Eigenversorgung von Unternehmen - Kapitel 3
von Iris Kneißl
3.2 Prinzip der Eigenversorgung im liberalisierten Strommarkt
Grundsätzlich hat in Deutschland jeder Bürger die Möglichkeit, sich mit den verschiedensten Dingen autark zu versorgen. Sei es beispielsweise mit Obst, Gemüse oder Fleisch. Dieser Grundsatz kann daher auch bei der Stromversorgung durch eine eigene Stromerzeugungsanlage zur autarken Stromversorgung angenommen werden. Soweit der selbst erzeugte Strom auch zur eigenen Stromversorgung genutzt wird, muss keine der Ebenen der Stromwirtschaft in Anspruch genommen werden.
Bis zur letzten Novellierung des EEG im August 2014 war es die Regel, dass selbst erzeugter und selbst verbrauchter Strom von dem EEG-Umlagemechanismus befreit war.[158] Die Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage war auf Liefersachverhalte beschränkt und trat damit nur ein, wenn ein Letztverbraucher von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit Strom beliefert wurde. Bei der selbst erzeugten und selbst verbrauchten Strommenge fehlte es jedoch an einem Lieferverhältnis – der Eigenversorger war nicht Abnehmer eines Dritten. Insoweit war der Anwendungsbereich der EEG-Umlage bei Sachverhalten, die die Eigenversorgung mit Strom betrafen, nicht eröff- net. Diese Strommengen waren vom Ausgleichsmechanismus ausgenom- men.[159]
Dieses sogenannte Eigenstromprivileg betraf jedoch sehr große Strommengenrund 20 % des von der deutschen Industrie verbrauchten Stroms. Daher wurden die Stimmen immer lauter, das Eigenstromprivileg abzuschaffen oder einzuschränken, um alle Stromverbraucher zur Finanzierung der Energiewende in die Pflicht zu nehmen. Denn durch die Umlagebefreiung von Eigenversorgern mussten die übrigen Letztverbraucher, die nicht vom Eigenstromprivileg profitieren konnten, eine entsprechend höhere EEG-Umlage zahlen.[160]
Der Bundesgerichtshof[161] legte die gleiche Behandlung aller Stromverbraucher als Grundsatz des EEG in zwei Entscheidungen ausdrücklich fest. Demnach sollte jeder Letztverbraucher an den Kosten der Förderung der erneuerbaren Energien angemessen beteiligt werden. Auch die Europäische Kommission sah in der Privilegierung des selbst erzeugten und selbst verbrauchten Stroms einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Daher war das Eigenstromprivileg auch aus beihilferechtlicher Sicht stark umstritten.[162] Die Europäische Kommission forderte deshalb eine diskriminierungsfreie Beteiligung aller Letztverbraucher zur Finanzierung des EEG-Systems. Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz sollten nur sehr eng begrenzt werden.[163]
Mit der Novelle des EEG im August 2014 werden daher nun alle Stromver- braucher in adäquater Weise an den Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien beteiligt.[164] Nach § 61 I EEG können die Übertragungsnetzbetreiber nunmehr von Letztverbrauchern für die Eigenversorgung aus neuen Anlagen die EEG-Umlage verlangen, was die Aufhebung des Eigenstromprivilegs bedeutet. § 61 EEG stellt damit eine grundsätzliche Änderung der bisherigen Systematik der Finanzierung der EEG-Kosten dar. Es existieren jedoch diverse Bestandsschutzregeln, die Bestandsanlagen weiterhin vom bundesweiten Ausgleichsmechanismus freistellen.
Der Regierungsentwurf zum EEG 2014 begründet diesen Systemwandel da- mit, dass auch Eigenversorger, die sich nicht vollständig autark versorgen, auf das Energieversorgungssystem der Stromwirtschaft angewiesen sind. Denn in Zeiten, in denen ihre Stromerzeugungsanlage nicht ausreichend Strom produziert und der persönliche Bedarf die erzeugte Strommenge übersteigt, muss Strom aus dem öffentlichen Stromnetz zugekauft werden. Außerdem wird mit den Einnahmen aus dem EEG auch die technische Entwicklung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien finanziert. Von diesen weiterentwickelten und verbesserten Anlagen profitieren die Anlagenbetreiber. Insoweit gilt auch hier das Verursacherprinzip des EEG. Daher sollen auch diese Stromerzeugungsanlagen, zumindest mit einer verringer- ten EEG-Umlage, einen Beitrag zu den Kosten des Fördersystems des EEG leisten und sich an der Lernkurve beteiligen.[165]
Die Pflicht zur Zahlung der vollen EEG-Umlage trifft insbesondere neue Stromerzeugungsanlagen, die mit fossilen Primärenergieträgern betrieben werden. Da sie keinen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten und nicht zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen, besteht kein Grund, sie gegenüber einem Fremdbezug von Strom zu begünstigen.[166]
Für neue Stromerzeugungsanlagen, die mit erneuerbaren Energieträgern betrieben werden sowie für hocheffiziente KWK-Anlagen, enthält § 61 EEG in seinen Absätzen 1 und 2 Reduzierungs- und Befreiungstatbestände. Die Absätze 3 und 4 beinhalten Regelungen zu Bestandsanlagen.
Somit enthält auch das neue EEG trotz seines Systemwechsels – auch Eigenversorger in den bundesweiten Ausgleich einzubeziehen – durch die Vergünstigungen in § 61 EEG noch Anreize zur Eigenversorgung. Eine rechtlich einwandfrei umgesetzte Eigenversorgung birgt daher auch weiterhin große Einsparpotenziale bei den Stromkosten für Unternehmen. Denn die EEG-Umlage macht – wie oben bereits erwähnt – einen großen Anteil an der Stromrechnung aus.[167]
3.3 Eigenversorgung nach dem aktuellen EEG 2014
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[158] Damals geregelt in § 37 III EEG 2012.
[159] Böhme/Schreiner, in: Greb/Boewe, BeckOK EEG, EEG 2014 § 61 Rn. 4; Salje, EEG
2014, § 61 Rn. 5.
[160] Böhme/Schreiner, in: Greb/Boewe, BeckOK EEG, EEG 2014 § 61 Rn. 2; BMWi, EEG-
Reform, www.erneuerbare-energien.de; RP Photonics Consulting GmbH, Eigenstrom- privileg, www.energie-lexikon.de.
[161] BGH v. 9.12.2009 (VIII ZR 35/09) BeckRS 2010, 01954, Rn. 15 f.; BGH v. 15.6.2011 (VIII ZR 308/09) BeckRS 2011, 18688, Rn. 24 ff., insb. 26.
[162] Macht/Nebel, NVwZ 2014, 765, 766 ff.; EU KOM, Entscheidung v. 23.7.2014 (SA.38632) Rn. 165 f. u. 324; EU KOM, Entscheidung v. 25.11.2014 (SA.38728).
[163] Säcker, EnWZ 2015, 260.
[164] BT-Drs. 18/1891, S. 177.
[165] BT-Drs. 18/1304, S. 155.
[166]BT-Drs. 18/1304, S. 155.
[167] BT-Drs. 18/1891, S. 199; Moench/Lippert, EnWZ 2014, 392, 397.
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