden mit Strom und/ oder Gas versorgt werden, sobald das Grundversorgungsverhältnis begründet wird. Sie können sich dabei aus einem festen Grundpreis und einem verbrauchsabhängigen Arbeitspreis zusammensetzen.
Neben der StromGVV und GasGVV kann der Grundversorger einige Fragen des Grundversorgungsverhältnisses in gewissem Maße selbst regeln. Dies geschieht - sofern im Rahmen der StromGVV und GasGVV zulässig in den sog. ergänzenden Bedingungen. Diese werden - sofern veröffentlicht - zusätzlich in den Grundversorgungsvertrag aufgenommen und gelten dann ebenso automatisch. Ein Beispiel für die in ergänzenden Bedingungen regelungsfähigen Fragen sind die Mahn- und Inkassokosten.


4. Beendigung der Grundversorgung
Die Beendigung des Grundversorgungsvertrages kann wie gewohnt durch eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung erfolgen. Grundsätzlich gilt gemäß § 20 StromGVV bzw. § 20 GasGVV eine Frist von 1 Monat zum Ende eines Kalendermonats. Falls ein Haushaltskunde jedoch umzieht, verkürzt sich die Kündigungsfrist auf 2 Wochen zum Monatsende.
Möchte hingegen der Grundversorger kündigen, bedarf es der weiteren Voraussetzung des § 36 I S.2 EnWG. Demnach muss seine Grundversorgungspflicht auch weggefallen sein.

Ordentliche Kündigung
      • hier reicht jeweils die Textform aus
      • falls der Haushaltskunde kündigt, muss der Grundversorger dies innerhalb von 2 Wochen auch in Textform bestätigen
      • für den Kündigungsfall darf der Grundversorger keine zusätzlichen Entgelte verlangen (auch nicht bei Wechsel zu einem konkurrierenden Lieferanten)

Fristlose Kündigung
      • die Möglichkeit der fristlosen Kündigung steht ausschließlich dem Grundversorger zu
      • aber nur in besonderen Fallkonstellationen des § 21 i. V. m. 19 StromGVV bzw. § 21 iVm 19 GasGVV
      • nach § 19 I StromGVV bzw. § 19 I GasGVV kann ohne vorherige Androhung die Energiebelieferung unterbrochen werden, wenn Energiediebstahl vorliegt
      • nach § 19 II StromGVV bzw. § 19 II GasGVV bedarf es einer vorherigen Androhung
      • danach darf Grundversorger auch die Belieferung unterbrechen, wenn ein Fehlverhalten des Haushaltskunden vorliegt
      • dies ist häufig bei nicht beglichenen Zahlungsverpflichtungen gegeben
      • hier soll aber Stilllegung der Engeriezufuhr noch im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung des Kunden stehen

5. Ökonomische Implikationen der Grundversorgung
Die Grundversorgung erfolgt in aller Regel zu höheren Preisen, als die Belieferung aufgrund von Sonderkundenverträgen. Da der Grundversorger seine Kunden nicht frei wählen kann, werden innerhalb der Preise der Grundversorgung insbesondere auch Risikozuschläge für nicht eintreibbare Forderungen und viele andere Kostenfaktoren berücksichtigt, um das erhöhte Ausfallrisiko tragen zu können. Wenn also zu den Grundversorgungskunden im Gebiet der Grundversorgung nun beispielsweise viele sozial schwächere Kunden gehören, die nicht zahlen oder in sonstiger Weise Probleme bereiten, dann ist die Stellung des Grundversorgers problematisch.
Auf der anderen Seite lohnt es sich - wegen der höheren Preise - eindeutig Grundversorger insbesondere dann zu sein, wenn die Grundversorgungskunden finanziell liquide sind und ihre Rechnungen prinzipiell ordnungsgemäß bezahlen. In solchen Fällen zeigen sich die dabei erzielten Umsätze als sehr vorteilhaft.


