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Netzanschluss einer EEG-Anlage

ein Fallbeispiel



A. Sachverhalt
Die Wind GmbH (W) errichtet eine Windkraftanlage in der Gemeinde G. Im Oktober 2014 verlangt W von der Gesellschaft des örtlichen Energieversorgers Netz GmbH (N), dass die Anlage an einer näher bezeichneten Trafostation in der Nähe der Windkraftanlage an das Stromnetz der N angeschlossen wird. Dabei setzt die W der N eine Frist von 4 Wochen. Die anschließend geführten Gespräche zwischen W und N endeten am 30. November 2014 ohne Ergebnis. In den Gesprächen stellte sich heraus, dass das Stromnetz der N an der Trafostation ohne kostenaufwendigen (ca. 2.000.000 EUR) Ausbau zur Aufnahme des Stroms aus der Anlage technisch nicht geeignet ist. Deswegen bietet N der W an, die Anlagen an das etwa 5 Kilometer entfernte Schalthaus Nord anzuschließen, das hierfür ohne Netzausbau technisch geeignet ist. Dies lehnt die W wegen der erheblich höheren Anschlusskosten (Leitung für ca. 500.000 EUR zusätzlich zu dem eigentlichen Anschluss für eine angemessene Leitung über 5 Kilometer) ab und fordert die N auf, ihrerseits den notwendigen Netzausbau vorzunehmen.

W weigert sich, den Netzanschluss an einem anderen Punkt, als dem zur Anlage von W nächstgelegenen, zu realisieren. Nach Auffassung von W komme nur ein Punkt im Netz der N als Anschlusspunkt in Betracht. Im Übrigen müsste ein anderer Netzbetreiber zuständig sein. Eventuell würde W den Vorschlag der N akzeptieren, wenn die Zusatzkosten von der N getragen worden wären.

B. Frage
Wie ist die Rechtslage?

C. Lösungshinweise
Es sind zwei Fragen zu klären:
- wie sind in diesem konkreten Fall die Voraussetzungen des Netzanschlusses? An welchem Verknüpfungspunkt sind sie erfüllt?
- wie sind die Kosten des Anschlusses zu verteilen?
Einen detaillierten Prüfungsaufbau zur Frage, ob W einen Anspruch auf Netzanschluss an dem von W gewünschten Netzpunkt hat oder ob der Anspruch an einem anderen Punkt (wie von N angegeben?) besteht, können Sie anhand der folgenden Baumstruktur nachvollziehen.

Vgl. dazu auch BGH, NJW-RR 2007, 1645, 1647 sowie BGH, 10.10.2012 - VIII ZR 362/11, veröffentlicht als BGHZ 195, 73.

D. Lösung zum Fallbeispiel
Nachstehend wird ein Lösungsvorschlag vorgestellt. Im vorliegenden Fall ist bei der Formulierung des Anspruchs der W insbesondere auf die konkrete Benennung der konkreten Ausgestaltung dieses Anspruchs zu achten. Die streitige Frage ist hier nicht, ob überhaupt und irgendwie ein Anspruch besteht, sondern inwiefern der Anspruch auf Anschluss an einer konkreten, durch W genannten Stelle, durchgesetzt werden kann.

W könnte gegen N einen Anspruch auf vorrangigen Netzanschluss an der durch W genannten Trafostation gem. § 8 Abs. 1 EEG haben.
Voraussetzung für den Anspruch auf Netzanschluss aus § 8 Abs. 1 EEG ist, dass das EEG auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, die anzuschließende Anlage eine Anlage zur Stromerzeugung gem. § 8 Abs. 1 EEG ist, der Anlagenbetreiber den Anschluss im richtigen Verknüpfungspunkt verlangt und der Anspruch sich gegen den zuständigen Netzbetreiber am richtigen Verknüpfungspunkt richtet. Die technische Umsetzung des Anschlusses kann ferner nur dann gefordert werden, wenn eine ordnungsgemäße Ausführung i. S. d. § 10 Abs. 2 EEG sichergestellt ist.

