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bearbeitetes Urteil: BGHZ 99, 333 (NJW 1987, 944)




Gründe für die Entscheidung (Zusammenfassung):



I.

Das BerGer ließ beide Darlehensverträge wegen § 138 Abs. 1 BGB (Nichtigkeit) scheitern. Der im zweiten Vertrag, vom 22. Mai 1980, vereinbarte Zins übersteige zwar den Marktzins um 80,5%, dies stellt jedoch noch kein "grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung" dar. Die Gesamtwürdigung erfordert allerdings die Betrachtung des ersten Vertrags, welcher durch den zweiten abgelöst worden ist. Dieser am 23. Januar 1979 geschlossene Darlehensvertrag stellt eine Sittenwidrigkeit dar, weil der darin vereinbarte Zins den Marktzins um 208,57 % übersteige. Der Beklagte Rentner hatte bis zum zweiten Vertragsschluss bereits mehr gezahlt, als der Klägerin aus § 812 BGB zustand. Auf dieser Grundlage stellte der neue Vertrag aus wirtschaftlicher Betrachtung eine Unsinnigkeit dar. Die Bereicherungsansprüche der Klägerin aus beiden Verträgen seien durch die Gesamtzahlungen des Beklagten voll erfüllt.

II.

(entfällt hier)

III.

1. Mit Recht hat das BerGer den im Januar 1979 geschlossenen ersten Kreditvertrag als sittenwidrig und daher nichtig erachtet. Insoweit kann sich das Berufungsurteil auf die gefestigte Rechtsprechung des erkennenden Senats stützen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts überstieg der Vertragszins von 26,29 % den Marktzins von 8,52 % relativ um mehr als 200 %. Bei einem solchen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hat das Berufungsgericht, das außerdem noch die einseitig belastenden AGB-Klauseln in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat, die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB mit Recht bejaht.

2. (entfällt hier)

3. Den zweiten Vertrag vom Mai 1980 hat das Berufungsgericht bei isolierter Betrachtung der Kreditkonditionen mit Recht noch nicht als sittenwidrig bewertet. Seine Gesamtwürdigung, nach der Vertragszinsen, die den Marktzins absolut um knapp 12 %, relativ um 80,5 % übersteigen, bei der Klägerin als Teilzahlungsbank auch unter Berücksichtigung der unangemessenen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die objektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB nicht erfüllen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Zinsvergleichsberechnung ist von der Klägerin nicht angegriffen worden. Der Beklagte wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Restschuldversicherungskosten bei der Ermittlung des effektiven Jahreszinses unberücksichtigt gelassen hat. Diese Art des Äquivalenzvergleichs entspricht jedoch der Rechtsprechung des erkennenden Senats: Wollte man - wie es der Beklagte fordert - die Hälfte der Restschuldversicherungskosten in die Berechnung des Vertragszinses einbeziehen, so müßte das gleiche auch beim Marktzins geschehen; dadurch aber würde sich das Verhältnis beider nur zugunsten der Klägerin verschieben.

4. Bei der Beurteilung des zweiten Kreditvertrags kann die Nichtigkeit des ersten nicht unberücksichtigt bleiben. Der Inhalt des zweiten Vertrags ist von der Vorstellung bestimmt worden, der erste Vertrag sei wirksam: Nur weil sich der Beklagte zur Erfüllung des ersten Vertrags verpflichtet glaubte, hat er im zweiten Vertrag Belastungen in der vereinbarten Höhe übernommen. Stellt man seinen neuen Belastungen die in Wahrheit bestehenden Bereicherungsansprüche gegenüber, so ergibt sich ein Mißverhältnis, das nicht ohne rechtliche Folgen bleiben darf.