C. Die Ersatzversorgung
Bei der geltenden Konstruktion des Energiemarktes in Deutschland ist es möglich, dass ein Haushaltskunde Energie bezieht, ohne einen Liefervertrag dafür vorweisen zu können und ohne unter die Grundversorgung zu fallen. In diesem Fall kann die Strombelieferung keinem Sondervertrag und auch nicht der Grundversorgung zugeordnet werden. Zu einer solchen Konstellation kann es grundsätzlich nur kommen, wenn ein Sondervertrag zwischen einem Haushalt und dem Energieversorger nicht erfüllt werden kann. Dies kann beispielsweise bei einem (fehlgeschlagenen oder verzögerten) Lieferantenwechsel passieren oder wenn der Lieferant (aus berechtigten Gründen) keinen Netzzugang erhält. Meist ist die Ursache allerdings die Insolvenz des Lieferanten, durch die eine Belieferung nicht mehr stattfinden kann. Für all diese Konstellationen sieht das Gesetz in § 38 EnWG die sog. Ersatzversorgung vor.

1. Voraussetzungen
Für die Ersatzversorgung im Sinne des § 38 EnWG ist Voraussetzung, dass
    • ein Letztverbraucher
    • aus dem Niederspannungs- oder Niederdrucknetz der allgemeinen Versorgung zwar Energie bezieht,
    • dieser Energiebezug aber keinem Vertrag zugeordnet werden kann (vertragsloser Zustand).
In diesen Fällen greift die Ersatzversorgung zur Vermeidung der Versorgungsunterbrechung und gewährt dem Kunden eine vorläufige Rechts- und Versorgungssicherheit. Die Ersatzversorgung erstreckt sich übrigens nicht nur auf Haushaltskunden, sondern betrifft alle Kunden im Niederspannungs- und Niederdrucknetz.

2. Folgen der Feststellung der Ersatzversorgung
Gemäß § 38 I 1 EnWG wird der Energiebezug durch den Letztverbraucher im Rahmen der Ersatzversorgung so behandelt, als würde er durch den Grundversorger erfolgen. Damit ist der Grundversorger zur temporären Energiebelieferung verpflichtet und muss dafür den Abnehmerkreis sogar noch weiter ziehen, als er es im Rahmen der Grundversorgungssituation pflegt.
Der Beginn der Ersatzversorgung wird durch den Zeitpunkt der erstmaligen Energieentnahme bestimmt. Das Schuldverhältnis kann demnach unter Umständen auch schon entstehen, bevor der Grundversorger davon Kenntnis erlangt. Es handelt sich dabei deshalb um kein vertragliches, sondern um ein gesetzliches Schuldverhältnis.
Auch in Bezug auf die Ersatzversorgung finden sich ergänzende Regelungen in der StromGVV und GasGVV wieder. So muss unter anderem der Grundversorger gemäß § 3 II StromGVV bzw. § 3 II GasGVV seiner Mitteilungspflicht nachkommen und den Kunden über den Zeitpunkt des Beginns und über das Ende der Ersatzversorgung in Textform informieren. Innerhalb dieser Mitteilung muss auch darauf hingewiesen werden, dass nach Ablauf der vorübergehenden Ersatzversorgung ein neuer Energieliefervertrag notwendig ist und dieser mit dem potenziellen Versorgungsunternehmen auch konkludent geschlossen werden kann.

3. Allgemeine Preise und Bedingungen
Ebenso wie bei der Grundversorgung wird auch die Ersatzversorgung inhaltlich durch die allgemeinen Preise und Bedingungen bestimmt. Nach § 1 I 3 StromGVV bzw. § 1 I 3 GasGVV finden hier wieder die Bestimmungen der beiden Ausführungsverordnungen Anwendung.
Im Falle der Ersatzversorgung dürfen unter Umständen sogar Preise festgesetzt werden, welche von den Grundversorgungspreisen nach oben hin abweichen.

4. Ende der Ersatzversorgung
Der Zustand der Ersatzversorgung soll selbstverständlich keine Dauerlösung darstellen. Daher wird auch in § 38 II EnWG die Maximaldauer auf 3 Monate beschränkt. Somit läuft die Energiebelieferung im Sinne der Ersatzversorgung auch ohne ein Kündigungsschreiben genau 3 Monate nach Beginn der Versorung einfach aus.
Alternativ kann die Ersatzversorgung auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt beendet werden. Dies geschieht, wenn der Letztverbraucher einen neuen Energieliefervertrag abschließt. In diesem Zuge wird nämlich der Kunde von seinem neuen Lieferanten beim Netzbetreiber zur Nutzung angemeldet. Damit ist der vertragslose Zustand aufgehoben und der Energiebezug kann wieder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden.


D. Bestimmung des Grundversorgers

Das EnWG regelt in § 36 Abs. 2 EnWG die Frage, wer Grundversorger ist. Grundversorger ist das Energieversorgungsunternehmen, welches bestimmte (materielle) Voraussetzungen erfüllt und entsprechend festgestellt wird (formelle Voraussetzung).