1. Anwendungsbereich des EEG
Die Windkraftanlage des W müsste im Anwendungsbereich des § 4 EEG liegen.
Gem. § 4 EEG gilt das EEG für Anlagen, wenn und soweit die Erzeugung des Stroms im Bundesgebiet einschließlich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone erfolgt. Es liegt nahe, dass sich die Anlage der W im Bundesgebiet befindet. Sofern dies zutrifft, ist das EEG in räumlicher Hinsicht anwendbar. Auch der sachliche Anwendungsbereich ist für Fragen der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, wie dies hier der Fall ist, eröffnet. In zeitlicher Hinsicht gilt für aktuelle Sachverhalte das EEG 2014.

2. Anspruchsberechtigte Anlage i. S. d. § 8 EEG
Die Windkraftanlage des W müsste eine Anlage i. S. d. § 8 Abs. 1 EEG sein. Ein Anspruch auf vorrangigen Netzanschluss gem. § 8 Abs. 1 EEG ist für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder zur Erzeugung von Strom aus Grubengas vorgesehen.
Zunächst müsste eine Anlage i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 EEG, also eine Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas. Eine Windkraftanlage erzeugt Strom, ist insofern eine Anlage i. S. d. § 5 Nr. 1 EEG. Sie müsste Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen. Was erneuerbare Energien sind, definiert § 5 Nr. 14 EEG.
Laut Sachverhalt handelt es sich um eine Windkraftanlage. Eine Windkraftanlage dient der Erzeugung von Strom aus der Windenergie gem. § 5 Nr. 14 Lit. b) EEG. Damit wird in der Windkraftanlage der W Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt.
Somit ist die Windkraftanlage der W eine anspruchsberechtigte Anlage i. S. d. § 8 Abs. 1 EEG.

3. Anspruchsgegner / Verpflichteter: Netzbetreiber
Der Anspruch kann gegen N gerichtet werden, wenn N Netzbetreiber ist.
Damit ist der Anspruch gegen das Unternehmen zu richten, welches das Stromversorgungsnetz am (geplanten und richtigen - siehe unten) Verknüpfungspunkt betreibt. Die Definition des Netzbetreibers im EEG ist in § 5 Nr. 27 EEG enthalten. Demnach ist Netzbetreiber der Betreiber eines Netzes für die allgemeine Versorgung mit Elektrizität, unabhängig von der Spannungsebene.
Im vorliegenden Fall betreibt N die Netze an dem Ort, an welchem die Anlage der W angeschlossen werden soll. Somit ist N das Unternehmen, dass das Stromversorgungsnetz an dem Verknüpfungspunkt, in der Gemeinde G, betreibt.
Somit ist N richtiger Anspruchsgegner.

4. Trafostation als richtiger Verknüpfungspunkt
W müsste den Netzanschluss von N zudem am richtigen Verknüpfungspunkt verlangen. W besteht darauf, dass die Windkraftanlage an der Trafostation in der Nähe der Windkraftanlage angeschlossen wird. Der richtige Verknüpfungspunkt bestimmt sich nach § 8 Abs. 1, 2 oder 3 EEG. W macht insofern den Verknüpfungspunkt mit der kürzesten Entfernung von der Anlage gem. § 8 Abs. 1 S. 1 1. HS. EEG geltend.

W kann sich auf den Verknüpfungspunkt mit der kürzesten Entfernung berufen, wenn keine Spezialvorschrift greift (z. B. § 8 Abs. 1 S. 2 EEG), der geforderte Verknüpfungspunkt tatsächlich der in Luftlinie am nächsten zur Anlage liegt, das Netz an diesem Punkt im Hinblick auf die Spannungsebene für den Anschluss der Anlage geeignet ist und den Strom aus der Anlage aufnehmen kann und wenn kein anderer Netzpunkt i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 1 2. HS EEG für den Anschluss besser geeignet ist.

a. Spezialvorschriften
Windkraftanlagen weisen gegenwärtig Leistungswerte ab 2 MW, kleinere Anlagen eventuell etwas darunter. Es ist praktisch ausgeschlossen, dass es sich um eine Anlage i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 2 EEG bis zu 30 kW handelt. Sonderregelungen kommen insofern nicht in Betracht.

b. Kürzeste Entfernung
Die von W gewählte Stelle müsste in Luftlinie die nächste Netzstelle sein. Die Sachverhaltsdarstellung ("in der Nähe der Anlage") legt nahe, dass dies die nächstgelegene Stelle des Netzes ist.