a) Nicht zu billigen ist allerdings die Auffassung, in solchen Fällen sei in aller Regel der gesamte Folgekreditvertrag ebenfalls gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Diese Konsequenz kann zwar im Einzelfall geboten sein, wenn der Kreditgeber die Nichtigkeit des Erstvertrages positiv gekannt und mit dem neuen Kreditvertrag das Ziel verfolgt hat, sich den unberechtigten Gewinn aus dem sittenwidrigen Erstvertrag zu sichern. Auch mögen Fälle denkbar sein, in denen die Kreditkonditionen des Folgevertrags schon bei isolierter Betrachtung auf der Grenze des nach § 138 Abs. 1 BGB Erlaubten liegen und in denen dann der Umstand, daß der Vertrag teilweise auch der Ablösung eines sittenwidrigen älteren Vertrags dient, im Rahmen der Gesamtwürdigung den Ausschlag geben kann.

In den Fällen aber, in denen - wie hier - der neue Kreditvertrag nur teilweise durch den sittenwidrigen Erstvertrag beeinflußt wird, im übrigen aber - davon unabhängig - einen neuen Kreditbedarf des Kreditnehmers zu Bedingungen deckt, die nicht zu mißbilligen sind, kann der neue Vertrag nicht insgesamt als sittenwidrig beurteilt werden; die Konsequenz einer solchen Auffassung, daß nämlich dem Kreditnehmer auch der zur Deckung seines neuen Bedarfs unabhängig von der Nichtigkeit des Erstvertrags gewährte zusätzliche Kredit zinslos verbleiben müßte, geht zu weit.

b) In diesen Fällen erscheint es vielmehr ausreichend und geboten, den neuen Vertrag, soweit er durch den Irrtum über die Nichtigkeit des vorangegangenen Vertrags beeinflußt worden ist, der wahren Rechtslage anzupassen. In diesem Ausgangspunkt ist der insbesondere von dem Oberlandesgericht Hamm und Canaris vertretenen Auffassung zuzustimmen. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt, daß § 242 BGB auch bei einem beiderseitigen Rechtsirrtum eine Anpassung nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage gebieten kann. Eine Vertragspartei, die nach Aufklärung des Irrtums den Vorteil behalten will, der ihr im Widerspruch zur wirklichen Rechtslage aus dem Vertrag zufließen würde, handelt regelmäßig wider Treu und Glauben, insbesondere wenn sie der durch den Irrtum benachteiligten Vertragspartei die falsche rechtliche Bewertung als die richtige hingestellt hat.

Der Klägerin stehen daher Ansprüche aus dem zweiten Vertrag nur in dem Umfange zu, in dem die Parteien solche Ansprüche billigerweise auch dann begründet hätten, wenn sie am 22. Mai 1980 die Nichtigkeit des Erstvertrags und deren Auswirkungen auf ihre Rechtsbeziehungen gekannt hätten.

c) Diese Auswirkungen und damit die Anpassung des Folgekreditvertrags beschränken sich jedoch - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm aaO - nicht darauf, daß der Betrag zur Ablösung der Restschuld aus dem Vorkredit auf die Differenz zwischen Nettokredit und zwischenzeitlichen Zahlungen reduziert wird, daß es im übrigen aber bei der neuen Barkreditsumme, der Verlängerung der Laufzeit und der vereinbarten Verzinsung verbleibt. Die Sittenwidrigkeit des ersten Vertrags beeinflußt das Rechtsverhältnis der Parteien in weit stärkerem Maße:

Nach der Rechtsprechung des Senats sind alle Einzelzahlungen jeweils anteilig im Verhältnis der vereinbarten Gesamtbeträge auf Kapital und Kreditkosten geleistet worden. Hier machten die im ersten Vertrag berechneten Kreditkosten (Kreditgebühren, Bearbeitungsgebühr, Maklerkosten, halbe Restschuldversicherungsprämie) insgesamt 8 839 DM = 35,65 % der Gesamtdarlehenssumme von 24 792 DM aus. Daher entfielen von den 7 368 DM, die der Beklagte unstreitig aufgrund dieses Vertrags bis Mai 1980 bereits geleistet hatte, 35,65 % = 2 626,69 DM auf die Kreditkosten. In dieser Höhe stand dem Beklagten damals ein sofort fälliger Bereicherungsanspruch gegen die Klägerin zu.