1. materielle Voraussetzungen (§ 36 II 1 EnWG)
Gem. § 36 Abs. 2 S. 1 EnWG ist dasjenige Energieversorgungsunternehmen als Grundversorger zu qualifizieren, welches im betroffenen Netzgebiet die meisten Haushaltskunden mit Energie beliefert. Maßgeblich ist dabei nicht die Anzahl der versorgten Personen, sondern die Anzahl der abgeschlossenen Verträge (d. h. bei Haushaltskunden z. B. ein Vertrag je Haushalt mit dem Energieversorgungsunternehmen zählt nur einmal, unabhängig davon, wie viele Familienangehörige dem Haushalt angehören).

Wie das Netzgebiet genau zu bestimmen ist, klärt das Gesetz allerdings nicht. Dabei hat die Bestimmung des Netzgebietes (und seiner Grenzen) hat entscheidenden Einfluss auf die Frage, wer auf einem bestimmten Gebiet Grundversorger ist. Demzufolge stellt sich die Frage, ob der Netzbetreiber bzw. Versorger hier durch eine entsprechende Gestaltung der Wirkungsbereiche einzelner Gesellschaften das Netzgebiet bestimmen und die Grenzen festlegen kann. Fraglich ist ferner, ob die Einteilung abhängig vom Gebiet einer Gemeinde, dem Netz eines einzelnen Netzbetreibers oder unabhängig von diesen Faktoren erfolgen soll.
Die auf das Gemeindegebiet bezogene Einteilung der Netzgebiete entspricht in der Regel einem Konzessionsvertag. Darunter versteht man die Wegenutzungsrechte, die zur Verlegung und zum Betrieb von ganzen Netzen der allgemeinen Versorgung dienen, die für das Gebiet einer Gemeinde in einem Vertrag zusammengefasst werden.
Über die Netzgebietseinteilung gibt es verschiedene Auffassungen bzw. Meinungen. Zum einen wird vertreten [Säcker, Berliner Kommentar], dass die Netzgebietsverteilung gemeindegebietsübergreifend erfolgen kann, was aus § 36 II EnWG und § 18 I EnWG folgen soll. Andere [Hellermann, Kommentar zum EnWG] sind der Meinung, dass die Netzgebietsverteilung gemeindegebietsbezogen erfolgen sollte, was aus § 3 Nr. 17 EnWG und § 46 II S. 1 EnWG resultieren soll. Dies würde auch die alte Regelung von 1998 wiederspiegeln, die den Konzessionsvertrag zwischen Energieversorgungsunternehmen und Gemeinden als Rechtsgrundlage bei der Bestimmung der Bezugsgröße des Netzgebietes vorgeschrieben hat.

Überzeugend erscheint die Lösung, dass das Netzgebiet in der Regel gemeindegebietsbezogen definiert werden muss. Es kann allerdings auch kleiner ausfallen als das jeweilige Gemeindegebiet, weshalb eine Aufspaltung zunächst einmal denkbar ist und Einfluss auf die Bestimmung des Netzgebietes haben kann. Allerdings ist ein Netzgebiet, das nicht mit dem Gemeindegebiet deckungsgleich ist, grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn dies auf die Struktur der Konzessionsverträge i. S. d. § 46 EnWG zurückzuführen ist. Es muss jeweils eine klare Abgrenzung ersichtlich sein, was der Konzessionsvertrag unterstützen würde. Sonst wäre die Bestimmung des Grundversorgers zu kompliziert.

Zur Frage des Netzgebietes vgl. auch folgende Ausführungen.

2. formelle Voraussetzungen (§ 36 II 2 EnWG)
Die Grundversorgungspflicht entsteht erst dann, wenn der Grundversorger für das jeweilige Netzgebiet gem. § 36 II 2 EnWG festgestellt wird. Die Feststellung des (eventuell neuen) Grundversorgers erfolgt für jeweils drei folgende Kalenderjahre im vorangehenden Jahr. Die Feststellung erfolgt durch den Netzbetreiber des jeweiligen Netzgebietes. Vgl. dazu auch die Ausführungen weiter unten zum Fallbeispiel.

E. Fallbeispiel
Ein Beispiel zum Thema der Festlegung des Grundversorgers finden Sie hier.



CategoryEnergierecht
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