c. Spannungsebene geeignet
Das Netz müsste an der gewählten Stelle von der Spannungsebene her zum Anschluss geeignet sein. Der Sachverhalt enthält dazu keine konkreten Angaben. Es muss sich jedenfalls um die Spannungsebene der Anlage handeln. Eine Windkraftanlage wird grundsätzlich mindestens an das Netz der Mittelspannung angeschlossen. Eine Trafostation bedeutet, dass an der Stelle mindestens zwei Spannungsebenen vorhanden sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass hier mindestens Mittelspannung vorhanden ist. Sofern dies zutrifft, liegt eine geeignete Spannungsebene des Netzes vor.

d. Stromabnahme möglich
Am gewählten Verknüpfungspunkt müsste die Stromabnahme möglich sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Netz sich in einem Zustand befindet, in welchem die Netzkapazität für die Durchleitung des eingespeisten Stroms ausreicht. Allerdings ist dies auch dann gegeben, wenn das Netz zu diesem Zweck noch gem. § 8 Abs. 4 EEG ausgebaut werden muss.
N macht geltend, dass das Netz an der Trafostation den Strom aus der Anlage der W nicht ohne Weiteres aufnehmen kann und noch ein Ausbau notwendig wäre. Dies steht gem. § 8 Abs. 4 EEG der Wahl dieses Verknüpfungspunktes nicht entgegen, weil die Notwendigkeit des Netzausbaus unschädlich ist.

e. Kein besser geeigneter Netzpunkt
Der nächst gelegene Verknüpfung ist dann kein richtiger Verknüpfungspunkt, wenn ein anderer Punkt des Netzes (des gleichen oder eines anderen Netzbetreibers) technisch und wirtschaftlich günstiger ist. Lässt sich ein besser geeigneter Netzpunkt finden, kann W den Anschluss an der Trafostation nicht verlangen.

Bei der Bewertung der Eignung verschiedener Netzpunkte sind sowohl die Kosten des Anschlusses selbst, wie auch die Kosten für den eventuell notwendigen Netzausbau einzubeziehen - eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung ist vorzunehmen. Die Voraussetzungen dafür, dass ein günstigerer Verknüpfungspunkt als der nächstgelegene existiert, muss dabei der Netzbetreiber nachweisen.
Der 5 km entfernte Netzpunkt (Schalthaus Nord) kann in jedem Fall als technisch günstigerer bezeichnet werden, aber würde den W 500.000€ mehr kosten, als der Netzanschluss an der o. g. Trafostation. Somit ist fraglich, ob der 5 km entfernte Netzpunkt auch wirtschaftlicher ist. Dies ist dann der Fall, wenn die direkt aus dem Anschluss folgenden Kosten im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung (d. h. unabhängig von der Frage, von wem sie zu tragen sind) geringer sind.

Da der Netzausbau zur Trafostation regulär 2 Mio. EUR (neben dem Anschluss selbst) kosten würde, ist diese Variante kostspieliger, während der an sich teure, aber insgesamt nur 0,5 Mio. EUR (neben dem Anschluss selbst) kostende Anschluss am Schalthaus Nord ist wirtschaftlich günstiger.

Es liegt ein besser geeigneter Netzpunkt vor, als die von W genannte Trafostation.

f. Zwischenergebnis
Die Trafostation ist kein richtiger Verknüpfungspunkt gem. § 8 Abs. 1 EEG.

5. Ergebnis
W kann den Netzanschluss nicht an der Trafostation verlangen.

6. Anspruch auf Anschluss am Schalthaus Nord
Auch wenn W keinen Anschluss an der Trafostation verlangen kann, ergibt sich aus der Prüfung oben ein Anspruch auf Anschluss am Schalthaus Nord.

Darüber hinaus ist festzustellen (so der BGH in der oben genannten Entscheidung BGH, NJW-RR 2007, 1645, 1647), dass die Überbrückung zwischen dem Schalthaus Nord und der Trafostation, die spannungstechnisch auch für den Anschluss geeignet wäre, keinen Anschluss i. S. d. § 8 EEG sowie i. S. d. § 16 EEG darstellen, sondern als Netzausbau i. S. d. § 12 EEG anzusehen ist.
Demzufolge sind die Mehrkosten i. H. v. 500.000 EUR nicht von W, sondern von der N zu tragen.


Bemerkung: die runden Zahlen wurden lediglich zur Veranschaulichung gewählt, sie entsprechen keineswegs den in der Praxis anfallenden Kosten.


CategoryEnergierecht, CategoryFallsammlungEnR
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