Nur 64,35 % der Zahlungen = 4 741,31 DM waren auf den vom Beklagten - gemäß § 812 BGB auch bei Nichtigkeit des ersten Vertrags - geschuldeten Kapitalbetrag von 15 953 DM zu verrechnen, so daß noch eine Restschuld von (15 953 - 4 741,31 =) 11 211,69 DM verblieb. Diese Bereicherungsschuld des Beklagten war aber nicht sofort in voller Höhe fällig, sondern brauchte gemäß § 817 Satz 2 BGB nur in der im Erstvertrag vereinbarten zeitlichen Abfolge, also in noch 33 Raten von je 339,75 DM zurückgezahlt zu werden, und zwar ohne daß die Klägerin insoweit eine Verzinsung verlangen konnte. Bei Abschluß des zweiten Vertrags am 22. Mai 1980 war nur die Mairate fällig. Nur in Höhe von 339,75 DM hätte somit die Klägerin damals mit einem eigenen Rückzahlungsanspruch gegen den Bereicherungsanspruch des Beklagten aufrechnen können. Der dem Beklagten danach verbleibende, sofort fällige Anspruch auf Erstattung der bereits geleisteten Kreditkosten betrug noch (2 626,69 - 339,75 =) 2 286,94 DM. In dieser Höhe hätte die Klägerin also den damaligen Barbedarf des Beklagten ohne Abschluß eines neuen Kreditvertrags decken müssen, allein aufgrund der Sittenwidrigkeit des ersten Vertrags. Von der im Mai 1980 ausgezahlten Barsumme von 3 068,32 DM hätte danach bei Berücksichtigung der wahren Rechtslage nur ein Betrag von (3 068,32 - 2 286,94 =) 781,38 DM als Neukredit gewährt werden müssen. Bei einer Tilgung innerhalb der Restlaufzeit des ersten Kredits (32 Monate) hätte die Klägerin für diesen Neukreditbetrag aufgrund der Konditionen des zweiten Vertrags nur folgende Kosten berechnet:

Darlehensgebühren 0,98 % × 32 Monate 245,04 DM
Bearbeitungsgebühr 3 % 23,44 DM
Nettoneukredit und Kosten hätten insgesamt also nur 1 049,86 DM

betragen. Jede einzelne der 32 Raten hätte sich durch einen solchen Neukredit nur um (1 049,85 :32 =) 32,81 DM auf (339,75 + 32,81 =) 372,56 DM erhöht und wäre damit noch weit unter den Ratenbeträgen geblieben, die der Beklagte in der vorangegangenen Zeit ständig aufgebracht hatte und die er im zweiten Vertrag auch in Zukunft übernahm. Somit bestand auch wegen des Neukredits keinerlei Anlaß zu einer - zinspflichtigen - Laufzeitverlängerung und zum Abschluß einer neuen Restschuldversicherung.

5. Danach erweist sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als richtig: Der Beklagte schuldete in den 32 Monaten von Juni 1980 bis Januar 1983 die restliche Bereicherungsschuld von 11 211,69 - 339,75 (Mairate) = 10 871,94 DM und den - angepaßten - Neukredit einschließlich Kosten in Höhe von insgesamt 1 049,86 DM, zusammen also 11 921,80 DM. Unstreitig hat die Klägerin von ihm in dieser Zeit jedoch 13 623 DM erhalten. Selbst wenn man den Beklagten für den - angepaßten - Neukredit noch mit einem entsprechenden Anteil der neuen Makler- und der zusätzlichen Restschuldversicherungskosten belasten wollte, steht der Klägerin kein Anspruch mehr zu.





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